Raumfahrt ist nicht nur existentielle Notwendigkeit; Raumfahrt-Technologie hat auf alle Kardinalfragen der menschlichen Zukunft Lösungen oder wenigstens Teillösungen anzubieten. Sie hilft direkt und indirekt und auf komplexe Art und Weise, alle Existenzgrenzen einer exponentiell zunehmenden Weltbevölkerung zu überwinden. Daher ist sie moralisch vertretbar, ökonomisch unabdingbar und kulturell sinnvoll. Wissenschaft und Technik an sich sind weder gut noch böse; es kommt allein auf den Zweck an, zu dem man sie nutzt.
Raumfahrt ist langfristig der entscheidende Weg zur Entlastung der Erde. Eine echte Raumfahrtaufgabe für dieses Jahrhundert könnte darin bestehen, das irdische Wetter dahin gehend zu beeinflussen oder sogar zu lenken, landwirtschaftlich nutzbare Flächen auszuweiten, katastrophale Wetterstürze zu verhindern und ähnliches. Nur eine bessere Wissenschaft und Technik kann uns bei der Lösung heutiger schwerwiegender Probleme helfen, die deshalb schwerwiegend sind, weil sie heute vor uns stehen - aber sich die Lösungen erst morgen ergeben. Raumfahrt kann beim Bevölkerungswachstum helfen - durch Erstellung von Bevölkerungsstatistiken, durch Auffinden neuer Landwirtschaftsplätze, durch frühzeitiges Erkennen von Pflanzenkrankheiten und Düngemangel usw., durch Verbreitung von Bildungs- und Aufklärungsprogrammen, die auch das Wissen über Familienplanung verbreiten. Allerdings muss die Überbevölkerung auf der Erde gelöst werden - eine Massenauswanderung in außerirdische Siedlungen scheint kein Ausweg zu sein (oder doch?). Die Nahrungsgrenze beziehungsweise Lebensmittelknappheit lässt sich durch Raumfahrt ausweiten, indem mögliche Anbaugebiete sowie Pflanzenkrankheiten und Düngemittelmangel erkannt werden und durch Wetterinformation, landwirtschaftliche Informationen usw. Bei der Energieverknappung könnten Energiesatelliten helfen. Neue Abbaumethoden könnten heute noch nicht rentable Lager erschließen, Wiederverwertung, also Recycling lässt sich wohl noch ausbauen, Satelliten könnten neue Lagervorkommen erschließen; überhaupt könnten außerirdische Quellen das (irdische) Rohstoffproblem gegenstandslos machen.
Mit Raumfahrt lässt sich auf 3fache Weise Negentropie – das Gegenteil der Entropie - erzeugen: mit Energiesatelliten, die Kraftstrom auf die Erde strahlen; mit der Lichtspiegeltechnik, durch die zusätzliche Sonnenenergie zum Beispiel für die Landwirtschaft (Fotosynthese) auf die Erde eingestrahlt wird und durch die Annihilation (von Materie und Antimaterie oder magnetischer Monopole oder WIMPS und Anti-WIMPS), durch die künstliche Sonnen möglich werden und durch die das Erdklima stabilisiert wird, etwa bei Eiszeiten oder nach dem die Sonne die Hauptreihe verlassen hat und zu einem Weißen Zwerg geworden ist.
Weltraumtechnik bedeutet den Sieg über die Gravitation; keine andere Wissenschaft, Technik und Geistesleistung sonst kann einen derart gewaltigen, komplexen, weitreichenden und folgenschweren Evolutionsakt in Aussicht stellen. Weltraumtechnik und -produktion bieten einer energiehungrigen, rohstoffarmen, nahrungsbedürftigen und durch Treibhausgase und Abwärme umweltbelasteten Erde von morgen das Potenzial zum Überleben. Dadurch, dass sie ein hohes Maß an Negentropie beziehungsweise Syntropie erzeugt, lässt sich das thermodynamische Gleichgewicht hinausschieben, welches eintritt, wenn durch die Material- und Energieintensität menschlichen Handelns und Wirtschaftens alle Energieressourcen ihr Minimum und die Umweltbelastung ihr Maximum erreichen und es infolgedessen auf Megajahre hinaus kein (höheres) Leben auf der Erde gibt.
Durch leistungsstarke Energieanlagen im erdnahen Orbit wird ein gewaltiger, zielbewusster Eingriff in den irdischen beziehungsweise planetarischen Energie- und Wasserhaushalt möglich. Industrie- und Rohstoffbasen auf den Planeten und Monden und industrielle Fertigungsanlagen im erdnahen Weltraum bedeuten einen gewaltigen Eingriff in den Energie- und Stoffwechsel zwischen der Erde und außerirdischen und z.T. künstlichen Ökosystemen. Die Umwandlung von Planeten durch Terraforming, die Erschaffung künstlicher Antimateriesonnen und die Synthese von Computronium wären eine Gipfelleistung der materiell-kosmischen Evolution. Die biologisch-kosmische Evolution wird zukünftig durch neuartige Lebens- und Arbeitsbedingungen in gravitationsärmeren und sauerstoffreichen künstlichen Ökosystemen und in mikrogravitativen, luftleeren und strahlungsreichen Umwelten bestimmt, sowie durch Anpassung an lebensunfreundliche Umwelten und durch die Verbreitung biologischen Lebens in künstlichen Raumhabitaten und auf anderen Planeten und Monden im Sonnensystem und in der Milchstraße. Unsere fernen Nachfahren werden auf verschiedenen Welten innerhalb und außerhalb des Sonnensystems leben. Ihr gemeinsames Erbe, die Achtung ihres Heimatplaneten und die Kenntnis, das von allen Lebewesen im Universum nur die Menschen von der Erde stammen, wird sie vereinen.
Raumfahrt als Evolutionssprung
Raumfahrt ist ein gewaltiger Evolutionssprung, in etwa vergleichbar mit dem Schritt des Lebens aus dem Wasser aufs Land oder mit der Erfindung des Feuermachens. Der Sprung in den Weltraum wird hauptsächlich durch existentielle Notwendigkeiten motiviert; der qualitative Unterschied zu den bisherigen Evolutionssprüngen ist der, das die kosmische Entwicklungsphase im Gegensatz zur biologischen und kulturellen erstmals ausschließlich von Intelligenz- und Bewusstseinsträgern eingeleitet, ermöglicht und gestaltet worden ist. Fanden materielle, biologische und kulturelle Entwicklungsphasen bisher chronologisch statt, wird es in der kosmischen Weiterentwicklung ein wechselwirkendes Nebeneinander geben; die extraterrestrische Evolution wird auf diesen Ebenen eine neue Revolution einleiten und ablaufen lassen.
Es kann viele Gründe geben, warum unsere Nachfahren die Erde und das Sonnensystem verlassen - etwa in Multigenerationenschiffen mit autarken Biosphären und künstlicher Schwerkraft durch Beschleunigung oder Rotation. Was wird uns dort draußen erwarten? Wie wird das Unbekannte, Fremde an sich auf uns zurückwirken? Als destruktive Angst oder konstruktive, Potenzial entfaltende Hoffnung? Der Umzug ins All ist als vernünftige Alternative zur Bevölkerungsexplosion, zu Nahrungsproblemen usw. gedacht und beweist außerdem die Nützlichkeit moderner Wissenschaft und Technik bei der Lösung der Probleme, vor denen die Menschheit steht und denen sie sich nur ungenügend gewachsen zeigt.
Schon die ersten Raumfahrtpioniere wie Ziolkowski, Oberth Goddard usw. schlugen die eine oder andere Variante einer möglich Aussiedlung vor. Vielleicht wird die Schaffung erweiterter künstlicher Lebensräume in den nächsten Jahrhunderten tatsächlich eines der großen Menschheitsvorhaben sein, doch die Aussiedlung macht die Lösung dieser dringenden Probleme nicht überflüssig; im Gegenteil: ein so groß angelegtes perspektivisches Unternehmen wie das Aussiedlungsprojekt setzt die Lösung heutiger "irdischer", menschlicher Probleme, die hauptsächlich auf Geld und damit auf antagonistischen Widersprüchen beruhen, geradezu voraus; militärische Hochrüstung usw. verschlingen nicht nur wirtschaftlich-monetäre Unsummen sondern auch geistiges Kapital, die friedlichen Projekten der Wissenschaft und Technik verlorengehen. Die Aussiedlung setzt also ein gesundes internationales Klima einer hochentwickelten Zivilisation voraus, die friedliche, wissenschaftlich-technische Programme favorisiert. Wenn wir uns dazu entschließen, kosmische Wohnstätten anzulegen und zu bevölkern, müssen wir erst die gegenwärtigen Fragen lösen, denn diese technische Schöpferkraft setzt eine progressive Entwicklung menschlicher Produktivkräfte voraus. Technische Wunder sind nur dann sinnvoll, wenn sie unserem Wohl dienen und dazu beitragen, Krieg, Not und Elend zu beseitigen.
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