Gasthof „Queen Anne“, Nahe Rhy, Hochzeitsnacht 1789
Nathan lauschte ihren unterdrückten Schluchzern. Gerade erst hatten sie ihre Ehe vollzogen, und er war sich sicher, dass es nicht wesentlich besser verlaufen war als ihre letzte Zusammenkunft. Sein Herz schlug zum Zerspringen, aber sie bebte vor unterdrückten Tränen. Von Beginn an war sie ausweichend gewesen, zwar nachgiebig, aber eigentlich nicht willig. Sie hatte sich nicht ausziehen lassen wollen. Erduldete seine Berührung lediglich, obwohl seine Küsse zaghaft erwidert wurden. Nun drückten ihre zittrigen Finger gegen seine Brust, um ihn von sich zu stoßen. Überdeutlich erinnerte ihn diese Szene an ihr letztes Zusammentreffen. Verwirrt sah er auf sie herab. Ihr bleiches Antlitz war schmerzverzerrt, und in ihrer Stimme schwang Erschöpfung, als sie ihn flehentlich bat: »Sie sind doch fertig, oder? Bitte gehen Sie runter von mir!«
Nathan löste sich von ihr und beobachtete den Anflug von Erleichterung auf ihrem Gesicht, als er von ihr runterrutschte. Seines Gewichts ledig, rollte sie sich zur Seite und zog die Knie an die Brust. Nathan starrte sie an. Noch nie, seit er Interesse am weiblichen Geschlecht entwickelt hatte, war eine Zusammenkunft so fatal gelaufen wie diese, und er verstand den Grund dafür nicht. Er verstand nicht, was sie so anders machte und warum ausgerechnet Annabell keinen Gefallen an ihm fand. Oder verloren hatte? Er hatte es sich doch nicht eingebildet! Sie hatte ihn gemocht. Da war etwas zwischen ihnen gewesen. In der Bibliothek, am Strand! Und doch brachte sie es kaum über sich, ihn anzusehen.
Ihre Hochzeit hatte ihr den Appetit genommen und mehr noch. Sie war kaum wiederzuerkennen. Ängstlich, ausweichend, in Tränen aufgelöst und stumm. Kein keckes Wort, kein vorsichtiger Blick unter diesen dunklen Wimpern hervor, kein scheues Grinsen. Er hatte sich wahrlich nie ein Bild von seiner möglichen Gattin gemacht, aber sicherlich hätte er nie geglaubt, ausgerechnet ein Mädchen zum Altar zu führen, das es kaum über sich brachte, mit ihm zu schlafen. Und von Annabell, seiner süßen, kleinen Annabell, hatte er etwas ganz anderes erwartet. Verheißung. Versuchung. Beglückung. Vielleicht wäre es so gekommen, wenn er gewartet hätte. Wenn er sie durch seinen Übergriff vor zwei Wochen nicht so schockiert hätte, dass sie gar in Ohnmacht fiel, weil sie ihn heiraten sollte. Selbst wenn sie ihn nicht hasste, würde sie je anders für ihn empfinden? Würde sie ihm seine überstürzte Dummheit je verzeihen? Über sich selbst verärgert rutschte er aus den Laken. Ihre leisen Schluchzer begleiteten ihn aus dem Raum und verließen ihn nicht einmal, als Kanonendonner alles andere aus seinem bisherigen Leben verstummen ließ.
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