Paul Kübler
Mein Leben begann 1918 in Weimar
Erinnerungen
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Inhaltsverzeichnis
Titel Paul Kübler Mein Leben begann 1918 in Weimar Erinnerungen Dieses ebook wurde erstellt bei
Sein Geheimnis Sein Geheimnis Paul Kübler ist heute, im Jahr 2014, fünfundneunzig Jahre alt. In Gesprächen mit Freunden und in der Familie wurde er vor Jahren angeregt, da er gern aus seinem Leben erzählte, seine Erinnerungen aufzuschreiben. Im Alter von 86 Jahren und sechs Monaten hatte er sich entschlossen, dies zu tun. Seine Eltern und Geschwister leben schon lange nicht mehr. Ein Tagebuch hat er nicht geführt. So konnte er sich nur auf sein Langzeitgedächtnis stützen und wünschen, dass da noch vieles stecken geblieben ist. Vor zwei Jahren holte ihn sein Sohn aus Thüringen nach Potsdam, wo Paul Kübler in seiner eigenen Wohnung lebt, Kontakt zum nachbarlichen Seniorenheim pflegt, im Chor mitsingt, an Gesprächsrunden teilnimmt, oder neue Bekannte zu sich nach Hause einlädt. Sein Geheimnis, immer mal wieder etwas Neues lernen. Er hat sich ein elektronisches Miniaturklavier gekauft, übt regelmäßig und schreibt nun den dritten Teil seiner Erinnerungen auf. Den ersten Teil hat er in einigen Exemplaren als Buch drucken lassen. Als eine Potsdamerin, die sich eines zum Lesen ausgeliehen hatte, ihn anrief, um sich mit ihm zur Rückgabe zu verabreden, sagte Paul Kübler: „Wieso, hat es Ihnen nicht gefallen?“ Diese Autobiografie ist kaum spektakulär, dennoch faszinierend aufgrund eines phänomenalen Gedächtnisses und der Genauigkeit im Detail.
Die Eltern
1922
Das Jugendamt
Die Pflegefamilie
Alte Schule
Feldarbeit
Sommer 1932, eigenes Geld
Schustern
Krieg
Verlobung 1944
Rette sich, wer kann
Ich in Kriegsgefangenschaft
Heimkehr
1949, Spareinlagen ungültig
Meisterbrief
Der Gewerkschafter
Abstecher in die Berufsschule 1966
Neue Ehefrau, Arbeit und Garten
Ausgezeichnet
Am Ende ein politisches Statement
Impressum neobooks
Paul Kübler ist heute, im Jahr 2014, fünfundneunzig Jahre alt.
In Gesprächen mit Freunden und in der Familie wurde er vor Jahren angeregt, da er gern aus seinem Leben erzählte, seine Erinnerungen aufzuschreiben. Im Alter von 86 Jahren und sechs Monaten hatte er sich entschlossen, dies zu tun. Seine Eltern und Geschwister leben schon lange nicht mehr. Ein Tagebuch hat er nicht geführt.
So konnte er sich nur auf sein Langzeitgedächtnis stützen und wünschen, dass da noch vieles stecken geblieben ist. Vor zwei Jahren holte ihn sein Sohn aus Thüringen nach Potsdam, wo Paul Kübler in seiner eigenen Wohnung lebt, Kontakt zum nachbarlichen Seniorenheim pflegt, im Chor mitsingt, an Gesprächsrunden teilnimmt, oder neue Bekannte zu sich nach Hause einlädt. Sein Geheimnis, immer mal wieder etwas Neues lernen. Er hat sich ein elektronisches Miniaturklavier gekauft, übt regelmäßig und schreibt nun den dritten Teil seiner Erinnerungen auf. Den ersten Teil hat er in einigen Exemplaren als Buch drucken lassen. Als eine Potsdamerin, die sich eines zum Lesen ausgeliehen hatte, ihn anrief, um sich mit ihm zur Rückgabe zu verabreden, sagte Paul Kübler: „Wieso, hat es Ihnen nicht gefallen?“
Diese Autobiografie ist kaum spektakulär, dennoch faszinierend aufgrund eines phänomenalen Gedächtnisses und der Genauigkeit im Detail.
Als fünftes Kind meiner Mutter wurde ich am 23. Dezember 1918 in Weimar geboren. Meine Mutter, Martha Kübler, war das zweite Mal verheiratet. Ihr erster Mann, Streipardt, ich kenne nicht einmal seinen Vornamen, ist schon 1914 in Frankreich gefallen. Mit ihm hatte
meine Mutter drei Kinder: Alfred, Rosa und Hermann. Er wurde nur Männe genannt. Während des
Krieges lernte meine Mutter den verwundeten Soldaten Alois Kübler kennen.
Sie heirateten und hatten zusammen weitere zwei Kinder, Alois und Paul - das bin ich, der Jüngste. Als mein Vater tödlich verunglückte, war meine Mutter 28 Jahre und hatte fünf Kinder.
Und das in der schweren Zeit nach dem ersten Weltkrieg.
Dieser Zustand beeinflusste den Ablauf unseres Lebens. Meine Mutter, verwitwete Streipardt, geb. Reinhardt, war etwa 1,55 Meter groß. Sie hatte dunkle Haare mit Naturlocken und bis
zu ihrem Tod kein graues Haar. 1894 wurde sie geboren. Ich kannte sie als eine lebenslustige Frau mit Humor, die immer optimistisch war. Zu ihren Nachbarn und Mitmenschen fand sie schnell Kontakt. Von Charakter war sie gutmütig, doch sie konnte auch recht eigensinnig sein.
Mein Vater stammte aus dem Oberelsass und war zwei Jahre jünger als meine Mutter. Er war
bei der Reichsbahn als Streckenarbeiter tätig.
Sein Humor war beliebt und er konnte bei Familienfesten für Stimmung sorgen.
Ich bin im Zentrum von Weimar in der Schlossgasse geboren. Meine Erinnerungen reichen bis in mein drittes Lebensjahr zurück. Damals wohnten wir in Notwohnungen am Schießhaus.
Das Schießhaus war Eigentum des Schützenvereins und dazu gehörte auch eine Gaststätte. Davor war ein großer Platz, teilweise mit kurzem Rasen bedeckt.
Dort wurden die Frühlings-, Sommer- und Herbstfeste gefeiert. Er war groß genug für alle möglichen Schaubuden, Karussells und andere Belustigungsanlagen. Das Pferdekarussell stand immer gegenüber unserer Wohnung. Es war mein liebstes Spielzeug, besonders weil ein Pferd das Karussell zum Drehen bringen musste. Manche Runde durfte ich umsonst fahren. Ich aß gern
Oblaten und Eis.
Von der Stadt aus kam man zum Schießhausplatz, wenn man die Jenaer Straße über die Ilmbrücke beim Schloss hoch lief, in der ersten Kurve die Straße verließ und zwischen Bäumen an der linken Seite und Gärten mit Häusern an der rechten Seite weiterging. Das war dann auch der Weg zum Schießhaus. Kam man auf den Platz, lag links ein kleiner Wald, der den Abhang
bis zur Ilm bedeckte. Rechts stand eine Reihe von eingeschossigen Baracken, das waren damals Notwohnungen.
Unsere Wohnung war vom Anfang des Platzes gesehen die letzte Baracke, gegenüber dem Schützenhaus. Wir hatten zwei Zimmer und einen kleinen Teil des Kellers. Das Wohnzimmer
war groß. Ich schätze, es hatte etwa 18 Quadratmeter. Das Schlafzimmer war genau so groß. Wir waren sieben Personen. Im Wohnzimmer stand ein Herd, dieser war Küche und Heizung
zugleich.
Den Weg zur Stadt konnte man abkürzen, indem man durch ein Waldstück abwärts Richtung Ilm lief. Dieser Weg endete am alten Elektrizitätswerk. Daneben war die Pferdeschlächterei
Anton. Für jeden Groschen, den ich geschenkt bekam, kaufte ich mir ein Stück frische Knackwurst.
Kinder gab es in dieser Barackensiedlung, die als Notwohnungen bezeichnet wurden, reichlich. Familie Mackedei hatte mehrere Kinder, mit denen wir gern spielten.
Mein Vater ging einmal in der Woche, wenn Zahltag war, auf den Markt und kaufte ein. Dazu nahm er den Tragkorb. Meine Mutter hatte mit uns Kindern zu tun. Ich kann mich noch erinnern, dass ich auf den Tisch kletterte und in diesem Tragekorb nach Bonbons suchte. Jede Tüte untersuchte ich.
Mein Vater sagte, das seien Zwecken oder Täckse. Er reparierte unsere Schuhe selbst und brauchte die dazu. Von seinen Charaktereigenschaften habe ich einiges geerbt. Ich denke dabei an seine Energie, seine Gutmütigkeit und seinen Humor.
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