Hatte er auch dieses komische Gefühl in meiner Gegenwart? Fühlte er sich ebenso zu mir hingezogen wie ich mich zu ihm?
„Wir sehen uns bestimmt noch. Mach‘s gut.“, hörte ich Jenny sagen als sie vom Tisch aufstand um zurück in die Klasse zu gehen.
Phil verabschiedete sich ebenfalls, nahm meine Hand und zog mich mit sich aus dem Sessel. Er schien es eilig damit zu haben mich aus der „Gefahrenzone“ zu bringen. Er hatte sonst nie einfach so meine Hand genommen, außer wir waren unter uns und Jenny war nicht in der Nähe.
Es war mir unangenehm, dass Brian Phil und mich Händchen haltend von ihm weggehen sah. Ich drehte mich noch einmal kurz zu ihm um einen letzten Blick zu erhaschen. Er sah auf Phils und meine Hand, die ineinander lagen und senkte seinen Blick wieder auf sein Buch. Ich konnte nicht deuten, was diese Geste für ihn bedeutete. Ich wusste nicht, ob es ihn störte Phil und mich als Pärchen zu sehen oder ob es ihm gleich war. Ich hätte so gerne gewusst, was er in diesem Moment, als er uns Hand in Hand davongehen sah, dachte. Insgeheim wünschte ich mir, dass er sich vorstellte er würde meine Hand halten und mit mir davon gehen.
Den ganzen Nachmittag über hatte Phil nicht ein Wort mit mir gesprochen. Jenny hingegen hörte nicht auf zu plappern. Sie schilderte uns ihren Eindruck von Brian so detailliert wie es ihr nur möglich war. Er gefiel ihr, das stand außer Frage. Ich konnte mir kein Mädchen vorstellen, das nicht Gefallen an ihm fand. Er war verdammt gut aussehend, höflich und sehr zuvorkommend. Mehr brauchte man nicht zu wissen um sich in jemanden zu verknallen. Ich hörte ihr halbherzig zu und nickte ab und an mit dem Kopf um ihr zu signalisieren, dass ich ihren Ausführungen folgte. Doch meine Gedanken kreisten nur noch um diesen Jungen, den Traum, die Blicke, die er mir zugeworfen hatte und die Berührung seiner Hand, die mich so aus der Bahn warf. Ich hoffte ihn noch einmal nach dem Läuten der Glocke zu sehen, doch ich wusste, dass der erste Tag in der Valley High von Leistungstests und Einstufungen gespickt war, was auch erklärte, warum er noch nicht in der Klasse aufgetaucht war. Ich nahm an, dass er wahrscheinlich schon etwas früher gehen durfte und uns daher nicht mehr über den Weg lief.
Phil fuhr zuerst Jenny, dann mich nach Hause. Bevor sie ausstieg erinnerte sie mich noch an unseren Mädchenabend. Ich nickte und stimmte der Uhrzeit zu, zu der sie bei mir auftauchen wollte.
Als ich alleine im Auto mit Phil saß, wurde mir bewusst wie verletzend und unangenehm die Situation heute Mittag für ihn gewesen sein musste. Es war offensichtlich, dass dieser Junge mich interessierte. Mein ganzes Verhalten in den letzten Stunden seit unserer Begegnung war zu eindeutig um es abstreiten zu können. Ich wollte das Eis brechen und mich mit ihm über mein schlechtes Verhalten aussprechen. Doch als ich ansetzte um das Gespräch zu beginnen, standen wir auch schon in meiner Einfahrt.
„Bonnie, was auch immer da heute los war. Es ist okay.“
Also damit hatte ich auf keinen Fall gerechnet. Es war okay für ihn? Er wusste ja nicht mal was in mir vorging.
„Er ist neu hier und es muss sehr interessant für dich und Jenny sein mal ein anderes hübsches Gesicht als meines zu sehen.“ Er lächelte sanft. Doch sein Blick blieb weiterhin auf das Lenkrad gerichtet.
„Bitte versprich mir nur eins. Mach keine Dummheiten. Solche Schwärmereien sind schneller wieder vergangen als sie aufgekommen sind. Aber das was wir haben ist um ein Vielfaches wertvoller. Findest du nicht?“ Diesmal sah er mir direkt in die Augen.
„Natürlich. Es tut mir leid, wie ich mich heute verhalten habe. Es war einfach nicht richtig. Und keine Sorge, ich schwärme nicht für ihn. Du brauchst dir wirklich keine Gedanken zu machen.“
Ob er mir das abnahm?
„Ich mache mir keine Sorgen. Ich vertraue dir.“
Er küsste mich auf die Stirn.
„Wir sehen uns Montag wieder, okay?“
„Okay, bis dann.“
Er parkte aus und fuhr die Straße hinunter zu seinem Haus.
Irgendwie freute ich mich auf den Mädelsabend mit Jenny. Auch wenn meine Stimmung durch das Erscheinen des Jungen aus meinem Traum getrübt war, so erkannte ich doch die Möglichkeit etwas daran zu ändern. Ich würde mit Jenny über alles sprechen, ich würde ihr von meinen Träumen erzählen und wie ich mich dabei fühlte. Und alleine schon, dass ich mit jemandem darüber sprechen konnte würde mir schon genug helfen die ganze Sache zu vergessen. Jenny würde mir bestimmt den richtigen Ratschlag geben, der mich wieder zur Vernunft brachte.
Ich bat Mom heute Abend mein Zimmer zu meiden, ich wollte mit Jenny alleine sein und ungestört über alles reden. Es war keine Frage, dass meine Mutter uns den gewünschten Freiraum ließ. Wie immer bestellte sie für 21:00 Uhr Pizza, da sie wusste, dass wir nach unseren Redeorgien stets sehr hungrig wurden.
„Soll ich für heute noch etwas besorgen? Wollt ihr was zu knabbern oder etwas Süßes?“
„Nein danke Ma. Ich denke wir haben alles was wir brauchen.“
„Okay, dann schick ich Jenny zu dir rauf wenn sie da ist.“
„Ja, danke!“
Ich schloss die Tür hinter mir und ging zu meinem Schreibtisch. Ich hatte die Zeichnungen von Brian, oder dem Jungen aus meinem Traum, also Brian (oh Gott wie verwirrend das Ganze doch war) dort vor Jenny und Phil versteckt.
„Phil…“, seufzte ich. Er war einfach unglaublich. Er vertraute mir blind und gleichzeitig zeigte er mir wie verletzt er durch mein Verhalten war und wie sehr es ihn schmerzen würde wenn ich dieser Schwärmerei, wie er sie bezeichnete, weiter seinen Lauf nehmen ließ. Er war schon etwas Besonderes.
Ich legte sie eine nach der Anderen auf das Bett um sie Jenny zu zeigen. Ich wollte nicht lange um den heißen Brei reden und dachte wir könnten ja gleich zum Wichtigsten an diesem Abend kommen. Ich betrachtete die Zeichnungen noch einmal genauer und stellte fest, dass ich ihn wirklich sehr gut getroffen hatte. Vielleicht steckte ja doch ein künstlerisches Talent in mir.
Ich hörte ein leichtes Klopfen an meiner Tür. Die Bilder legte ich auf einen Stapel Zeitschriften neben meinem Bett und ging zur Tür. Als ich sie öffnete stand Jenny ungeduldig von einem Fuß auf den anderen wippend vor mir.
„Hey. Ich sag dir, ich hab mich schon sooo auf heute gefreut. Überhaupt nachdem was heute passiert ist. Wir müssen unbedingt darüber reden was heute los war.“
Sie hatte mein Verhalten während ihrer Flirt-Tirade doch bemerkt. Es war ja auch wirklich nicht schwer zu erkennen, dass da etwas in mir war, das sich zu dem Jungen hingezogen fühlte.
„Ja, ich weiß. Ist es dir also auch aufgefallen.“
Ich schämte mich ein bisschen und senkte meinen Blick auf den Boden. Meine große Zehe zog kleine Kreise über dem Teppichboden.
„Was meinst du aufgefallen? Der ganzen Schule ist es aufgefallen!“
Ich sah sie überrascht an.
„Was meinst du mit der ganzen Schule ist es aufgefallen?“
War mein Interesse an dem Neuen wirklich für Alle so deutlich zu sehen? Meine Wangen färbten sich in einem tiefen rot.
Jenny sah mich nicht direkt an. Während sie sprach bewegte sie sich gekonnt durch mein Zimmer und platzierte ihren Rucksack direkt neben meinem, gleich an der rechten Seite des Schreibtisches.
„Na, dass Brian etwas für mich übrig hat. Ich dachte mir ja gleich, als ich ihn das erste Mal gesehen habe, dass er perfekt zu mir passt.“
Ich schluckte hörbar laut ein zwei Mal bevor ich dazu ansetzte Jenny eine Antwort auf Ihre unvergleichlich naive Aussage zu geben. Doch bevor ich auch nur ein Wort sagen konnte führte sie ihren Monolog bereits fort.
„Ich meine, alleine schon wie er mich angesehen hat. Es war nicht zu übersehen wie er mich von oben bis unten gemustert hat.“
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