„Wirklich gebeten habe ich nicht und das weißt du auch. Aber du scheinst meine Gedanken lesen zu können.“
„Das nicht.“ Geheimnisvoll wandte er sich seinem Fahrer zu und bedeutet ihm sich zu entfernen.
Jeanine war eingelullt in den Duft von Popcorn und Zuckerwatte. Die Lichter warfen wackelnde Schatten auf die Besucher und verblüfft stellte sie fest, wie gemischt es hier zu ging. Je länger sie dort stand, desto mehr fiel ihr auf und schüchtern hob sie den Kopf an Leons Gesicht heran, um ihm zuzuflüstern.
„Hier sind ja eine Menge Gestaltwandler unterwegs.“
„Natürlich, ma chere. Dies hier ist ein bekannter Treffpunkt für Einsame.“
„Jetzt mach dich nicht lustig über mich.“ Flüsterte sie wieder, als wenn sie keiner hören könnte.
„Dies ist nicht meine Absicht. Du hast mir gesagt, du vermisst dein Rudel. Das tun sie hier alle. Sie treffen sich, um Spaß untereinander zu haben, da hier nicht jeder einem stabilen Rudel wie deinem angehört.“
„Du hast dich informiert, was? Na gut, wir sind ja aus einem guten Grund hier, nehme ich an…“
Zum ersten Mal seit Stunden lächelte sie ihn an. Diese Chance wollte sie ihm geben. Daraufhin nahm er Ihre Hand, ganz behutsam und zögerlich.
Nach mehren Stunden hinterm Steuer hatte es Evie nicht länger ausgehalten. Für Viktoria war es Zeit gewesen zu speisen. Da dies nicht einfach an jeder Straßenecke möglich war, wie in Evies Fall, die alles essen konnte, war sie auf der Suche nach einem Metzger gewesen. Diese verkauften oft Blut an Vampire, die nicht auf der Jagd nach frischem Blut waren.
Sie hatte auch relativ schnell einen gefunden und hatte gleich einen größeren Vorrat ergattern können. Viktoria hatte sie verstohlen auf den Rücksitz zurückgezogen, um zu essen, während Evie einen Supermarkt unsicher machte, um ihre Vorräte aufzufrischen.
Viktoria hatte einen erschrockenen Schrei ausgestoßen, als Evie ihre Gestallt gewandelt hatte, um die Besorgungen unerkannt machen zu können. Sie war in der Lage ihre Füße auf beinahe menschliche Form zu bringen, ihre winzigen Hornansätze zu verbergen und ihre rot goldenen Haare dunkler erscheinen zu lassen. Sie wäre als Mensch ohne weiteres durchgegangen, wären da nicht diese erheblichen Unterschiede gewesen. Doch durch ihre Fähigkeit, ihre Dämonengestallt zu verbergen, war es nun auch für Viktoria ersichtlich, warum sie so unberechenbar hatte zuschlagen können.
„Du weißt, ich töte dich, solltest du jemandem von meiner Wandlungsfähigkeit erzählen.“ hatte Evie zu ihr gesagt, bevor diese in den Laden gegangen war.
Viktoria glaubte ihr aufs Wort, denn allein die Tatsache, dass sie ihr gestatte dies mitzuerleben, war Grund genug den Mund zu halten. Sie verstrickte sich mehr denn je in die Rolle der Mittäterin. Dessen war sie sich durchaus bewusst, denn sollte einer mitbekommen, dass sie mit ihr gemeinsame Sache machte, wäre sie eh tot.
Nach wenigen Minuten verließ Evie das Geschäft und schlenderte zum Wagen. Viktoria musste lächeln. Dieses unscheinbare Menschenweib war ein Killer.
„Ich habe nicht alles bekommen, was ich wollte, aber es wird gehen denke ich.“
„Woher hast du eigentlich das Geld dafür?“ fragte Viktoria.
„Von meiner Familie. Frag nicht …“
„Kopfgeld?“
„Ich sagte, frag nicht…denk dir einfach woher.“
„Ok is ja gut…“
Evie grinste. Sie wusste, dass sie einen Nerv traf, da Viktoria nicht mit dem einverstanden war, was sie getan hatte. Wen sie getötet hatte.
„Ich habe aber auch etwas für dich, wenn du es möchtest?“
Viktoria schnaubte. Auch wenn ihr das zu wieder war, irgendwoher musste Geld kommen.
„Was denn?“
„Da du nichts Anständiges zum anziehen hast, würde ich dir erlauben, einzukaufen, was du benötigst. Meine Sachen sind tabu!“
Viktoria schaute beschämt an sich herab, verdammt, das Weib hatte recht, sie sah furchtbar aus.
Blake und Philip waren erstaunt gewesen, als sie von Rainard über den Ausflug von Leon und Jeanine erfahren hatten. Ebenso hatte er die Beiden über Jeanines Wunsch nach Hause zu fliegen unterrichtet.
Es missfiel ihnen, hören zu müssen, wie schlecht sie sich behandelt gefühlt haben musste, da sie die Planung Jeanines Bedürfnissen vorgezogen hatten. Sie waren das Rudel und hätten zusammen sein sollen.
Philip unterhielt sich gerade mit einem von Leons Vampiren, als die große Tür der Halle aufgeschoben wurde und ein überaus zufriedenes Pärchen eintrat. Jeanine grinste über beide Ohren. Noch nie zuvor hatte sie die Gegenwart von Vampiren genossen. Es hatte Spaß gemacht, mit Leon zwischen den Schaustellern entlang zu schlendern und ab und zu anzuhalten, um Leon dabei zuzusehen, wie er versuchte, ihr ein Paar Preise gewinnen zu können. Dies hatte auch Früchte getragen. Jeanines Arme beherbergten zwei große Stofftiere und eine gutgeleerte Tüte Popcorn.
Blake wartete nicht lange. Er stellte sich Jeanine in den Weg.
„Es tut mir leid, Süße. Wir hätten nicht ohne dich gehen sollen.“ Gequält schaute er in ihre vor Wut funkenden grünen Augen.
„Verpiss dich, Blake!“ an Philip gewandt grummelte sie „Von dir hätte ich das allerdings nicht erwartet. Mich hier einfach zurück zu lassen. Ich hatte Leon gebeten, mir einen Flug zurück in die Staaten zu buchen, ohne euch. Dank seinem Einsatz habe ich es mir anders überlegt.“ fügte sie beiläufig hinzu „ ich bleibe bis nach den Spielen.“
Verblüfft ergriff Leon ihre Hand und küsste ihren Handrücken.
„Ma chere, das freut mich zutiefst. Ich hatte nicht mehr damit gerechnet, dich umstimmen zu können.“ Langsam blickte sie in seine dunklen Augen und fragte sich selbst, warum sie ihre Meinung geändert hatte. Er war immerhin ein Vampir. Was aber nicht bedeuten sollte, dass sie ihren Standpunkt in allen anderen Punkten was ihn betraf verrücken wollte. Doch sie hatte nicht vor sich weiterhin Blakes Launen beugen zu müssen und wie ein Schoßhund von ihm behandeln zu lassen. Sie wollte etwas tun, was vorher nie in ihrem Wesen vorhanden war; sich einem übergeordnetem Rudelmitglied entgegenstellen.
„Ich habe wirklich diese Unternehmung mit dir genossen, was ich nicht vorab glauben wollte. Ich würde gerne die nächste Tage herausfinden, ob du noch mehr solcher Überraschungen parat hast.“ schmunzelte sie.
„Das werde ich versuchen, ma chere. Doch ich bezweifle, dass ich deine Augen ein zweites so zum strahlen bekomme. Was ich wiederum genossen habe.“ Erneut ließ sie es zu, dass er ihre Hand küsste.
„Wo wart ihr denn?“ fragte Philip vorsichtig. Er wusste, dass Jeanine nicht leichtfertig einen Vampir so nahe an sich heranlassen würde. Daher fragte er sich, woher dieser Sinneswandel kam und was zuvor vorgefallen sein musste.
„Leon hat mich entführt und ist mit mir zu einem Jahrmarkt gefahren. Es hat dort nur so von Gestaltwandeln gewimmelt. Einfach unglaublich. Aber die waren auch wirklich nett. Einem von ihnen gehörte das Riesenrad.“ Sie lächelte in Erinnerung an das erlebte.
„Freut mich, dass du doch noch Spaß hattest.“ sagte Philip aufrichtig. Er würde das Thema Alleingelassen nicht wieder angehen. „Wenn du möchtest, zeige ich dir unsere Fortschritte und würde gerne deine Meinung zu den Zeltstellplätzen wissen, Jeanine.“
„Gern. Nach dem Essen. Leon hat mir versprochen, dass es etwas Vorzügliches geben wird.“
„Selbstverständlich, Madmoiselle.“ Rainard stand in der Türe und deutete auf den Speisesaal „Wenn sie dinieren möchten?“
Viktoria war völlig fertig. Durch das Blut berauscht, hatte sie Evies Angebot angenommen und war in eine nahegelegene Boutique gestürzt.
Evie hatte ihr lediglich ein par Scheine hingehalten und war im Wagen geblieben, um selbst essen zu können. Soweit vertrauten sie diesem Vampir. Viel Geld hatte sie ihr nicht mitgegeben, doch sie war gespannt, ob Viktoria alles auf den Kopf hauen würde. Doch dies tat sie nicht. Viktoria hatte nur ein paar schlichte Shirts und zwei Hosen gekauft, ihre Schuhe taugten noch. Sie wollte nicht unverschämt sein, was ihr von Evie nur eine hochgezogen Augenbraue einbrachte, als sie ihre Beute vorzeigte.
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