„Wer IST Carmen?“
„Carmen ist das entsetzlichste Model, das ich jemals vor meinen Linsen hatte. Untalentiert, unerotisch, ein selbstwertfreies, stummes, beinahe uninteressiertes, auf jeden Fall aber uninteressantes Mädchen, wenngleich sehr hübsch und gut gebaut. Aber ich hätte genauso gut meine Badewannenquietschente fotografieren können. Sie versprüht den Sex einer aufblasbaren Puppe.“
„Okay, du hast sie also fotografiert. Und? Wo sind die Bilder? Ist etwas daraus geworden?“
„Ich habe die Bilder nicht mehr. Mein Auftraggeber hat Carmen einen Vertrag mitgegeben, in dem klipp und klar vermerkt war, dass sämtliche Originale einschließlich aller Arbeitskopien sofort nach Ende des Fotoshootings auf einen Speicherstick gebrannt werden und direkt an den Auftraggeber gehen sollten. Aber das Fotoshooting war so scheiße, dass ich ohnehin keine Lust hatte, die Bilder zu behalten oder nachzubearbeiten. Ich habe vertragsgemäß alles gelöscht.“
Laura saß mir gegenüber, hatte sich nach vorne gelehnt und ihren Kopf auf die Arme gestützt.
„Hast du dein Geld bekommen?“
„Ja, habe ich. Carmen kam mit einem Kuvert hier an, die ganze Summe in bar!“
„Na, dann ist die Welt doch heil und in Ordnung. Was hältst du davon, wenn du mich zum Essen einlädst, ich habe richtigen Hunger bekommen.“
„Gerne. Aber du hast leider nicht ganz Recht, die Welt ist gar nicht in Ordnung.“
„Wie?“
„Der Anruf vorhin, das war er wieder. Mein Auftraggeber. Besser, mein unzufriedener Auftraggeber.“
„Will er sein Geld zurück? Gut, dann lade ich dich zum Essen ein, du bezahlst die Getränke.“
Laura drückte ihre Zigarette aus und erhob sich.
„Erzähl es mir am Weg. Sushi?“
„Gerne!“
Wir machten das Studio klar, verstauten alles, Lichter aus, rein ins Auto. Laura fuhr und sie fuhr wie immer zu schnell.
„Also?“
„Also: der Typ findet die Fotos wohl genauso scheiße wie ich selbst. Nur schiebt er das nicht Carmen, sondern auf mich als Fotograf!“
„Was?“
„Ja, genau! Er meinte, es sei meine Schuld, dass Carmen nicht in Stimmung gekommen sei. Er hätte diesbezüglich auf meine Professionalität vertraut.“
„So ein Unsinn!“, unterbrach sie mich. „Ich hoffe, du hast einfach aufgelegt!“
„Habe ich nicht. Halt mich für verrückt, aber ich kann es nicht ändern. Der Typ hat mich mit seiner Stimme und mit einer offenbar unverrückbaren Überzeugung geradezu hypnotisiert.“
„Er hat dich hypnotisiert?“
„Ja!“
Wir waren angekommen, Laura parkte schwungvoll ein.
Das Restaurant war eines unserer Stammlokale. Der Besitzer begrüßte uns wie immer grinsend, wies uns rasch einen Tisch am Förderband zu.
Wenig später standen zwei Gläser Rotwein vor uns.
„Das kann ich jetzt gut gebrauchen!“
Ich hob mein Glas und prostete Laura zu.
„Ein Joint wäre auch nicht verkehrt.“
„Lass uns anschließend zu mir fahren, ich habe da etwas, das du noch nicht kennst. Auch hypnotisch, auf gewisse Weise.“
Laura hatte ein paar merkwürdige Freunde von der Sorte, wie man sie besser nie persönlich kennen lernt. Aber sie war dafür stets versorgt mit beinahe allem, was Gott und besonders der Gesetzgeber verboten hat. Allerdings war ich schon am Ende meiner Drogenkarriere angelangt. Ich hatte mich von meinem schlimmsten Feind verabschiedet. Kokain war nie gut gewesen, hatte nie eingehalten, was mir versprochen wurde.
Alles, was mir geblieben war, waren gelegentliche Joints.
Ich erzählte Laura also den Rest der Geschichte, sie schüttelte immer wieder den Kopf und schob sich eine Portion nach der anderen in ihren sinnlichen Mund.
„Okay“, meinte sie am Ende meines Vortrages. „Du hast dich also dazu breitschlagen lassen, es nochmals zu versuchen. Besser noch, du hast Befehle angenommen von jemandem, den du nicht kennst und der dir gedroht hat? Ich sollte meinen Respekt vor dir verlieren angesichts solcher Neuigkeiten.“
Sie grinste bei diesen Worten. Ich wusste, sie meinte es nicht so. Wahrscheinlich war sie sogar in mich verliebt. Wir hatten aber nie über dieses Thema gesprochen. Außer gelegentlichen Sex oder Oralverkehr lief nichts zwischen uns.
„Ich bin mir nicht sicher, ob das eine Drohung war. Aber das war auch gar nicht mehr die Frage, meine Süße. Habe ich schon erwähnt, dass die Gage zehntausend Euro beträgt. Bar!“
„Wie bitte?“
Lauras Mund stand weit offen, Reis fiel zurück auf die kleine Schale in ihrer Hand.
Ich mochte Lauras Wohnung.
Es handelte sich um eine sehr gelungene Mischung aus postmoderner Aufgeräumtheit und der urgewaltigen Gemütlichkeit einer Bauernstube asiatischer Provenienz. Wir lagen um einen etwa dreißig Zentimeter hohen Tisch herum auf riesigen Polstern, Decken und Teppichen unterschiedlichster Farben, Formen und Herkunft.
Laura drehte gerade den nächsten Joint und übertrieb dabei wie immer. Mischung und Dimensionierung waren bestenfalls für eine mittlere Elefantenherde anberaumt, und zwar für den festen Vorsatz, sie zu töten.
„Du hast gemeint, Carmen wäre hübsch, richtig?“
„Hm“, machte ich und griff nach dem mir dargereichten Joint. „Unter ihrem grässlichen Make-up und gut versteckt durch die noch grässlicheren Klamotten steckte da ein hübsches Mädchen mit einer Wahnsinnsfigur. Die Schminke hat sie sicherlich älter wirken lassen, aber ich schätze sie auf Dreißig. Sie scheint viel Sport zu betreiben, ihrer Figur nach zu schließen. Sie ist etwa 1,70 Meter groß, die ganze Länge fast nur Beine. Und richtig fette Titten, richtig große Glocken, mindestens 80D!“
„80D klingt nach Silikon.“
„Ganz bestimmt. Die Dinger haben einfach zu perfekt ausgesehen. Sie haben sich nicht mal bewegt, als sie sich nach vorn gebeugt hat. Warum lässt sich eine Frau die Brust vergrößern, die offenbar beschlossen hat, ihre natürliche Erotik völlig zu verstecken?“
„Keine Ahnung“, meinte Laura. „Aber vielleicht hast du sie eingeschüchtert. Hast du den Perversen raushängen lassen während des Fotoshootings? Vergiss nicht, sie ist kein Profimodel, für sie sind Kraftmeiereien wie das, was du so manchmal von dir gibst, wahrscheinlich nichts, was sie im Alltag zu hören bekommt.“
„Hey, was meinst du damit? Bin ich etwa ein Perverser?“
„Pssst!“
Mit einem Finger an ihren Lippen unterbrach sie mich.
„Du solltest dich manchmal selbst hören, vor allem mit Lena, deinem Lieblingsmodel. Ich stehe da oft hinter dir im Studio und möchte den Agenturfritzen am liebsten die Ohren zuhalten, verstehst du? Ich glaube manchmal, die Leute buchen dich nicht wegen sondern trotz deines Umgangs mit den Mädchen.“
„Wirklich?“
Ich spielte den Ungläubigen.
„Ich habe es dir nie erzählt, aber Melanie, die Blonde von Vichy, die wir vor zwei Monaten fotografiert haben ...“
„Ich kann mich noch gut an sie erinnern!“
„Du dauergeiles Schwein! Ich weiß, dass du dich noch erinnern kannst! Also, Melanie kam in einer Rauchpause zu mir und fragte mich ernsthaft, ob du immer so ein Wichser wärst und hatte den Verdacht, du würdest mich als deine Assistentin sicher regelmäßig vergewaltigen.“
„Wahrscheinlich sollte ich das auch.“
„Siehst du? Du hast so viel Schmutz in deinem Hirn, du hättest eigentlich in die Pornobranche einsteigen sollen, anstatt harmlose Unterwäschemodels mit deinen Perversionen zu erschrecken.“
Bestimmt!
Da hatte Laura sicher Recht!
Ich wäre heute der König der Pornographie, darauf kannst du wetten.
„Was ist, willst du mit mir schwitzende, dampfende, fickende, leckende Körper ablichten, kleine Laura? Ich würde dich auch hin und wieder vergewaltigen, okay?“
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