Man konnte erkennen, dass Herr Walker sehr viel gereist war und schon viele verschiedene Orte dieser Welt gesehen hatte.
Faszinierend fand sie die Nacktskulpturen aus Afrika, die die Klischees von dickem Schwanz oder festen spitzen Busen der Frauen voll bestätigten, sowie die alten handgefertigten Porzellane aus China.
„Wir sind hier in einem Museum“, sagte Anne Schmidt fasziniert.
„Schauen Sie sich mal um“, sagte Herr Walker stolz. „Sehen Sie, hier, ja hier, das war in Chili, das hier ist aus Argentinien. Diesen kleinen Korb habe ich von einem Indianer in Venezuela bekommen. Ja, das ist China. Diese Vasen wollte ich eigentlich nicht. Aber sie haben meiner Frau gefallen. Sie sind sehr alt, mindestens 1000 Jahre. Meine Frau war von der chinesischen Architektur sehr begeistert. Wir waren sehr oft in Asien. Ich mag China sehr, hmm, das leckere Essen. Sehr nette Menschen im Allgemeinen, aber im Geschäft sehr harte Kontrahenten. Dort war ich in Rumänien und habe von einem Minister das Bild bekommen, ein Geschenk, weil er mich nicht bezahlen konnte. Das Bild ist sehr wertvoll. Ich sage Ihnen lieber nicht, von wem das stammt. Kommen Sie her, kommen Sie, sehen Sie hier? Wissen Sie, wo das ist?“, fragte er, als ob die Antwort nicht offensichtlich wäre.
„Das ist Afrika, oder?“, fragte Anne Schmidt freundlich, um seine Begeisterung nicht zu stoppen.
„Richtig, waren sie schon mal in Afrika? Ich meine nicht in Ägypten, oder Tunesien, oder in diesen Urlaubscamps in Kenia, Südafrika oder Senegal. Ich meine das richtige Afrika, das, was die Kameras nicht erreichen können. Wo es kaum Touristen gibt. Ja, das ist Afrika. Afrika für mich sind nicht solche großen Städte, wie wir sie in Europa haben. Das ist nichts für mich. Aber das tiefe Afrika ist schön, es ist wunderbar und ist so natürlich. Von allen Orten, an denen ich weltweit war, ist Afrika mein Favorit und Kamerun mein Herzensland. Wir sagen, dass die Menschen in Afrika das Leben nicht so schwer nehmen. Nein, ich habe entdeckt, dass sie einfach anders mit Problemen umgehen. Sie haben einfach einen Weg gefunden, um mit Schwierigkeiten zu leben, ohne das Lachen zu verlieren. Es sieht unbekümmert aus, aber es ist eine große wissenschaftliche Lebensphilosophie. Es wäre schön, wenn wir so etwas bei uns hätten. Sehen Sie, wie schlecht es vielen Menschen hier geht, obwohl wir fast alles haben? Es fehlt das Lachen. Ja, das Lachen ist sehr wichtig. Ich habe dort viel gemacht und viel erreicht. Ich war mehrmals dort in Urlaub, eigentlich fast jedes Jahr. Das sind die Skulpturen der Bamileké, besser gesagt, der Banganté in Westkamerun. Das ist ein Volk in Kamerun, sie nennen sich NDE, das steht für noblesse, dignité und elgance und bedeutet Adel, Würde und Eleganz. Stellen Sie sich das mal vor? So nennen die sich. Ich habe da die meisten Skulpturen gekauft. Sind sie nicht schön?“, frage er begeistert.
„Ja, besonders diese da. Sie bestätigt unsere europäische klischeehafte Vorstellung des afrikanischen Mannes“, sagte sie ironisch.
„Das müssen wir uns selbst vorwerfen. Sie machen nur Kunst, wir interpretieren sie so“, erwiderte Herr Walker.
Sie gingen zwei Treppen hoch, dann machte er eine Tür auf und sagte:
„Kommen Sie rein, bitte. Dies ist mein Arbeitszimmer und gleichzeitig mein Ausruhzimmer. Hier verbringe ich sehr viel Zeit. Setzen Sie sich. Was wollen Sie trinken? Tee, Kaffee, Saft? Leider habe ich aus Prinzip keinen Alkohol und keine Zigaretten zu Hause“, sagte Herr Walker.
„Leistungswasser haben sie aus Prinzip aber sicher, oder?“, sagte sie lächelnd.
Ein paar Minuten später kam er wieder mit einem Serviertablett herein, auf dem alles Mögliche stand.
Er machte die Tür zu und öffnete das Fenster, man sah nur Grün, weit und breit. Es war ein schöner Junitag und es war draußen schön warm, während es drinnen noch erfrischend kühl blieb.
Er stellte das Serviertablett auf einem kleinen niedrigen Tisch vor Anne Schmidt ab, damit sie sich allein bedienen konnte.
„Was machen Sie beruflich, Herr Walker? Wie ich sehe, sind Sie sehr viel unterwegs und Geldmangel scheint bei Ihnen ein fremdes Wort zu sein?“, fragte sie.
„Jetzt gar nicht mehr so viel unterwegs. Früher ja, viel, auch mit meiner Frau. Beruflich bin ich in der Finanzbranche tätig. Es ist schwer zu erklären. Ich beschaffe Geld für Firmen, Institutionen und Staaten“, sagte er.
„Das heißt ja, sie müssen unglaublich reich sein, um Staaten Geld leihen zu können“, stellte sie sich absichtlich dumm.
„Nein, nein, nein, sie haben mich falsch verstanden. Ich beschaffe Geld. Ich leihe kein Geld, um Gottes Willen, selbst Bill Gate oder Ingvar Kamprad, der Gründer von Ikea, könnten sich das nicht leisten. Ich bin wie eine Art Vermittler zwischen denen, die Geld haben und noch mehr wollen und denen, die nicht genug haben und noch mehr wollen. Sehen Sie, alle wollen immer nur noch mehr, noch mehr. Niemand will sich mit dem zufrieden geben, was er hat. Der, der weniger hat, will einfach nicht so leben, wie er es sich leisten kann. Er will so leben wie der, der mehr hat. Dem, der mehr hat, geht es aber genauso. Es genügt ihm nicht. Er will noch mehr als alle anderen haben. So entsteht eine synergetische Kraft, die das Geld so stark macht. Und Leute wie ich profitieren dann von den Krümeln, die diese immer–mehr-haben–wollenden Menschen beim Essen auf den Boden fallen lassen“, erklärte er.
„Diese Krümel scheinen aber nicht so klein zu sein, dass Leute wie ich von den Krümel von Leuten wie Ihnen noch glücklich leben könnten“, sagte Anne Schmidt.
„So ist der Lauf der Welt, vielleicht sind Sie dagegen glücklicher“, meinte Herr Walker.
„Es muss nicht immer unbedingt so sein, dass Leute, die mehr haben, unglücklich sind. Geld muss nicht unbedingt unglücklich machen, oder?“, konterte Anne Schmidt.
„Geld und Reichtum allein machen nicht glücklich“, sagte Herr Walker.
„Not und Armut allein machen noch unglücklicher“, erwiderte Anne Schmidt.
„Naja, bei mir sieht es so aus, dass ich seit Jahren trotz allem, was Sie hier sehen es nicht geschafft habe glücklich zu werden“ verteidigte er seine Meinung.
„Vielleicht liegt es nicht am Geld, sondern an den Umständen, wie dem Tod Ihrer Frau und ihres Sohnes, zum Beispiel?“
„Wissen Sie, Frau Schmidt, es war und ist nicht einfach für mich. Ich habe alles verloren. Und das Geld nützt mir gar nicht. Ich hätte lieber all dieses Geld nicht gehabt und meine Frau, meine Tochter und meinen Sohn behalten. Hätte der liebe Gott mich gebeten, zwischen meiner Familie und dem Geld zu wählen - ich hätte meine Familie genommen, ich hätte meinen Sohn gewählt und alles anderes weg geschmissen. Was hilft Ihnen alles Geld der Welt, wenn die Seele weint?“, sagte er ganz traurig.
Und fuhr fort –
„Es würde Ihnen nicht helfen. Sehen Sie, ich habe dieses Haus mit meiner Frau gekauft. Sie hat alles entworfen. Viel gekauft, bestellt. Tag und Nacht sich Gedanken gemacht. Sie ist um die Welt gereist, um Kleinigkeiten für das Haus zu ersteigern. Unsere Ehe wäre fast in die Brüche gegangen, nicht weil es am Geld mangelte, nein, gerade weil es zu viel Geld gab. Wir wollten einfach alles kaufen und auch immer genau das, was man nicht hier hatte. Es war einfach Stress, Stress und wieder Stress. Und nun? Sie hat nicht einmal eine Nacht hier verbracht. Sie ist weg und das Haus steht immer noch. Mein Sohn wollte vor einem halben Jahr auch so ein Haus wie meines kaufen, hier in der Nähe. Er kam und bat mich, ihm dabei zu helfen. Er wollte nicht mehr am Woog leben. Als anerkannter Rechtsanwalt aus einer reichen Familie würde er gern ein prestigeträchtiges Haus kaufen. Er hoffte auch, dass er damit seine Ehe festigen könne. Er verstand nichts, als ich ihm sagte: „Weil ich dich liebe, mein Sohn, kann und werde dir nicht helfen. Wenn es um ein Familienhaus für 500.000€, oder auch 800.000€ ginge, würde ich dir das Geld sofort geben. Geld ist ja genug da. Aber eine Villa für fast 3 Millionen Euro, 3 Stockwerke plus Dachboden, mit 6 Schlafzimmern, 5 Bädern, 3 Gästetoiletten, 6 Balkons, 2 Küchen, 3 Wohnzimmern und so vielem mehr, für nur 4 Personen? Nur weil du Prestige willst, kann das dir nicht guttun, sogar wenn du selbst das Geld dafür hättest.“ Er verstand nicht und war wütend auf mich. Er verstand nicht, dass gerade so ein Haus seine Ehe zerstören würde. Er verstand nicht, dass gerade so ein Haus seine Seele vergiften und verwirren und ihn sehr einsam machen würde. Sein schon leerer Körper würd noch leerer sein. Er war wütend und ist ausgerastet und einfach gegangen. Er war 6 Monaten lang sauer und wollte nicht mit mir reden. Er wollte mich auf diese Weise erpressen. Aber da ich ihn liebte, blieb ich hart und das Haus wurde an jemand anderen verkauft. Der Käufer will aus dem Haus nun mehrere Wohnungen machen und vermieten. Ich habe gerade mit ihm geredet, als Sie kamen. Ich habe ihn gefragt, warum er das Haus umbauen und mehrere Wohnungen daraus machen will. Wissen Sie, was er gesagt hat? Er hat gesagt: „Herr Walker, seien Sie ehrlich, wer kann in so einem Haus glücklich sein? Wenn vielleicht eine Familie mit 8 Kindern Interesse und Geld dafür hätte, okay. Aber so ein Haus für nur 3 Personen? Für mich, meine Frau und mein Kind? Nein, das kann nicht glücklich machen. Ich spreche aus eigener Erfahrung. In 3 oder 4 Zimmerwohnungen mit großem Garten werden Familien glücklicher.“ Sehen Sie? Das ist ein Mann mit Lebenserfahrung. Er meinte genau das gleiche wie ich.“
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