„Ach ja? Was denn?“
„Na, dass mit ihrem Ex gar nicht gut Kirschen ist.“
„Ihrem Ex?!?“
„Dieser Proletten-King, der dir eine verpasst hat. Schon vergessen? Oder war das der für dich der süße Geschmack der Minne, als er dir eine eingeschenkt hat? Ich wäre jedenfalls ein bisschen vorsichtig. Ich meine, klar, schön für dich, dass du dir seine Hammer-Blondine geschnappt hast, aber ich an seiner Stelle wäre jetzt so sauer, dass ich es beim nächsten Mal vielleicht nicht bei einer Backpfeife belassen würde. Wer weiß, vielleicht ist das so ein armer Schlucker aus einer der Fabriken, dessen ganzer Stolz diese Perle, äh, Entschuldigung, diese reizende junge Dame war, und jetzt schiebt er den Riesen-Sozialfrust, weil ein smarter Jung-Akademiker ihm die Holde ausgespannt hat.“
Adam gibt sich alle Mühe, seine Erleichterung zu verbergen. Carlos legendäres Geschick im Erfassen zwischenmenschlicher Lagen hat ihn diesmal im Stich gelassen und nun ist er vor lauter Vertrauen in seine analytische Gabe davon überzeugt, Adam sei mit Sandra zusammen. Eigentlich müsste er ihn gleich aufklären, den besten Freund sollte man selbst dann nicht verarschen, auch wenn der sich selber in seinen Irrtum reinmanövriert hat. Aber heute ist Adam doch ein wenig sauer auf Carlo und überhaupt der Meinung, er könnte jetzt umgekehrt auch ein bisschen Arschloch spielen.
„Okay, genug gelabert“, sagt Adam und trinkt sein Fitness-Wasser aus. „Jetzt krieg mal den Arsch hoch und beweg ihn in die Umkleide, sonst wird er noch fetter.“
„Danke, Papa. Ganz wie du meinst, Master“ grinst Carlo zurück.
„Wenn es mit dem Magno-Squashen nichts mehr wird, können wir ja noch eine Runde aufs Laufband“ schlägt Adam vor.
„Da hab ich doch ’ne glatt bessere Idee: Wir squitten gleich los.“
„Wir haben den Platz doch erst später. Und sind wir denn schon sechzehn?“
„Ruhig, Brauner, das machen wir schon. Wir schnappen uns drei von den Balljungen und spielen zum Warmwerden eine Runde fünf gegen fünf.“
„Meinst du, der Platzwart macht was mit?“
„Jetzt schalt mal dein süßes Kleinhirn aus, Schätzchen, und lass den großen Bruder machen. Der Platzwart schuldet mir sowieso nach was, so viele Teams wie ich ihm hier schon angeschleppt habe. Und wenn er doch rumzickt, schiebe ich ihm halt einen Fuffi rüber.“
„Ganz der großzügige Global-Player, unser Carlo“, denkt Adam bei sich, grinst ein schiefes Grinsen, das in seinem blassen und mageren Gesicht ein klein wenig nach Totenkopf aussieht, und geht mit Carlo in die Umkleide.
Adam keucht. Schweiß rinnt ihm schon wieder in die Augenbrauen und droht ihm in die Augen zu laufen. Das Polster seines Helms muss jetzt schon klatschnass sein. Das Horn zum Anstoß dröhnt. Bevor Adam losfährt, wirft er einen schnellen Blick auf die Hallenuhr, verdammt, gerade einmal gut zehn Minuten gespielt, und er ist schon am Ende. Die Jungs geben aber auch Gas wie die Teufel. Das ist bestimmt kein gemächliches Studenten-Squitten. Sie laufen los als würden sie mit bloßen Füssen über heißen Asphalt rennen, und beschleunigen durch diese Verstärkung des elektromagnetischen Antriebs natürlich auf irrwitzige Geschwindigkeiten. Besonders die drei Balljungen, alle zwei oder drei Jahre jünger als die Jungs aus der Clique, heizen die Partie so richtig an. Klar, die machen den ganzen Tag nichts anderes, als unvollständige Mannschaften zu ergänzen und über die Spielebene zu sausen. Und jetzt wollen sie es den etwas schnöseligen Studenten natürlich zeigen, wie es richtig läuft. Bestimmt hat einer von denen am Spielsystem eine Profi-Einstellung gewählt, das Feld kommt Adam ziemlich hart vor. Aber jetzt ist keine Zeit zum Nachdenken mehr. Das Spiel läuft, Adam fährt los, seine Mannschaft greift an, Sammy fährt nach vorne, nichts wie hinterher. Na gut, nichts übertreiben, Adam lässt sich mit der heimlichen Ausrede zurückfallen, dass ja auch jemand den Konter aufhalten muss, wenn die Jungs es vorne mal wieder nicht gebacken kriegen. Da ist es natürlich schon passiert: Carlo natürlich wieder, der stürmt, kaum dass er Sammy den Pinger abgenommen hat, mit der Wucht eines Lastwagens los. Okay, das ist machbar, wenn Carlo lospoltert, dann geht sein Überschuss an Kraft zu Lasten eines Mangels an Übersicht und Plan. Es sei denn der kleine Scheißer von Balljunge aus Carlos Team hält sich für einen Querpass bereit – da drüben läuft er auch schon an. Was jetzt – den Pass abwarten und abfangen oder auf Carlo drauf? Und was ist das, Carlo schaut sich doch tatsächlich nach einer Anspielstation um, da holt er auch schon zum Schlag aus, na warte, Freundchen, den wird Adam sich pflücken, und dann wird er höchstpersönlich den ersten Punkt für sein Team holen. Da kommt der Pass, gar nicht so schnell wie Adam es erwartet hatte, jetzt einen kleinen Ausfallschritt nach vorne, Spielstab hoch – Mist! Verdammter Mist, verfehlt! Der geht durch, schnell wenden, oh nein, das darf doch nicht wahr sein, gestürzt! Hingefallen wie ein Anfänger, verdammte Kacke! Jetzt bloß nicht die Nerven verlieren. Huch, der Boden rast auf mich zu! Nein, es kann ja gar nichts passieren, schön ruhig durchkentern lassen. So jetzt ist Adam wieder oben. Wie viele Sekunden haben die anderen den Pinger jetzt schon in der Trefferzone? Schnell, schnell, vielleicht lässt sich da noch was machen – ach nein, da tönt schon wieder das Punktehorn, die Hallenorgel lässt eine clowneske Melodie ertönen. Vier zu null, verdammt!
Sammy sieht etwas angefressen aus, mindestens. „Was war denn das für ’ne Nummer?“ schnauzt er Adam an
„Zirkusreif!“ ergänzt Carlo rufend. „Hoffentlich hat das jemand aufgenommen!“
„Da hättest du uns vorne mehr geholfen, echt jetzt!“ schimpft Sammy. Da gibt es nichts hinzuzufügen. „Vielleicht magst du diesmal ja doch wieder mit nach vorne kommen?“
„Ja, ’tschuldigung,“ keucht Adam und beeilt sich, wieder auf die Ausgangsposition für den Anstoß zu kommen. „Klar, mache ich.“ Das kann ja heute noch was werden.
Das Spiel geht weiter, diesmal gelingt es Adams Mannschaft mit einigem Glück, einen stabilen Spielzug nach vorne aufzubauen. Die Trefferzone der Gegner ist erreicht. Nun müssen sie sich etwas überlegen, um den Pinger zu halten. Dabei ist es natürlich keine Möglichkeit, den Pinger einfach bei einem der Spieler zu belassen, der sich dann die Gegner vom Leib zu halten versucht: Wenn drei, vier, fünf Gegenspieler auf dich einstürmen kannst du noch so wild mit dem Spielstab rumfuchteln, den Pinger bist du schnell los. Außerdem ist dieses Spielsystem hier mit der Variante des zwingenden Passes in der Trefferzone programmiert. Das heißt der Pinger entwickelt nach einer voreingestellten Zeit, höchstens vier Sekunden, automatisch eine Bewegung vom Spielstab weg, die nicht mehr einzufangen ist. Also schnelles, sicheres Passspiel. Die simpelste Variante ist der Kreisel, die Bildung eines Vielecks, in dem der Pinger von einem Eckpunkt zum nächsten gespielt wird. Komm schon, Adam, reiß dich ein bisschen zusammen, das ist wirklich nicht so schwer. Sammy steht wunderbar frei, das ist gar kein langer Pass. Nur schnell muss es gehen. Da kommt Carlo schon herangepoltert. So, das wäre geschafft, der Pass ist geglückt, Sammy spielt sofort weiter, gut so, oh nein, die nächste Station ist blockiert, jetzt müssen wir den Kreisel abkürzen. Adam beobachtet die Spieler mit einer Distanz als betrachte er eine Videoaufzeichnung. Er sieht die Bewegung ihrer Spielstäbe, sie halten sich bereit für die Aufnahme des Pingers, vollführen dabei eine gemächliche Auf- und Abbewegung, hat das nicht etwas von einer Geste des Beruhigens? Adam schaut und staunt.
„Geh doch nach vorn, du Dackel“ hört er da Sammy brüllen, der nun seine Wut überhaupt nicht mehr verbirgt. „Scheiße! Scheiße! Scheiße!“ Zack, jetzt ist der Pinger weg, der Balljunge in ihrer Mannschaft hatte keine Anspielstation. Adam hätte nur ein wenig nach vorne gehen müssen, dann wäre da ein Pass drin gewesen, aber er war einfach stehen geblieben, gedankenverloren vor sich hin starrend. Was jetzt passiert, ist ja klar: Schneller Konter von Carlos Mannschaft, fix haben sie einen sicheren Kreisel aufgebaut, die fünf Sekunden in der Trefferzone verfliegen wie ein Wimpernschlag und schön trötet wieder die Hupe und die dämliche Orgel dudelt los. Fünf zu null, na sauber!
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