Simone Görl, Johanna Puhl, Manfred Thaller
Empfehlungen für die weitere
Entwicklung der Wissenschaftlichen
Informationsversorgung des Landes NRW
Köln 2011
Vorwort
eLearning und Open Access sind wichtige Themen der zukünftigen Informationsversorgung wissenschaftlicher Einrichtungen. Sie können jedoch nur im Kontext eines Gesamtkonzepts der Informationsversorgung sinnvoll diskutiert werden. Beide Themen werden in dieser Studie daher vor allem in Wechselwirkung mit anderen Elementen einer integrierten Informationsversorgung der Hochschulen des Landes NRW diskutiert.
Zum Aufbau: Teil I versucht, ein in sich konsistentes Modell für die zukünftige Informationsversorgung wissenschaftlicher Einrichtungen zu entwickeln. Dies sind Interpretationen und Empfehlungen des Projektteams.
Teil II schildert den landesweiten (und teilweise nationalen) Sachstand. Er wurde zunächst vom Projektteam in vorbereitenden Gesprächsrunden und aus der Literatur erarbeitet und danach auf einem Workshop mit den Teilnehmern der vorherigen Runden diskutiert und auf Grund dessen überarbeitet. Diese Version der Ergebnisse wurde in einer letzten Phase des Projekts schließlich mit internationalen Experten erörtert.
Teil III schildert einerseits die Informations- und Bildungslandschaft in verschiedenen, mit NRW vergleichbaren, Regionen oder Ländern und andererseits die Reaktionen bei Experten dieser Regionen auf unseren Entwurf.
Soweit dem Textfluss zu Liebe keine geschlechtsneutralen Bezeichnungen verwendet wurden, steht die männliche Form für beide. „Hochschule” wird unterschiedslos für Universitäten und Fachhochschulen verwendet; es sei denn, es wird auf institutionelle Unterschiede hingewiesen. 1
Wir danken dem Ministerium für Innovation, Wissenschaft und Forschung des Landes Nordrhein-Westfalen, das diese Studie finanziert hat.
Köln, im Frühsommer 2011 Simone Görl, Johanna Puhl, Manfred Thaller
Manfred Thaller
In der Zeit bis 2025 wird die Informationstechnologie ihre Entwicklung zu einem räumlich und zeitlich hochverfügbaren Bestandteil der gesellschaftlichen Umwelt weiter fortsetzen, wobei jetzt noch bestehende Brüche zwischen unterschiedlichen Technologieebenen weiter überwunden werden.
Die Informationsinfrastrukturen der Hochschulen des Landes NRW müssen sich in diese Entwicklung einbringen: Im Interesse des Landes, das – ohne einzelne Einrichtungen zu bevorzugen – sie insgesamt als Wissenschaftssystem zum Nutzen der Bürger finanziert. Dies liegt auch im Eigeninteresse der einzelnen Hochschulen, die im Wettbewerb untereinander und mit den Hochschulen anderer Wissenschaftslandschaften nur bestehen können, wenn sie diesen Wettbewerb im Rahmen akademischer Exzellenz führen können, ohne von infrastrukturellen Mängeln abgelenkt zu werden.
Die nächsten fünfzehn Jahre werden in der Informationstechnologie auf allen Ebenen von der Konvergenz noch getrennter Lösungen geprägt werden. Dies ändert die Rahmenbedingungen für optimale organisatorische Lösungen. Das jetzige Denken in Begriffen separater Einrichtungen, die für sich jeweils alle Probleme der Bereitstellung der Informationstechnologie lösen, sollte daher ersetzt werden durch die Konzeption einer gemeinsamen technischen Basisinfrastruktur, auf der die spezifischen Dienste einzelner Fachabteilungen aufsetzen.
Die gilt sowohl innerhalb der Hochschulen, bei denen die Trennung der IT-Systeme einzelner Abteilungen aufgehoben wird, als auch zwischen den Hochschulen, die durch die Kooperation bei technischen Diensten, die unterhalb einer bestimmten Kapazität nicht effektiv betrieben werden können, erheblich gewinnen.
Die Bereitstellung der Information durch das wissenschaftliche Bibliothekssystem bleibt vom Betrieb der technischen Infrastruktur, auf der diese Information bereitgestellt wird, sachlich getrennt. Auch hier gibt es jedoch viele Problembereiche, deren Lösung in der Kooperation mehrerer Hochschulen, oder der Hochschulen des Landes insgesamt, besser gelingt als in einzelnen Einrichtungen.
Zur Unterstützung dieser technischen Konvergenz innerhalb der Hochschulen einerseits, zur Verbesserung ihrer Möglichkeiten bei der Bereitstellung der für ihre Wettbewerbsfähigkeit benötigten Infrastrukturen zusammen zu arbeiten, werden konkrete Empfehlungen für wesentliche Bereiche der Informationsversorgung gemacht. Unter Verzicht auf Details der Umsetzung sind sie im Folgenden zusammengestellt.
Grundsätzlich:
(1.1) Wir empfehlen, das Konzept im Bereich der Informationsinfrastrukturen unabhängig nebeneinander stehender Hochschulen zu Gunsten eines Schichtenmodells aufzugeben. Manche Infrastrukturen und Dienstleistungen sollten in Zukunft landeseinheitlich betrieben werden. Bei der Mehrzahl wird die gemeinsame kooperative Bereitstellung für eine Gruppe einander sachlich oder räumlich nahestehender Hochschulen sinnvoll werden. Einige Infrastrukturen und Dienstleistungen sind weiterhin am sinnvollsten in den einzelnen Hochschulen zu erbringen. Der Übergang zwischen beiden Modellen wird die volle Länge des zu Grunde liegenden Zeitraums von fünfzehn Jahren beanspruchen. Dieser Prozess sollte daher nicht durch eine einmalige punktuelle Reform unterstützt werden, sondern durch die langfristige Überprüfung aller Fördermaßnahmen darauf, ob sie den Wandel in die gewünschte Richtung unterstützten.
(1.2) Wir empfehlen ferner, innerhalb der Hochschulen die übergangslose Integration der digitalen Angebote der einzelnen Einrichtungen zu einem Angebot der Hochschule insgesamt energisch voranzutreiben.
(1.3) Da wir die Hochschulen des Landes als ein integrales System für die Bürger des Landes verstehen, empfehlen wir jedoch auch dringend, die Integration weiter zu treiben und auf oberster Ebene einen Gesamtauftritt der wissenschaftlichen Einrichtungen des Landes zu realisieren, der insbesondere alle im weitesten Sinne bibliothekarischen Ressourcen, die vom Steuerzahler finanziert werden, zu einer integrierten Ressource zusammen fasst.
Für den Bereich der allgemeinen IT-Basisdienste:
(2.1) Fördermaßnahmen zur weiteren Entwicklung aller IT bezogenen Infrastrukturen an den Hochschulen sind an eindeutige Kriterien für die effektive und explizite IT-Governance an den Hochschulen zu binden. Nur wenn der Ausbau der IT-Infrastruktur als Problem der Hochschulleitung erkannt wird, sind Verbesserungen möglich.
(2.2) Fördermaßnahmen müssen die Konvergenz der IT-Infrastrukturen innerhalb der Hochschulen befördern; sie sollten in keinem Fall die Unterschiede zwischen einzelnen Sparten hochschulinterner Einrichtungen betonen.
(2.3) Die Kooperation der Hochschulen leidet derzeit darunter, dass die kooperative Nutzung von Ressourcen scheinbar durch die Unabhängigkeit der Hochschulen behindert wird. Es besteht der Eindruck, dass jede Zusammenarbeit, bei der es zum Austausch geldwerter Leistungen kommt, als rein kommerziell und daher marktoffen organisiert werden muss. Die Hochschulen sind jedoch weiterhin öffentlich-rechtliche Einrichtungen. Wir empfehlen die Verbesserung der Kooperation beim Betrieb gemeinsamer Infrastrukturkomponenten nach dem Modell kommunaler Zweckverbände.
(2.4) Die Ausnutzung der zusammengefassten Marktmacht der Hochschulen des Landes durch koordinierte Beschaffungen ist energisch voranzutreiben.
Im Bereich der Informationsbeschaffung:
(3.1) Die Aktivitäten bei der Informationsbereitstellung, die bisher auf Bibliotheken, Medienzentren, eLearning-Zentren und andere Einrichtungen verteilt sind, sind an den einzelnen Hochschulen zu einem integrierten Angebot zusammen zu fassen.
(3.2) Es ist stärker als bisher zwischen der technischen und der sozialen Komponente der Informationsbeschaffung und der Beratung bei der Benutzung bereit gestellter Ressourcen zu unterscheiden. Die technischen Komponenten eignen sich genauso zur kooperativen Bereitstellung im Rahmen sachlich oder räumlich naheliegender Einrichtungen, wie dies bei den technischen Basisdiensten der Fall ist.
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