Die Kultur unserer Nachfahren wird anders, ihre Technologien ( zum Beispiel Nano- und Femtotechnologie, Wurmlöcher) werden weiterentwickelt, ihre Sprache verändert, ihr Verhältnis zu KI vertrauter und ihr Erscheinungsbild wahrscheinlich ganz anders beziehungsweise viel umfassender als unseres sein. Doch damit wir überhaupt noch in Mega- und Gigajahren existieren, müssen wir schon HEUTE uns und unsere Institutionen ändern, denn sollten wir auch nur etwas gewalttätiger, beschränkter, dümmer und selbstsüchtiger werden - das könnte zunächst nur eine Trendfrage, später Mode und schließlich Kultur werden - haben wir mit großer Wahrscheinlichkeit keine Zukunft. Vielleicht kommt es auch rechtzeitig zum Scheitelpunkt und die Besiedlung des Multiversums ist eine Aufgabe von EXES, Posthumanen und KENEN - von denen wir irgendwie ein Teil sein werden, eventuell als Emulationen...
Dort bei Alpha Centauri, Epsilon Eridani, Tau Ceti, Sigma Draconis und all den anderen Sternen und Galaxien wird eine uns verwandte Art eintreffen, die unsere Schwächen verringert und unsere antagonistischen Widersprüche annulliert und die unsere Stärken potenziert haben wird - eine Art, die zuversichtlich und vorausblickend lebt und konstruktiv, effektiv, aber auch klug und vorsichtig ist; alles das was man sich von seinen Kindern wünscht und auf die wir stolz sein werden können. Wird unsere Motivation dieselbe sein, während wir uns innerhalb geologischer und kosmologischer Äonen verändern (nach der Scheitelpunkthypothese jedoch schon viel früher)? Vielleicht gibt es dann viel wichtigere Gründe für seine Erforschung als nur die Besiedlung einiger Welten - etwa den, um in die Evolution des Universums einzugreifen; damit würde Bewusstsein dann zum kosmologischen Faktor.
Bei Raumfahrt geht es um den Aufbruch aus der räumlichen und zeitlichen Begrenztheit in die raumzeitliche (relative) Unendlichkeit des Universums; nur durch sie werden die Begrenzungen der irdischen Biosphäre überwunden. Dieses Überwinden eines begrenzten und bedrohten Planetenraums und das Erschließen neuer Existenzräume für das Leben in diesem Sonnensystem und - langfristig - in interstellaren Dimensionen würde alles bisherige verblassen lassen; mit dem Anbruch des Raumzeitalters kann man durchaus damit rechnen, dass auch das Leben des Homo sapiens und die aus ihm entstehenden Homo sapiens spaciens, Homo galacticus und letztlich Homo cosmicus und die jeweils von ihnen hervorgebrachten Kulturen in die Transzeitlichkeit beziehungsweise Unzeitlichkeit hineinwachsen können.
Uns nachfolgende Generationen werden den Sprung aus der irdischen Ökosphäre in den Ökokosmos meistern, der sich zunächst auf unser eigenes Sonnensystem beschränkt. Indem sie neue Exo-Ökosysteme erschaffen und die alten auf der Erde umweltfreundlicher gestalten, werden sie ihre irdischen Entwicklungsgrenzen erweitern beziehungsweise aufheben, was möglich wird durch praktisch unerschöpfliche Energiequellen, Erschließung neuer Rohstoffquellen, Erschaffung zusätzlicher, umweltneutraler Produktionsräume, zusätzlicher ökologischer Regelkreise, durch die unendliche Wärme- und Abfallsenke Weltraum und die Möglichkeit, verlorengehende Sonnenenergie für spätere Bedürfnisse zum Teil als Antimaterie zu speichern und damit in den Energiehaushalt unseres Sonnensystems einzugreifen. Die Entwicklung von der Ökosphäre zum Ökokosmos wird die sozialen, kulturellen, geistigen, wirtschaftlichen und sittlichen Bereiche des Mensch-Seins enorm beeinflussen. Durch die Besiedlung des Alls, also durch Raumfahrt, erscheint es möglich, nicht nur weitere Siedlungsräume zu erschließen, sondern uns und unsere Kultur in eine Ultrazukunft hinüberzuretten. Hat sich das irdische Leben bisher praktisch nur zweidimensional entwickelt, entspricht der kosmische Wirkungs- und Lebensraum, also der Ökokosmos einem dreidimensionalem Bezugssystem, in dem alle Raumkoordinaten theoretisch unendliche Größen darstellen.
Solange unsere Sonne strahlt, lässt sich von einem praktisch unendlichen Existenzraum sprechen; die Ausbreitung in intergalaktische Bereiche lässt sich weiterhin als relative Unendlichkeit verstehen, wobei eine absolute Unendlichkeit dem Hinüberwachsen unserer trans- und posthumanen Nachkommen in den Kreislaufprozess des gesamten Universums entspricht. Mit Scheitelpunkttechnologien als 1. technologische Singularität und Designerraumzeiten als 2. technologische Singularität könnte auch der 3. kosmische Evolutionssprung gelingen - jener in die "absolute Unendlichkeit", die für das Universum beziehungsweise die Metagalaxis als Ganzes und als Kreislaufprozess eventuell gegeben ist. (Kommen wir nun zum Multiversum...) Unsere natürliche Umwelt endet nicht an der äußeren Atmosphäre; das Universum selbst ist unsre Natur, von der die Erde nur ein kleiner, wenn auch sehr schöner, aber im kosmischen Maßstab nicht einmal ein repräsentativer Ausschnitt daraus ist. Also muss Raumfahrt als langfristiges evolutionäres Ziel verstanden werden. Sie und ihre Ziele können nicht von kurzfristigen, angeblich "bodenständig-wissenschaftlichen" Überlegungen allein abhängig gemacht werden.
Warum Raumfahrt? Warum schießen wir für teures Geld immer wieder und immer mehr Raketen und Raumsonden ins Sonnensystem, warum lassen wir es uns "soviel" kosten, herauszufinden, ob es auf Mars, Europa, Titan usw. Leben gibt (wenn auch nur Mikroorganismen), warum schicken wir Botschaften per Raumsonden aus unserem Sonnensystem hinaus, warum senden wir Radiobotschaften zum Beispiel an M 13, einen Kugelsternhaufen, warum machen wir SETI, warum werden teure und zeitaufwendige Unternehmen teilweise über Jahrzehnte hinweg gestartet, unermüdlich und in der Hoffnung, eines Tages erfolgreich damit zu sein? Weil es unsere Bestimmung ist! Denn das ist das Ziel: dem Leben jeden Platz zu erobern, auf dem es bestehen und weiter wachsen kann; jede unbelebte Welt zu beleben und jede lebende sinnvoller zu gestalten.
Raumfahrt ist unmöglich ohne Computer und bessere Computer bedeuten bessere Raumfahrt. Raumfahrt gibt der Entwicklung von KI und KL, also von Robotern und Computern einen Riesenschub: die Entwicklung von Robotern mit einer gewissen Entscheidungsfreiheit ist durch sie beschleunigt worden und wird zukünftig noch mehr zunehmen. Man denke da an Robonauten, die auf der ISS eingesetzt werden. Eine weitere große Motivation ist die Lichtmauer beziehungsweise das Echtzeitproblem: Signale zum Beispiel zu Marsrobotern sind über 20 min unterwegs; eine Interaktion dauert also über 40 min. Das ist für eine Echtzeitfernsteuerung viel zu lang und macht eine eigene Entscheidung und Steuerung erforderlich.
Diese Wechselwirkung zwischen Raumfahrt und Computern bewirkt starke synergetische Effekte. Wenn die Computer der Zukunft nicht mehr aus Silizium bestehen, sondern der Biochip kommt, ein Sandwich aus Glas und Metall mit einer Zwischenschicht aus Proteinen; also der organische Computer oder Neuronen, die auf Chips wachsen, wäre es dann möglich, dass Biosphäre und Technosphäre letztlich zu einer Einheit werden, dass wir und die Roboter und Computer verschmelzen oder sogar ineinander aufgehen - in einer Symbiose zu einer transhumanen oder posthumanen Lebensform?
Materie ist die Erfüllung der Raumzeit, deren Erfüllung wiederum ist Leben; die höchste Erfüllung des Lebens ist uneingeschränkte Intelligenz und Verantwortungsgefühl. Unsere Intelligenz ist der Schlüssel zu unsere Zukunft; wir Menschen sind keine Form der Umweltverschmutzung wie auch Leben kein Krebsgeschwür der Materie, sondern ihre Transzendierung ist. Im Rahmen der Besiedlung des Weltalls wird ein Informationsnetz aus Mononen unaufhörlich fortschreiten, das Universum (oder sogar das Multiversum) in ein einziges zusammenhängendes, sich immer weiter strukturierendes Muster zu verwandeln - das wäre dann tatsächlich die letzte weil alles umfassende Integration - die kosmische Integration. Wenn unser Planet wirklich der einzige ist, auf dem es "höheres" Leben gibt, wird sich Leben mit großer Wahrscheinlichkeit zu anderen Welten ausbreiten; allein diese Möglichkeit sollte uns die implizite kosmische Verantwortung vor Augen führen, denn wir wären es, die eine Wertvorstellung in das Universum einbringen oder ihr Ausdruck verleihen. Falls wir jemals im vollen Bewusstsein unseres Handelns nach den Sternen greifen, liegt in der Transformation anderer Biosphären oder in der unsrigen eine hohe moralische Verantwortung mit entsprechenden Konsequenzen. Da das Universum so ungemein interessant und wissenswert ist, sollten sich geistige und technische Aktivitäten auf das konzentrieren, was wirklich konstruktiv und zukunftsträchtig ist. Es geht um eine neue Einstellung, eine neue Haltung gegenüber der Freude und der Befriedigung das Universum zu verstehen, von dem wir ein organisierter, denkender Teil sind.
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