„Fünf der zwanzig großen Meiler allein für die Cryo-Tanks – jeder mit rund 100 Gigawatt – das ist schon eine ziemlich beeindruckende Kapazität“, meinte Alex Kranz, als er sich mit schweißnassem Gesicht von den vielen inzwischen unternommenen Teleportersprüngen erholte.
„Die lemurische Besatzung dieses Stützpunkts, wie viele Leute waren das damals eigentlich?“, fragte er gleich danach in Richtung des lemurischen Chefandroiden.
„Das werdet ihr in wenigen Minuten selbst sehen. Ich sagte ja bereits, dass unsere gesamte Crew noch vor dem Einschlag des Riesenasteroiden in die Überlebenstanks entkommen konnte.
Dies vor allem deshalb, weil unsere Ferntransmitter zu dem Zeitpunkt bereits Störungen anzeigten und deshalb nicht mehr zu gebrauchen waren. Kommt mit – die wichtigsten Meiler sind ja jetzt wieder in Betrieb und wir können sie vorerst mal alleine lassen.“
Wenige Minuten später betraten die von ihm Angesprochenen voller Staunen einen benachbarten riesigen Saal, in dem unzählige Reihen von Cryo-Kapseln standen. Wobei die Schaltanzeigen der meisten Tanks auf den ersten Blick noch immer bzw. schon wieder beruhigende Grünwerte anzeigten.
„Bei den Göttern von TARES. Das müssen gut 1.500 Überlebenstanks sein – damit hatte ich nicht gerechnet“, meinte Thure-Pan entgeistert, als er mit hohem Tempo die aufgereihten Eiskammern entlanglief und die an den länglichen Ovalen angebrachten Namensschilder einer ersten flüchtigen Inaugenscheinnahme unterzog.
„Ja, und die meisten davon scheinen noch intakt zu sein. Gut 90 Prozent würde ich sagen. Die restlichen sind wohl in Folge des Asteroideneinschlags und der daraufhin einsetzenden Erdbeben beschädigt worden“, stellte jetzt der ihn begleitende zweite Teleporter und Arzt Dr. Alec MacLeod fest.
Nahezu zeitgleich setzte Alex Kranz in diesem Moment einen eiligen Funkspruch an die noch im ersten Stock der Anlage wartende Brigid-Thor sowie an seine Frau in der MHORA-X-1 ab.
„Brigid, Mora – wie weit seid ihr da oben? Es eilt nämlich. Unsere beiden Ärzte brauchen hier unten dringend zusätzliche medizinische Unterstützung. Und zwar in unvorstellbarem Umfang. Richtet euch schon mal auf einen Massenanfall von Patienten ein, die wir sehr zügig hier herausbringen müssen.
Alex, Thure, meine Frau und ich sichten gerade die Schalteinrichtungen an den Cryo-Kapseln. Soweit ich das von meiner Position aus im Augenblick sehen kann – haben wir es hier mit wenigstens 1.300 bis 1.400 überlebenden Lemurern zu tun, die jedoch noch immer in ihren Cryo-Tanks liegen. Ich komme jetzt rauf und zeig’ euch den Weg zu den Turbolifts.“
„Das Eingangsschott ist für unsere Rettungsmission inzwischen ausreichend offen und gesichert. Bleib’ also, wo du bist, Alec. Wir kommen runter und sind gleich bei euch.
Aber hast du eben wirklich die Zahl 1.400 gesagt? Ich glaub’s ja nicht – hoffentlich reichen unsere Kapazitäten für eine derartige Anzahl von Patienten überhaupt aus“, antwortete Mora Kranz umgehend, ehe auch Brigid-Thor in das per Funk geführte Gespräch eingriff.
„Fürstin Mora Kranz steht inzwischen neben mir. Sie, Nick und ich kommen jetzt mit einem der Turbolifte zu euch runter. Mein Robot bleibt an der Eingangsschleuse zurück und weist die hoffentlich gleich eintreffenden übrigen medizinischen Kräfte ein.
Da wir hier oben mittlerweile ebenfalls wieder Licht haben und mein Robot den Weg zu den Turbolifts gerade in diesem Augenblick notdürftig freigemacht hat, sollte das schnell gehen.
Nachher werde ich mit Alex, Thure und Astor 1 noch zur Rechenzentrale des Stützpunkts gehen. Denn nur hier oben werden wir Aufschluss über die drängendsten Fragen erhalten, die die Werftbesatzung und nicht zuletzt auch das Großkampfschiff FREYA selbst betreffen, das sich hinter den Metallwänden zwischen unterster und oberster Etage befinden muss.“
Die danach anlaufende Rettungsaktion hatte es in dieser Form auf amerikanischem Boden noch nie gegeben. Schritt für Schritt wurden die überlebenden Lemurer aus ihren Eissärgen geborgen, an die unzähligen der hereingebrachten Rettungssysteme angeschlossen und anschließend zur weiteren Behandlung in die medizinischen Stationen der THIKAL-X transportiert.
Da die Zahl an verfügbaren Plätzen in der zum Rettungsschiff umgerüsteten THIKAL-X irgendwann erschöpft war, musste sogar die KIMBAL wieder vor dem Mount Hope genannten Gebirgszug landen, um mit ihrem Bordlazarett den verbleibenden Rest der lemurischen Patienten aufzunehmen.
An ihrer Stelle überwachte jetzt die unter dem zeitweisen Kommando von Rando und Mary Stark gestartete MHORA-X das Einsatzgebiet aus der Luft.
Am Ende waren es insgesamt 1.360 Lemurer der ehemaligen Werftbesatzung, die jetzt von den Medizinern und Medoandroiden der THIKAL-X und der KIMBAL betreut wurden und von denen man hoffte, sie allesamt wieder ins Leben zurückrufen zu können.
„Mann bin ich fertig“, murmelte Alex Kranz, als er endlich wieder an der Oberfläche vor dem jetzt an der Flanke offenen Bergmassiv erschien.
„Ich bin sehr froh, dass ich dich wohlbehalten wiederhabe, mein Schatz“, flüsterte ihm die ebenfalls aus dem Berg zurückgekehrte Kommandantin der MHORA-X erleichtert ins Ohr, ehe sie auch schon geschäftsmäßig fortfuhr:
„Das habt ihr ganz ausgezeichnet gemacht. Zumal laut Thure-Pan in den Tanks – den auf den Cryo-Kapseln angebrachten Beschriftungen nach – auch führende Leute dieses lemurischen Geheimstützpunkts lagen, die jetzt unter den Geretteten sind.
Aber sag’ mir zuerst mal – hast du bereits die FREYA in Augenschein nehmen können. Ist das wirklich solch ein riesiges Kugelschiff?“
„Nein, mein Liebling – dafür hatten wir bisher wirklich noch keine Zeit. Das Obergeschoss, das heutzutage zwischen der Bergspitze und dem Niveau des Pyramid Lake liegt, beherbergt laut Astor 1 nicht nur die Kommando- und Funkzentrale.
Auch der Zentralrechner des Stützpunkts ist auf dieser obersten Ebene untergebracht. Brigid und Thure schauen sich mit Hilfe von Astor 1 und einigen seiner inzwischen wiedererweckten Androidenkollegen gerade dort um.
Die unterste Ebene, in der wir bisher hauptsächlich waren, ist mit der großen Energiestation und der riesigen Halle, in der die Überlebensanlagen stehen, genauso quadratisch strukturiert, wie wir das aufgrund unserer Tiefenscans vermutet haben.
Und wie das Untergeschoss, ist auch das oberste Stockwerk, nach genaueren Messungen von Brigids ODIN, nur rund 50 Meter hoch.
Was die zweite und dritte Ebene beinhaltet, haben wir bisher noch nicht erkunden können. Wir hatten ja Vordringlicheres zu tun. Aber ich denke, dass die eigentliche Werft der FREYA auf diesen beiden Stockwerken weit größer ist, als wir das bislang angenommen haben.“
„Verstanden, mein Schatz!“, antwortete Mora Kranz, während sie mit ihren schlanken Fingern liebevoll über das übermüdete Gesicht ihres Ehemanns strich.
„Wenn man die von uns angemessene Gesamttiefe der Anlage von über 2.000 Metern ansetzt und etwa 100 Meter für Erd- und Untergeschoss sowie für die jeweils dazwischenliegenden Versorgungstunnel abzieht, bleiben mindestens rund 1.800 Meter für die eigentliche Konstruktionshalle übrig.
Damit kommt es in etwa hin, dass da drinnen ein 1.500 Meter durchmessendes Kugelschiff auf seine Fertigstellung wartet“, meinte Mora Kranz gleich darauf, als sich auch schon die gerade zurückgekehrte Brigid-Thor, zusammen mit Oberst Thure-Pan und Astor 1 zu den beiden Kommandanten der MHORA-X gesellte.
„Thure-Pan und dein großartiger IT-Spezialist Pitt Breuer werden in Kürze mit einer ganzen Techniker- und der von Astor 1 geführten Androidenbrigade schrittweise damit beginnen, die übrigen defekten Anlagen dieses uralten Werftstützpunkts wieder in Gang zu setzen“, meinte die Lemurerin in diesem Moment.
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