„Sobald Sie das können, sind Sie geborgen," lachte Mr. Powell, indem er seinen Strohhut aufsetzte, „und nun wollen wir, wenn es Ihnen recht ist, einmal hinüber zu den Schwarzen gehen, die dort schon, wenn ich nicht sehr irre, ihre Gunyos herstellen und ihre Feuer anzünden. - Zum Mittagsbrod sind wir wieder zurück." Den Arm seines Gastes nehmend, der sich den Damen freundlich empfahl, schritt er gleich darauf mit diesem über den Vorplatz, der vor dem Stationsgebäude lag, hinweg und dem nächsten, sich den Häusern anschließenden Dickicht zu, von welcher Richtung her das Hacken der Tomahawks, aufsteigender Rauch und wildes Hundegekläss die Nähe der Schwarzen verkündeten.
3.
Die Schwarzen.
Kaum vierhundert Schritt von Mr. Powell’s Stationsgebäude entfernt begann der „Busch" – das heißt, einzelne starke Gumbäume standen dort parkähnlich zerstreut auf einer ziemlich zerstampften, wenigstens nicht mehr mit Gras bedeckten Uferfläche des Murray, während ein niederes Unterholz von starren, Gott weiß weshalb so genannten Theebüschen und besenartigem Gesträuch hier und da in kleinen Gruppen oder Dickichten zusammen wuchs. Die Hohe der Bäume zeigte aber hier die Nähe des Flusses an, hätte auch wirklich nicht der merkwürdige kleine Glockenvogel 7, der zuverlässigste Wasseranzeiger Australiens, von Zeit zu Zeit in den /34/ Zweigen sein lustiges, fast metallisch klingendes ting-ling hören lassen.
Dicht von dem hier ziemlich schmalen Waldstreifen und vom Flusse ab, den Malleyhügeln zugekehrt, lief ein kleiner sandiger, fast kahler Hügelrücken hinauf, der zugleich die westliche Grenze der Station bildete, und dicht unter diesem, noch im Schutze der Gumbäume, war der oben beschriebene Stamm eifrig beschäftigt, die dickstämmigen Gums abzuschälen und ein leicht errichtetes Lager mit der Rinde derselben für sich herzustellen.
Die beiden Männer hatten noch etwa ein Drittheil des Wegs zurückzulegen, als ihnen aus dem Gebüsch heraus mit wüthendem Gebell eine ganze Meute lebendiger Hundeskelette entgegenstürzte und den Wald mit ihrem wolfsähnlichen Geheul erfüllte. Es waren die Hunde der Schwarzen, und eine buntere Mischung nichtswürdiger, eben nur noch in den Knochen hängender räudiger und halb verhungerter Köter war wohl noch nie in einem andern Theile der Welt versammelt gewesen. Und wovon lebten sie überhaupt? - Die Schwarzen fanden kaum für sich selber Nahrung genug, um im Walde ihr Leben, so wie das der Ihrigen zu fristen. Kängurus fingen ebenfalls schon an, in diesem Theile des Busches zu einer sehr seltenen Jagdbeute zu werden, und wenn die ganze Meute nicht dann und wann vielleicht einmal einen Dingo oder wilden Hund überraschte und mit Haut und Haar auffraß, blieb ihr wahrlich nichts weiter übrig, als was ihre Herren ebenfalls in Zeit der Noth mit ihnen thaten, nämlich einen unter ihrer eigenen Meute herauszusuchen, niederzuwürgen und zu verschlingen.
Die Hunde sind den Schwarzen insofern nützlich, als sie ihnen besonders das Opossum, das Walloby und manchmal auch ein Känguru jagen helfen, von denen sie dann vielleicht die Eingeweide zu fressen bekommen. Sonst müssen sic sich oft genug ihr Futter ebenso wie ihre Herren in Würmern oder Engerlingen aus der Erde graben, oder - sie leben von der Luft.
Die beiden Männer blieben stehen, einen etwaigen Angriff der Bestien mit einem rasch aufgegriffenen Holz abzuwehren, /35/ und Mr. Powell sah sich nach seinen eigenen Hunden um. Diese hatte aber Georg, der noch einmal den Fluß hinabgesprengt war, mit fortgenommen. Die Schwarzen selber bemerkten indessen rasch die nahenden Weißen; den Eigenthümer der Station kannten sie überdies, und wie dem Boden entwachsen, standen plötzlich fünf oder sechs junge Burschen mitten zwischen den Hunden, und warfen mit solchem Erfolg ihre Bumerangs oder aufgegriffene Stücken Holz zwischen die heulende Schaar hinein, daß diese winselnd und mit eingezogenen Schwänzen auseinanderstob, den Weg zum Lager für die Weißen frei lassend.
Trotz der kurzen Zeit, in der sie sich eigentlich hier an Ort und Stelle befanden, war das eigentliche Lager doch schon großentheils hergestellt worden. Die Männer hatten nämlich mit den kleinen Beilen, die Einige mit sich führten, von den nächsten Gumbäumen große Stücken Rinde rasch abgehackt und heruntergezogen, die Frauen schleppten sie herbei und stellten dann drei oder vier Stück derselben nach der Windseite so zusammen, daß sie oben eine Spitze bildeten. Gegen diese, die vorn etwas überneigte, wurde ein etwa sieben Fuß langer Stock schräg eingestemmt, um eine Art Dach herzustellen, und das Lager, Bett und Haus - war fertig.
Allerdings schützten diese Rindenstücke die darunter Liegenden nur nach einer Seite gegen Wind und Wetter und die heißen Strahlen der Mittagssonne, und die nackte Erde, nur selten mit einem Opossumfellmantel zur Unterlage, war das Bett. Was aber kümmerte das die abgehärteten und eben an Wind und Wetter gewöhnten Kinder dieser trostlosen Gumwälder! Sobald sie nur genug hatten, ihre Bäuche zu füllen welcher Art die Speise auch war - um das Uebrige nugen sie wahrhaftig keine Sorge.
Von dem Eigenthümer der Station nahmen sie indessen weiter keine Notiz, als daß sie ihn von den Hunden frei hielten. Es war ihnen vor allen Dingen einmal erlaubt, hier ihr Lager aufzuschlagen, und das Andere fand sich dann von selbst. Alle Hände voll hatten sie außerdem auch zu thun, um ihr Nachtquartier in Stand zu setzen, und wie nur die Rindenblätter standen, wurden vor jeder einzelnen Gunpo /36/ Feuer angezündet, anscheinend zur Bereitung für ein Mittagsessen, obgleich an Lebensmitteln, ein erlegtes Walloby und zwei Opossums ausgenommen, nichts zu sehen war.
Der australische Wald oder „Busch" ist eine traurige Heimath für den Wilden, dem er wenig mehr bietet als Feuerholz und ein Stück Rinde, um sich gegen das Wetter zu schützen. Waldfrüchte wachsen gar nicht darin. Die wenigen, welche in Form oder Farbe einer Frucht wirklich ähnlich sehen, sind ungenießbar, und entweder hart wie Holz und eben so saftlos, oder wollig und fade von Geschmack. Die australische Birne gehört zu der ersten, die Himbeere zu der zweiten Gattung. Die australische Kirsche, die den Kern außen an der obern Spitze sitzen hat, ist ebenfalls eine kleine, ganz werthlose, fade schmeckende Beere, und somit sind die Buschfrüchte der südlichen Hälfte des australischen Continents vollkommen erschöpft. Natürlich muß der Eingeborene, was ihm der Wald an Früchten versagt, in der Insectenwelt suchen, und Larven und Käfer, Maden, Engerlinge und Raupen sind vor seinem Hunger niemals sicher. Eine Akazienart liefert ihm außerdem noch ein nahrhaftes Harz, das besonders die Frauen sammeln und in Netzen mit sich tragen, und eine Art Eisgewächs mit kleinen dreieckigen fleischigen Blättern, fast wie eine kurze dreieckige Feile, die selbst in der dürrsten Jahreszeit ihr saftiges Fleisch bewahrt, dient ihnen daneben zur Hauptnahrung. Hier und da wachsen auch an sumpfigen Stellen im Walde einzelne Kräuter und kohlartige Pflanzen, die von ihnen mit großer Sorgfalt gesammelt und verzehrt werden. Sie essen überhaupt Alles, was ihnen nur irgend vorkommt und genießbar scheint, und die Gumbäume würden noch viel leerer und trostloser im Walde umherstehen, wenn sich ihre Blätter nicht gleich von vornherein durch einen scharfen öligen Geschmack dagegen verwahrt hätten, weder von Vieh noch Menschen verzehrt zu werden.
Diese Gunyos oder Rindenzelte waren, dem Anschein nach, unregelmäßig unter den Bäumen umhergestreut, alle nur das Schutzdach gerade der Richtung zukehrend, von welcher der Wind herwehte. Sorgfältiger als die übrigen schien auch nur ein einziges Lager hergerichtet, denn der Rindenschutz war /37/ war niedriger als bei den anderen, zog sich aber fast ringsum und ließ nur vorn eine kleine schmale Stelle offen, vor der der Besitzer desselben sich an dem schon angezündeten Feuer wärmen konnte. Diese Gunyo lag etwas abgesondert von den übrigen, und besondern Respect schienen die Hunde davor zu haben, die einen weiten Bogen machten, um sie zu umgehen.
Читать дальше