„Ich halte nach unserem Mitwanderer Ausschau.“
„Immer in derselben Richtung? Sitzt dort jemand alleine?“
„Nein, da sind überall Wandergruppen, mindestens zwei Leute, aber nie jemand alleine. Schade, dass wir unterwegs nicht näher an ihn herangekommen sind, um ihn jetzt besser erkennen zu können.“
„Was ist das Besondere an der Gruppe, die Du im Auge hast?“
„Du bist hartnäckig.“
Rosalia grinst über beide Ohren. „Ich bin Polizistin.“
Julia gibt ein kleines Lächeln zurück. „Na gut. Da sitzt einer dabei, der ständig zu mir hinüber schaut.“
„Das könnte er von Dir auch behaupten. Kann es sein, dass er Dich kennt?“
„Wüsste ich nicht. Dienstlich ist es ja nur ein Zufall, dass ausgerechnet ich von der Polizei hier bin. Und privat ist er mir unbekannt.“
„Gefällt er Dir? So rein privat.“
„Hörst Du mit dem Grinsen auf?“ Dabei kann sich Julia selbst ein Grinsen nicht mehr verkneifen. Gemeinsam fangen sie an, zu lachen. Dann wechseln sie das Thema.
Rechtzeitig zur Hüttenruhe richten die beiden Frauen ihre Lager ein. Jede zieht ihren „Hüttenschlafsack“ - welches einem Schlafsack-Inlett entspricht - unter die bereitliegende Decke und über das Kopfkissen. Julia schaut sich zu den Mitschläfern im Raume um, die sich ebenfalls für die Nacht vorbereiten. „Ist Deine Bekanntschaft hier dabei?“
Rosalia schüttelt den Kopf. „Hier nicht. Zuletzt ist er mir zum Zähneputzen hinterher geschlichen. Aber untergebracht ist er woanders. Und Deiner?“
„Was heißt hier Deiner ? Es geht um die Frage, wer außer uns auf den Spuren von Kevin Schulte unterwegs ist.“
„Ist klar. Hast Du ihn noch einmal gesehen?“
„Nein. Er muss ebenfalls in einem anderen Zimmer untergebracht sein. Wann stehen wir auf, wann starten wir?“
„Pünktlich, würde ich sagen.“
„Pünktlich. Geht klar, Rosalia.“
Lachend schlüpfen die beiden in ihre Schlafsäcke und stecken sich Ohrstöpsel ein. Dann sorgen die in dieser Höhe dünnere Bergluft, die heutige Wanderung und das gute Essen dafür, dass es mit dem Schlaf nicht lange dauert.
4.10 Der Abend in Heidelberg
Roland Zimmermann sitzt in seinem Büro im Dachgeschoss seines Reihenwohnhauses. Ein schwacher Lichtschein der Abenddämmerung dringt von draußen durch das kleine Dachflächenfenster hinein. Die einzige Lichtquelle im Zimmer ist der Bildschirm des Laptops. Den Kopf in seine Hände gestützt, liest er sich immer wieder die Zeilen der Internetseite durch, die er gestern Nachmittag gefunden hatte. Und vor allem den Schlüsselsatz: Die festgestellten Zusammenhänge werden im Rahmen von Gegenimpfungen überprüft .
Wie geplant, hat er heute bei dem Institut für innovative Heilmethoden angerufen. Während des Vormittages konnte er sich in einen entlegenen Bereich des Betriebes zurückziehen und hat die auf der Internetseite angegebene Durchwahlnummer von Franziska Vaillant gewählt.
Das Drama nahm direkt seinen Lauf, als sich nicht die gewünschte Person meldete, sondern die Stimme eines zunächst freundlichen Mannes. Auf die Frage nach Frau Vaillant hieß es, sie würde dort nicht mehr arbeiten. Wie er sie erreichen kann, könne er ihm nicht sagen. Weder privat, noch dienstlich.
Eigentlich interessieren ihn weniger die Frau als die Forschungsergebnisse zur Heilung von Diabetes. Die Forschung sei aber mit dem Verlassen von Frau Vaillant aus dem Institut eingestellt worden. Ergebnisse seien seinem Gesprächspartner nicht bekannt.
Irritiert hat er das Gespräch beendet. Noch von seinem Arbeitsplatz aus hat er begonnen, im Internet nach Franziska Vaillant zu recherchieren. Aber es gab nichts Verwertbares zu finden außer dieser einen Internetseite. Auch die Suche nach Wohnort oder Telefonnummer blieb erfolglos.
Mit dem Finger streicht er über die Zeilen. Sein einziges Stück Hoffnung besteht aus ein paar Pixeln auf dem Bildschirm. Zwar nur ein Text, aber real. Er bildet sich nicht ein, was dort steht. Es hat eine ebenso reale Person verfasst und dort abgelegt. Doch die Suche nach ihr und ihren Ergebnissen steckt in einer Sackgasse.
Roland Zimmermann greift nach seiner Computermaus und scrollt den Bildschirm hoch und runter, verzweifelt auf der Suche nach zusätzlichen Hinweisen. Die weiteren Internetseiten des Institutes beschäftigen sich mit vielen Erkrankungen und Heilungsansätzen, aber nicht ansatzweise mit Diabetes.
Die weiteren Klicks führen ihn über die Kontaktseite zur Inhaberin des Institutes, Beryl Summers. Mit ein paar Worten ist ihre Vita beschrieben und ein Foto hinterlegt. Ernst und zumindest mit dem Anschein von Seriosität schaut ihn eine Frau von Mitte 30 an, mit intensiven, wahrscheinlich bildlich nachbearbeiteten blauen Augen und kurzem blonden Haar.
Er starrt sie an, als würde sie ihm gegenüberstehen. Er kommt zu dem Ergebnis, dass nur dies die Lösung sein kann: Ihr in der Realität gegenüber zu stehen, Auge in Auge, um die Wahrheit zu erfahren, was es mit der Forschung und der Frau Vaillant auf sich hat. Als Inhaberin des Institutes wird sie ihm Antworten geben müssen.
Ein Anruf kommt für ihn nicht mehr in Frage. Er recherchiert über einen Routenplaner die Adresse und die Strecke. Bis zu dem Ortsteil südlich von Heidelberg wären es 50 Kilometer. Dank der Autobahn A 5 wäre das in 40 Minuten zu schaffen.
Morgen ist Freitag. Er wird sich frei nehmen, irgendwie. Länger zu warten, kommt nicht in Frage. Er muss erfahren, wo er dran ist.
Seine Insulinpumpe meldet sich. Er greift nach dem Gerät in seiner Hosentasche. Auf dem Display ist erkennbar, dass sein Blutzuckerwert massiv ansteigt und soeben die Marke von 250 überschritten hat. Automatisch wurde längst die Insulinzufuhr erhöht, aber aufgrund der verzögerten Wirkung kann dem schnellen Anstieg nicht ausreichend entgegengewirkt werden.
Gegessen hat er nichts. Es muss der Stress und ein wenig Panik sein, die seinen Wert nach oben treiben. Auch deshalb sieht er keine andere Wahl, als sich am nächsten Tag auf den Weg nach Darmstadt zu dem Institut zu machen.
Noch ein Blick auf den Bildschirm, dann schaltet er das Gerät ab. Er begibt sich durch das dunkle Treppenhaus leise eine Etage hinab in das Schlafzimmer. Dort ist seine Frau bereits eingeschlafen. Von seinen Recherchen und Plänen hat sie nichts mitbekommen.
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