Die Tagelöhner auf der Rückreise beim Farbewaschen in den äußeren Betriebsgängen. Vorne unser Fremdenlegionär (Name vergessen), ein völlig unberechenbarer Kadett. Unser OA Knull wurde einmal von ihm angegriffen und hatte ihm daraufhin das Nasenbein gebrochen. Im Hintergrund Ernst Tesch in Ölzeug mit Südwester beim Abspülen der Schotten mit Frischwasser.
Auch Kurt Tietjen legte bei uns seinen Nachbrenner ein, jetzt wurde nicht gekleckert sondern rangeklotzt. Zunächst kam das große Deckwaschen, also alle Decks von der Brücke bis zum Hauptdeck, danach von vorn bis achtern. Die Foulbrassen wurden alle nach außenbords entleert und mit dem dicken Wasserstrahl ausgewaschen. Marpol-IV–Sewage gab es damals noch nicht, darauf waren die großen Strategen der Klassifikationsgesellschaften noch nicht gekommen. Das Thema Umweltverschmutzung existierte damals noch nicht. Danach wurden alle zu malenden Flächen mit Frischwasser abgeschwabbelt. An den weißen Flächen der Aufbauten wurde „Farbe gewaschen“, wie man auf dem vorangegangenen Foto erkennen kann. Als wir die „nassen Arbeiten“ abgeschlossen hatten, kamen die Malarbeiten an die Reihe, zuerst die Aufbauten von der Brücke bis in die Niederungen des Hauptdecks. Vorkante Brücke wurden Stellagen angebracht, die Abweiser mit weißen Putzlappen umwickelt, und jeder Mann, der auf eine Stellage kam, wurde mit einem Sicherheitsgurt um den Bauch vom Peildeck aus gesichert. Martin Imbusch hatte bereits an die 15 kleinere Farbtöpfe mit weißer Vorstreichfarbe, Pinsel und Kuttenlecker bereitgestellt. Eine Gang malte die Brücke abwärts. Und die Leute, die uns fieren mussten, malten die Brückennocken. Die Brückennocken waren mit Jutebahnen ausgelegt, damit kein Farbspritzer auf das Holz kam. Und wie bereits erwähnt, Kurt Tietjen ließ alle Flächen nur mit dem Pinsel malen, nichts mit der Rolle, jedenfalls nicht die Aufbauten. Da wir nach Westen fuhren, arbeiteten wir am Vormittag im Schatten. Ab Mittag, wenn die Sonne in der Kulmination stand, wurde es langsam unangenehm, denn die weiße Farbe blendete gewaltig. Aus diesem Grund bekam die „Vorkante-Brückengang“ Sonnenbrillen ausgehändigt, damit man beim Malen keine „Feiertage“ hinterließ, ein gängiger Begriff unter den Seelords. Für jeden „Feiertag“, den der Bootsmann entdeckte, musste man ihm eine Flasche Bier bezahlen! Und das konnte teuer werden. Nach der Vorstreichfarbe kam, als sie trocken war, am nächsten Tag die weiße Lackfarbe drauf. Und die blendete noch unangenehmer, wenn die Sonne da raufknallte. Was anfangs für den Laien chaotisch aussah, entwickelte sich nach dem dritten Tag als eine gute Arbeitsstrategie. Natürlich konnte man in 8 Tagen keine Luxusyacht aus der BAYERNSTEIN machen, doch die Mittschiffsaufbauten glänzten wie ein Kinderpopo, als wir am 16. April auf der Außenreede von Suez ankamen, von der Kanalbehörde einklariert wurden und den Kanallotsen an Bord nahmen. „Scheun Schipp, jeden Dag Pudding, de Kaptain kookt sölbst!“ Die Vorschiff-Gang hatte in der Zwischenzeit bis Suez die Luken, die Innenverschanzungen und die Decks auf beiden Seiten von der Back bis vorkante Brücke gemalt. Der Bootsmann spendete für Neptun zwei Kisten Bier, die wir, glücklich über diese Anerkennung, zur Brust nahmen. Das Vorschiff war soweit, bis auf die Masten und Bäume, fertig gemalt. Bei Ankunft am Suezkanal war dann Party achtern auf dem Poopdeck angesagt. Aber zuerst mussten wir vor Anker gehen.
Unsere Gang nebst Kochpersonal, Stewards und Flurplattenindianern bei der Suezkanal-Ankunftsparty, 1956, vorne rechts mit dem Schifferklavier unser Keenigsbarger, im Hintergrund links mit der Quetsche unser Babier, ganz im Hintergrund in der Mitte Harald Hilmer, die Typen dazwischen kamen aus der Kombüse.
Nach der Einklarierung und nachdem von einem Tender der Kanalbehörde aus die Kanalscheinwerfer vorn unter dem Steven mittels eines Galgens unterhalb der Festmacherklüsen angebracht worden waren, hieß es erst einmal warten, bis alle Schiffe für den nordwärts fahrenden Konvoy zusammen waren beziehungsweise warten, bis der „south bound convoy“ die Reede von Suez passiert hatte. Erst danach konnten wir Anker-auf gehen und unter der Schirmherrschaft des britischen Canal Pilot unsere Reise fortsetzen. Mit der Kanalagentur kam auch die Mannschaftpost an Bord. Und ich gehörte auch dieses Mal wieder zu den Auserwählten, die Post von zuhause bekommen hatten. Mein Vater hatte nach seinem Motto „Solange Du Deine Beine unter meinen Tisch streckst, hast Du Dich nach meinen Anordnungen zu richten!“ Anstoß an meiner spontan geäußerten Zuneigung zu den asiatischen Frauen genommen. Diese frühreifen Schönheiten verblühten auch früh im späteren Leben, die wären nicht geeignet für einen europäischen Mann. Außerdem kennten sie unsere christlich-abendländische Kultur nicht. Blablabla. Und die war ja so lebenswichtig! Meine Freude auf das Zuhause war wieder wie ein Kartenhaus zusammengefallen. Ich hatte doch nur spontan als Gag für diese asiatische holde Weiblichkeit geschwärmt. Er kann mich mal! dachte ich.
In Bremen verschwinde ich erst einmal auf der „DEUTSCHLAND“ und ziehe meinen Kursus durch. Ich musste mich wieder meiner Arbeit widmen, sprich Überstunden abreißen.
Klaus Perschke mit seinem Vater
Nicht selten fand man bei Seeleuten dieser Generation eine ödipal gestörte Vater-Sohn-Beziehung
Und die Anzahl meiner auf der ersten Reise bis zurück zum Suezkanal geleisteten Überstunden betrug bereits 410! Es konnten ruhig noch ein paar mehr werden. Ich brauchte das Geld demnächst dringend für die Zeit meines Seefahrtschulbesuchs in Bremerhaven-Geestemünde.
Die BAYERNSTEIN im Konvoi im Suezkanal nordfahrend
Die Reise ging weiter, zunächst durch den Suezkanal bis Port Said, wo wir den Pilot und die Scheinwerfer am 17. April noch in der Ausfahrt abgaben, und dann ab durch das Mittelmeer, das uns bis dato wohl gesonnen war. Kein schlechtes Wetter in Sicht! Und jetzt konnten wir auch das Achterschiff in Angriff nehmen. Der Bootsmann drohte mit der Peitsche, wenn es einer wagen würde, aus der Gruppe der Zutörner auszuscheren. Keiner verweigerte dem Bootsmann die Arbeitskraft. Die Innenverschanzungen von Luke 5 bis 6 wurden auf beiden Seiten mit dieser kackbraunen Farbe gemalt, die MacGregor-Lukendeckel wurden von beiden Luken grau, die Decks zu beiden Seiten der Luken wurden schwarz gemalt. Auch das Achterschiff mit seinen weißen Aufbauten wurde gepinselt, alles tiptop! So konnten wir in neuem Granz strahlend in Bremen antanzen.
Aber dann passierte etwas sehr Ungewöhnliches: Wir waren schon durch die Straße von Messina hindurch auf dem Wege nach Genua, da stürmte Ernst Tesch morgens um 06:00 Uhr plötzlich zum Bootsmann und zum 2. Ingenieur, Herrn Schulz. Luke 4, seine Postluke, war aus Versehen geflutet worden. Es stand ungefähr ein halber Meter Frischwasser im Raum, und Ernst Tesch wurde darauf aufmerksam, weil das Wasser schon über die Schwelle der Eingangstür lief. Ernst, der auch gleichzeitig der Raumwächter von Luke 4 war, besaß die Schlüssel und konnte die Tür sofort öffnen. Da war die Kacke am Dampfen! Von den 50 Zimtballen konnten gerade noch 30 Ballen gerettet werden. 20 Ballen waren klitschnass, vom Wasser beschädigt. Herrn Hanuschke blieb die Sprache weg, Kapitän Schott war fassungslos, Herr Vetter schimpfte wie ein Hafenarbeiter auf die gesamte Maschinengang. Und tatsächlich hatte jemand von den Flurplattenindianern, ein Maschinenassistent sogar persönlich, Mist gebaut, nämlich zwei Ventile verwechselt. Ich glaube, der Knabe hieß Georg Orthmann. Und der konnte bestimmt in Bremen seinen Sack nehmen und an Land gehen. Ein Ballen Zimt kostete damals 1.000 D-Mark! Also 20.000 D-Mark Ladungsschaden. Kurz vor Genua mussten wir, nachdem die Postluke gelenzt war, erst die trockenen, dann diese nassen Ballen mit Taljen aus dem Raum holen und zum Trocknen nach Luke 5 bringen. So sah die Situation aus, als wir am 22. April 1956 in Genua einliefen. Der Bootsmann war stinksauer. Gott sei Dank waren die Zimt-Ballen nicht für Genua bestimmt gewesen. Die Italiener hätten einen Riesenhallas daraus gemacht, wenn es ihre Ladung gewesen wäre.
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