C. A. Hope - Keine Lizenz zum Verlieben

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Nach dem unrühmlichen Ende ihrer letzten Beziehung hat Rena dem Dating-Zirkus den Rücken zugekehrt. Ihr Leben verläuft in ruhigen, unkomplizierten Bahnen, bis ihre verrückte Schwester Meike ihr ein besonderes Geschenk zukommen lässt: einen Vertrag mit LEA, der Love Event Agency. Diese Agentur verspricht ihren Klienten «langvermisstes Kribbeln im Bauch und ein emotionales Feuerwerk», aber: Verlieben exklusive? Als Rena sich auf das Abenteuer einlässt, bringt sie das aus ihrer Komfortzone und in eine Achterbahn der Gefühle.
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Herzflimmern für Zwischendurch: Unter dem Label «Cologne Singles» schreibt C. A. Hope kurze, von einander unabhängige Love Stories, die in Köln und Umgebung angesiedelt sind. «Keine Lizenz zum Verlieben» ist die zweite Romanze dieser Reihe.

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Keine Lizenz zum Verlieben

C. A. Hope

Cologne Singles 2

Originalausgabe

Alle Rechte vorbehalten

© C. A. Hope / Angela Hoptich

angelahoptich.wordpress.com

oder auf Facebook

Cover: www.coverboost.de

Köln 2017

I.

Auf einen Wink der Kundenberaterin entdunkelten sich die Panoramascheiben und erlösten Rena aus dem Grauen einer retuschiert schönen Welt. Das glücksgeschwängerte Zähnefletschen auf der Projektionswand blendete auf das Firmenlogo über. Drei elegante Buchstaben: LEA. Die Love Event Agency.

Was nur hatte sie geritten, diesen Termin wahrzunehmen? Eine rein rhetorische Frage. Denn wann hatte sie ihrer kleinen Schwester jemals etwas abschlagen können? Selbst zu den furchtbarsten Aktionen, die Meikes Chaotenhirn gebar, hatte sie bisher immer zugestimmt. Man erinnere sich nur an den Tag, als die fünfjährige Meike beschloss herauszufinden, wie es sich anfühlte, schweben zu können wie die Fee in ihrem Lieblingsbuch. Sie überredete Rena dazu, sie an die Wohnzimmerwand über dem Sofa zu tackern. Das Ergebnis hieß eine ganze Woche Hausarrest für beide. Rena, damals neun, musste die Wand neu streichen, aber die kleine Schwester war überglücklich. Und das wiederum hatte Rena glücklich gemacht. Nun überlegte sie ernsthaft, ihre Haltung bezüglich Meikes Hirngespinsten neu zu überdenken. Was die eifrige Kundenberaterin in Verlauf der letzten 30 Minuten präsentiert hatte, war die idiotischste aller Ideen, zu der ihre Schwester sie je hatte anstiften wollen.

Die Beraterin rückte ihre hochmoderne Breitrandbrille zurecht, kontrollierte unauffällig ihren strengen Dutt, aus dem sich kein Haar gelöst hatte, und erhob sich aus dem weißen Ledersessel. Mit einer geübt dezenten Geste strich sie ihr weißes Designerkostüm glatt, legte die Fingerspitzen mit den perfekten French Nails aneinander und sah Rena eindringlich an.

„Wie Sie sehen, Frau Pütz, unsere Events sind vollkommen risikofrei. Der Klient bucht einen Zeitraum von einem, drei oder sechs Monaten. Mit Option auf Verlängerung. Ein Abbruch ist jederzeit möglich. Allerdings muss ich Sie darauf hinweisen, dass dies zu Lasten des Klienten geht. Bei unserem Neukundenangebot räumen wir Ihnen jedoch ein dreitägiges, gebührenfreies Kündigungsrecht ein. Falls Sie kalte Füße bekommen.“ Sie lachte und es klang so künstlich wie ihre ganze Erscheinung. Der letzte Satz passte so wenig zu ihrem Repertoire wie das Lachen zu ihrem maskenhaften Gesicht. „Ich versichere Ihnen, das ist noch niemals vorgekommen. Im Gegenteil. Unsere Klienten sind fast ausschließlich Wiederholungstäter.“ Sie lachte erneut und Rena glaubte Risse in der Make-Up-Schicht zu erkennen. Am liebsten wäre sie aufgesprungen und schreiend hinausgerannt. Aber Schreien war nicht ihr Ding. Sie repräsentierte eher den stillen, duldsamen Typ. Schnell schob sie ihre kaltschweißigen Handflächen unter die Oberschenkel. Das Gefühl, in einem Albtraum festzustecken, überkam sie. Sie kniff sich selbst, mit dem traurigen Ergebnis, dass sich nichts veränderte. Immer noch saß sie auf dem glattledernen Drehstuhl, immer noch redete die Frau auf sie ein.

„Wie kann ich mir Ihre Dienstleistung vorstellen? Ich meine: wie ist das Prozedere?“ Es kostete Rena einige Überwindung, genauer nachzufragen. Die Situation war ihr mehr als nur peinlich.

Gestützt auf die gespreizten Fingerspitzen beugte sich die Kundenberaterin über den gläsernen Konferenztisch auf Rena zu und blickte sie direkt an.

„Absolute Diskretion, vollkommene Professionalität. Darin sehen wir unsere Spezialität.“ Die Frau begann, auf ihren eleganten, weißen High Heels vor Rena auf und ab zu stolzieren. „Die Agenten, die wir auf einen Klienten ansetzen, sind psychologisch geschult und erfahren. Sie werden sie nicht als Agenten identifizieren können. Der Stab unserer Mitarbeiter ...“

Die Lobpreisungen der Kundenberaterin nahmen kein Ende. Rena hörte nicht mehr zu. Ihre Gedanken schweiften ab, folgten ihrem Blick hinaus aus der raumhohen Fensterwand. Der Rhein floss unter ihr träge dahin. Einige schwere Lastkähne schleppten sich gegen den Strom. Der Ausblick war atemberaubend. Von der Mülheimer bis zur Rodenkirchener Brücke lag einem die Welt zu Füßen – wie die Miniaturlandschaft einer Modelleisenbahn. Verstohlen sah sich Rena nach dem Schaltpult um. Sie war sich beinahe sicher, dass von hier oben alles gesteuert werden konnte.

„... falls Sie sich für unser Angebot entscheiden“, hörte sie die Kundenberaterin, deren Name Rena schon wieder vergessen hatte, sagen. Die Frau trat neben sie und legte ihr die manikürte Hand auf die Schulter. Ihr Parfum roch teuer und hatte einen herben Unterton.

„Darf ich eben Ihren Waschraum benutzen?“, fragte Rena. Sie fühlte sich mehr als unbehaglich. Die Frau verzog missbilligend das Gesicht, nickte aber und wies ihr den Weg.

Der Waschraum wirkte noch steriler als die anderen Räume. Falls das überhaupt möglich war. Die weiße Porzellanausstattung war in antibakterielles, blaues Licht getaucht. Neben dem Flüssigseifenspender hing eine Flasche Handdesinfektionslotion an der Wand über dem Waschtrog. Die darüber angebrachte Spiegelwand, an der gut und gerne sieben Kundenberaterinnen gleichzeitig ihr Make-Up erneuern konnten, zeigte nicht einen Fingerabdruck. Selbst die Luft roch sauber, als wäre sie durch einen Geruchsfilter gepresst worden. Wenn das alles den Kunden suggerieren sollte, dass es sich um ein „absolut sauberes Geschäft“ handelte, hatte es auf Rena seine Wirkung verfehlt. Ihr kam die übertriebene Keimfreiheit höchst suspekt vor.

Sie hielt ihre Handgelenke unter einen der chromglänzenden Hähne. Wasser schoss hervor, weder kalt noch warm, sondern absolut neutral. Angepasst an die durchschnittliche Hauttemperatur. Wäre es nicht nass gewesen, hätte sie kaum bemerkt, dass es ihre Haut berührte.

Sie wischte sich über ihr ungeschminktes Gesicht. Im Spiegel sah es fahl aus. Das bläuliche Licht schien alles Leben aus ihr heraus zu saugen. Ihre blauen Augen – die, wie Rena fand, das Schönste an ihr waren – wirkten matt und farblos.

Hatte ihre Schwester recht? War sie eine der Unsichtbaren? Nicht dick, nicht dünn, nicht groß, nicht klein, nicht blond, nicht braun, sondern irgendetwas dazwischen. Immer in der neutralen Mitte. Ohne besondere Auffälligkeiten. Nicht selten geschah es, dass sie übersehen wurde. Dass jemand sie anrempelte, ohne sie zu bemerken – geschweige denn, sich zu entschuldigen. Die Schöne und Temperamentvolle in der Familie war immer Meike gewesen. Ihre Schwester war der Typ, der alle Blicke auf sich zog und bleibenden Eindruck hinterließ. Nicht nur, weil sie gut aussah. Sie hatte diese offene Art, auf Menschen zuzugehen, um die sie Rena früher beneidet hatte. Inzwischen hatte sie sich längst abgefunden, keine so funkensprühende Persönlichkeit zu haben, und vor Jahren schon ihren Frieden damit geschlossen. Sie liebte ihre Schwester – mit all ihren Flausen.

Sie hielt die Hände unter das Airblade. Neutral temperierter Wind schoss aus den Schlitzen und trocknete ihre feuchten Finger in Sekunden. Mit einem letzten Blick auf ihr Spiegelbild verließ sie den antiseptischen Raum.

Meike saß auf der Treppe zur Promenade und tippte auf ihrem Handy herum, als Rena aus dem Foyer des glasverspiegelten „Excellent Business Center – Kranhaus Süd“ ins Freie trat. Sie kramte in ihrer Tasche und zog ein Päckchen Zigaretten hervor. Eines der wenigen Laster, die Rena pflegte. Tatsächlich sogar das einzige. Sie zündete sich eine Zigarette an und gesellte sich zu ihrer Schwester.

„Reni. Da bist du ja. Wie war’s? Hast du unterschrieben?“ Meike rümpfte die Nase, als sie die Zigarette sah. „Dass du das immer noch nicht aufgegeben hast. Weißt du eigentlich, wie sehr das in der Nase eines Nichtrauchers stinkt?“ Rena zuckte mit den Schultern, ging aber nicht weiter darauf ein. Diesen Vortrag kannte sie zur Genüge. Sie stand auf und schlenderte ein paar Schritte bis zum Geländer, das die Promenade vom Fluss trennte. Meike folgte ihr.

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