Katherine Collins - Kein Duke zum Verlieben!
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Suffolk war deutlich anzusehen, dass er gerade zu einer langen Litanei ansetzen wollte, als er seiner Schwägerin gewahr wurde, deren vor Schalk glänzende Augen ihre Belustigung verrieten. Marcus Beaufort, 5. Viscount of Suffolk, straffte seine muskulöse Gestalt und deutete eine Verbeugung an.
»Schwester, du bist schon auf?«, erkundigte sich Sarah und strahlte sie an.
»Ich bin sogar schon zurück!«, antwortete Annabell lachend und schlenderte zur Anrichte, um sich vom Büfett zu bedienen.
»Und? Wie haben Lord und Lady Windermere reagiert?«
Mit großen Augen beobachtete Sarah ihre kleine Schwester, gespannt auf den Bericht wartend. Annabells Plan war ihr gar nicht geheuer, und sie wusste, dass auch Marcus ihn für bedenklich hielt. Nein, das war das falsche Wort. Viscount Suffolk verabscheute ihren Plan, und nur seiner abgrundtiefen Abneigung seinem Schwager gegenüber hatte Bell seine Unterstützung zu verdanken – und der Tatsache, dass es dem Viscount von je her unmöglich gewesen war, dem kleinen Quälgeist Bell etwas abzuschlagen.
»Sie haben wie erwartet reagiert: gar nicht«, seufzte Bell schulterzuckend und goss sich Kaffee in die Tasse. »Sie werden tun, was ich von ihnen verlange. Schließlich bin ich die Duchess of Kent.«
Diese Feststellung verlangte nach einem neuerlichen Seufzer, der länger und wesentlich schmerzlicher war.
»Vergiss nicht: Ich könnte Madeleine mit ihren Töchtern wieder zu ihnen zurückschicken. Ich könnte die Heiratsaussichten von Ninette und Marie ruinieren oder einfach nur mein Brautgeld zurückverlangen! Ihnen bleibt keine Wahl, sie werden tun, was ich ihnen sage!« Ein bitterer Zug legte sich um die sonst so sanften Lippen der Duchess. »Zumindest drohe ich ihnen nicht mit Gewalt.«
»Oh, Annabell!« Sarah eilte zu ihr und strich mitleidig über Annabells Rücken. Sie fühlte sich wieder so schuldig wie vor sieben Jahren. Suffolk biss wütend die Zähne zusammen. Seit ihrer Rückkehr von ihrer Hochzeitsreise wurden seine Frau und er die Last der Mitschuld nicht mehr los. Annabell bemühte sich stets, redlich ihre Vorwürfe zu zerstreuen, schließlich hatten Suffolk und Sarah das junge Mädchen damals in sicheren Händen geglaubt. Aber so einfach ließ sich das Gewissen nicht beruhigen oder gar beschwichtigen.
Annabell schenkte der Schwester ein zärtliches Lächeln. Sie nippte an ihrer Tasse und suchte nach den richtigen Worten, um Sarah und Suffolk die in deren Augen stehenden Schuldgefühle wieder zu nehmen, obwohl sieben Jahre emsiger Beteuerungen dies bisher nicht geschafft hatten.
»Es ist vorbei«, versicherte sie, »und fürchterlich lange her.«
»Nein«, widersprach Suffolk grimmig, und seine Miene verzog sich zu resigniertem Ärger. Seine Wangenmuskeln zuckten unter der Belastung fest aufeinander gepresster Lippen. »Das ist es nicht, und obwohl ich hoffe, dass das Ende endlich naht, wird es kein glückliches sein.«
Sarah blinzelte ihre Tränen fort, und Annabell atmete tief durch.
»Es wird glücklich sein, Marcus«, versicherte sie sanft. Sie stellte die Tasse fort und trat auf den Viscount zu, um ihn zu umarmen. »Ich werde glücklich sein, wenn das alles erst einmal vorbei ist.«
Suffolk verlor seine Steifheit und legte kurz die Arme um die Schwägerin. Nach einem kleinen Moment löste sie sich wieder von ihm, umarmte kurz die beistehende Schwester und verkündete jovial: »So, ich habe noch ein paar Vorbereitungen für heute Abend zu treffen, bitte gebt mir Bescheid, wenn Madeleine eintrifft! Wir haben noch einiges zu besprechen.«
Sie warf den beiden Menschen, die ihr das Wertvollste auf der Welt waren, eine Kusshand zu, bevor sie aus dem Raum eilte.
Cormack House, London
Es herrschte wie gewohnt dichtes Gedränge im Ballsaal, und die Luft war dick genug, um in feine Scheiben geschnitten werden zu können. Annabell ließ sich von Suffolk vom Tanzparkett geleiten und strahlte ihn glücklich an. Er war der einzige Mann, mit dem sie es aufrichtig genoss zu tanzen. Wahrscheinlich war der Grund dafür, dass Suffolk ihr Lehrer gewesen war und sie sich in seinen Armen geborgen wie ein Neugeborenes fühlte. Er verabschiedete sich sogleich mit dem Hinweis, ein Auge auf Ninette werfen zu wollen, wie er es früher am Abend deren Schwester versprochen hatte. Neben Sarah hatte sich auch ihre Cousine Madeleine bei ihnen eingefunden und drückte ihr einen Begrüßungskuss auf die Wange.
»Du siehst hinreißend aus, Annie!«, schwärmte sie hingerissen und biss sich dann auf die Lippen. »Verzeih, Bell … ich muss mich erst daran gewöhnen!«
Annabell lächelte Madeleine an und zwinkerte ihr verschwörerisch zu.
»Gewöhne dich besser schnell daran!«, mahnte sie gespielt streng. Sie strich sich über die blass blaue Robe, die sie erst am Morgen zugestellt bekommen hatte und die wie angegossen passte. Ein perfektes Kleid für ihren ersten Auftritt in der Gesellschaft als Bell Beaufort. Für die Duchess of Kent wäre es bei weitem zu schlicht gewesen, erwartete man doch von einer so hochgestellten Persönlichkeit Außergewöhnliches. Die Hausherren hatten sie bei ihrer Vorstellung neugierig gemustert, und der Grund dafür war kaum verwunderlich. Als Peer der britischen Krone war Suffolk kein unbekanntes Blatt, genauso wenig wie seine Familienangehörigen. Wie genau Bell dazugehörte, war bisher ein zu ergründendes Geheimnis. Ein gewolltes Geheimnis. Madeline hatte beteuert, dass etwas Rätselhaftes Bell genügend Aufmerksamkeit bescherte, um bemerkt zu werden, sich die Neugierde aber schnell befriedigen ließe durch sorgsam gestreute Informationen. Annabell war nicht glücklich damit.
Zwar schätzte sie die Möglichkeit, in die Gesellschaft eingeführt zu werden, aber eigentlich wollte sie lediglich die Sache beenden, derentwegen sie nach London gekommen war und dann nach Bath zurückkehren, wo sie auf dem Landsitz ihres Schwagers in Ruhe ihr Leben verbringen wollte. Abgeschieden von der Welt, gerade so, wie sie die letzten sieben Jahre verbracht hatte. Annabell senkte den Blick zu Boden und drehte etwas von dem Taft ihres Kleides um die darin vergrabenen Finger. Sie wusste, dass sie bereits mit ihrem Kleid Aufsehen erregt hatte.
Madeleine war es nicht müde geworden, sie ob ihrer Schlichtheit und der viel zu biederen Aufmachung in den Ohren zu liegen. Sie müsse hervorstechen, hatte die Cousine gemahnt, ganz so, als galt es, für Annabell einen Galan zu finden. Einen Gatten. Allein der Gedanke brachte sie zum Erschauern. Sie war nicht deswegen nach London gekommen, schließlich war sie bereits verheiratet, und zwar mit einem Duke der britischen Krone. Leider. Lediglich, dass Annabell auf Schmuck verzichtet hatte, war gebilligt worden, schließlich trug ein unverheiratetes Mädchen keine Juwelen. Stattdessen trug sie nur ein kleines perlenbesetztes Medaillon um ihren Hals und einige Perlen in ihrem goldenen Haar, das von Annabells Zofe zu einem lockeren Arrangement aus dicken Locken hochgesteckt worden war. Die Schlichtheit ihres Auftretens unterstrich ihren makellosen Teint und den saphirklaren Glanz ihrer von dichten Wimpern umkränzten Augen.
»Miss Beaufort …«
Leise seufzend drehte sich die Angesprochene um und sah sich ihrem nächsten Tanzpartner gegenüber. Der schüchterne dritte Sohn des Earls of Bloomfield, Honorable Mr. James Norton, verbeugte sich tief und reichte ihr, sie atemlos anstarrend, den Arm.
»Mr. Norton«, begann Annabell und versagte sich ein Seufzen. »Ich muss gestehen, mir ist nicht nach Tanzen zumute, es ist so schrecklich warm hier drin …«
»Oh!«, stammelte Norton, die Hand fallenlassend, die er gehoben hatte, um ihre auf seinem Arm zu platzieren. »Ich … vielleicht … Punsch?«
Annabell schenkte ihm ein dankbares Lächeln. »Das wäre wirklich zauberhaft, Mr. Norton.«
Schnell verschwand der junge Mann gehetzt in der Menge. Annabell seufzte und runzelte die Stirn. Hinter ihnen brach jemand in spöttisches Lachen aus.
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