Jacques Varicourt - Die Delphin Therapie

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Die Delphin-Therapie: Provoziert, schockiert und fasziniert.
Ein Hotel, eine Bahnhofskneipe, verwirrte Zeitgeister, sowie die Tagespolitik, vermischt mit Suff und jeder Menge Sex, versuchen Deutschland neu zu bewerten. Alles wird in einem neuen Licht betrachtet, ohne dabei auf Altbewährtes zu verzichten.

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Bahama-Thomas atmete schwer, er konnte nicht sofort auf meine Frage antworten, er wischte sich den Schweiß mit einem Taschentuch von der Stirn, bevor er zu mir sagte: „Fast alle, die die Delphin-Therapie mitgemacht haben, sind, quasi von heut` auf morgen, noch „beknackter“ als vorher, also bevor sie nach Florida geflogen sind.“ „Was?“ Sagte ich. Und ich sah Bahama-Thomas, nach diesen Worten, entsetzt ins Gesicht. Ich fühlte mich wie vom Donner gerührt, aber, ich war auch froh, dass ich die Delphin-Therapie „für mich selber“ nicht in Anspruch genommen hatte. Man muss auch mal Glück haben im Leben! - In diesem Sinne sagte ich zu ihm: „Das Ganze war aber, vom Ursprung her, „deine Idee“, nicht wahr?“ „Das stimmt durchaus! Aber ich habe es doch nur gut gemeint mit den Alkohol- und Drogenabhängigen, ich konnte doch nicht ahnen, dass es sich zu einem paradoxen medizinischen Fehlschlag entwickeln würde.“ - Für Sie, meine Lieben Leser, muss ich folgendes erklären: Das Paradoxon ist eine Erscheinung, die der „normalen“ Erwartung widerspricht. Ich bin übrigens nicht der erste Schriftsteller der sich dem Paradoxon widmet, und ich will hier, an dieser Stelle innerhalb der Satire, auch keinen „auf wichtig“ machen, damit es den Anschein hat, dass ich über einen größeren Bildungs-Horizont verfüge als irgendwer sonst, dennoch wollen wir einige Punkte festhalten: Bahama-Thomas hatte es mit der Delphin-Therapie also nur gut gemeint, - aus sozialen Gründen; außerdem gestand er mir gegenüber den Misserfolg der ganzen Aktion ein; dass er selber die Therapie im sonnigen Florida zuvor „nicht“ mitgemacht hatte, hatte Gründe, die er, weshalb auch immer, nicht unbedingt preisgeben wollte – so weit, so gut, oder auch nicht. Bahama-Thomas sagte plötzlich zu mir, während ich noch nach individuellen Erklärungen für den Misserfolg der Aktion suchte: „Weißt du überhaupt wie sich einige Betroffene aufführen seitdem sie wieder hier in Hamburg-Harburg sind? Kannst du dir das vorstellen? Kannst du das? Sag mal?“ „Nein,“ antwortete ich, „aber ich brenne förmlich vor Neugier, dass du mir darüber ein wenig erzählst, damit ich nicht doof sterbe. Also, leg schon los!“ „Das kannst du haben,“ sagte Bahama-Thomas, angesoffen und vom Alkohol sichtlich angeschlagen, zu mir; er steckte sich vorher jedoch eine Zigarette an, klemmte sich diese dann in den Mundwinkel, und sagte anschließend: „Da wäre z. B. Gichtkrallen-Bernd, der ist, und das musst du dir mal reinziehen, gestern morgen, in einer Wehrmachts-Uniform nach Paris geflogen, er wollte mit dem dortigen Präsidenten vertrauliche Gespräche führen, um ihn dann zu überreden, dass Frankreich sich an einem dritten Weltkrieg, auf deutscher Seite beteiligt.“ „Das glaube ich nicht,“ sagte ich erstaunt zu Bahama-Thomas. „Es ist aber die Wahrheit,“ entgegnete mir Bahama-Thomas. Und er fügte an: „Sein Busenfreund sowie Saufkumpan, Martin Wagenknilch, hat in einem Anfall, von völliger, geistiger Umnachtung, dem „Landesbischof“ erklärt, dass die letzten Worte von Jesus am Kreuz nicht: Vater vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun lauteten, sondern: Mehr Nägel, ich rutsche! – Tu dir das mal rein, Alter. Das ist doch ungeheuerlich! Ja, und für den ganzen Schlamassel, also für das Paradoxon mit der verdammten Delphin-Therapie werde „ich jetzt“ verantwortlich gemacht. Ich müsste mich rechtfertigen, hieß es, weil es noch viel schlimmere Verhaltensweisen sowie Aussetzer bei den Alkohol- und Drogenabhängigen gegeben hätte.“ Ich muss gestehen, nachdem Bahama-Thomas geendet hatte, da wurde mir so ein wenig schummerig. Denn, dass es einige gab, die es noch viel schlimmer als Gichtkrallen-Bernd und Martin Wagenknilch getroffen hatte, diese Vorstellung beunruhigte mich in der Tat. - Bevor Bahama-Thomas sich erhob und zum Container in die Knoopstraße latschte, sagte er noch zu mir: „Ich soll mich da jetzt gleich verantworten, die wollen mir auf den Zahn fühlen, eine: Beinah-Gerichtsverhandlung! Die wollen mich verurteilen. Allerdings, alles unter dem Ausschluss der Öffentlichkeit; nur ständige, oder un-regelmäßige Besucher des Containers sind zugelassen. Du musst somit, obwohl du nur stiller Beobachter wärest, draußen bleiben. Das ist nun mal so. Es ist so eine Art von Vereinspolitik. Da kann man halt nichts machen. Und tschüss!“ Kaum hatte er diese erschütternden, etwas wehleidig klingenden Sätze lallend ausgesprochen, da wankte er auch schon davon. Ich wünschte ihm noch viel Erfolg, aber er reagierte nicht mehr, denn der Alkohol hatte ihn bereits in seiner Gewalt, - Bahama-Thomas war randvoll.

Wie aber war es: Gichtkrallen-Bernd und Martin Wagenknilch ergangen, werden Sie sich jetzt bestimmt fragen, meine Lieben Leser, nicht wahr? Nun, Gichtkrallen-Bernd wurde auf dem Flughafen in Paris, von dem dortigen Sicherheitsdienst, verhaftet, man ließ ihn von einem deutschsprachigen Psychologen vor Ort untersuchen; es wurde ein kompliziertes Gutachten über seine Psyche erstellt, und dann setzte man ihn, in polizeilicher Begleitung, in den Flieger Richtung Hamburg, wo er vorübergehend in Gewahrsam genommen wurde, obwohl er heftigst dagegen protestierte. Martin Wagenknilch hingegen bekam lediglich eine Anzeige wegen: Gotteslästerung, ferner musste er, sozusagen aus strafbedingten Gründen, als „Vorkoster“ bei Macdonalds- und in einem besonders verdreckten Döner-Imbiss, eine Woche lang arbeiten, das tat er auch, bis er sich so dermaßen erbrach, dass ihm im Krankenhaus der Magen ausgepumpt werden musste, weil die Ärzte von einer schweren Lebensmittelvergiftung ausgingen. Als ich das alles im Hotel Lüders berichtete, sagte Arthur Grisham, mit schüttelndem Kopf, zu mir: „Das ist „Realität“ pur, was du da erzählst, aber es ist wohl auch ein Teil der politischen Entwicklung in Deutschland? Hartz IV treibt die Leute systematisch in die soziale Katastrophe.“ Patricia, seine Gattin, ergänzte ihn insofern, dass sie sagte: „Ja, wenn diese Regierung nicht bald gestürzt wird, dann sehe ich ganz schwarz, und das meine ich keineswegs bezogen auf die von mir eben genannte Farbe: Schwarz. Oh, nein! So meine ich das bestimmt nicht! Schwarz steht in diesem speziellen Fall für die Beerdigung der Demokratie und des freien Denkens, sie steht weiterhin für Sozialabbau, weil die senile Merkel und der schwule Außenminister Westerwelle die „pure Realität“ nicht sehen wollen, dafür sind sie einfach zu korrupt. Sie arbeiten mit der Industrie, welche die Niedriglöhne vorgibt, vermutlich enger zusammen, als das bisher bekannt war. Merkel und Westerwelle sind karrieregeile Wichser, denen fehlt die Verantwortung und der Anstand dem eigenen Volk gegenüber! Eine Ossifotze und ne` Tunte regieren Deutschland... Ich glaube ich muss mich gleich fürchterlich übergeben!“ „Sehr gut,“ sagte Arthur, „besser kann man es nicht formulieren,“ und küsste seine Frau dabei stürmisch, links und rechts, auf die leicht geröteten Wangen. Magda und all die anderen applaudierten sogar, ich und Bianca schlossen uns dem Jubel spontan an.

„Ja,“ sagte Magda, unsere ehemalige Straßenkämpferin und politische Vordenkerin, „die Zeit ist in der Tat überreif, um das alles noch zu ertragen, denn, was täglich mit Hartz IV Empfängern gemacht wird ist nicht nur schikanös, nein, es ist entwürdigend dem Arbeitssuchenden gegenüber. Werden wir also aktiv! Brennen wir die Arbeitsagenturen nieder! Das Feuer wird das Signal sein, dass wir Bürger: Uns nicht mehr alles gefallen lassen von den Schweinen, die sich Politiker schimpfen, das Maß ist voll. Sieg... äh, ach scheiße, jetzt sage ich das auch schon, dieses: Sieg..., das wollte ich doch gar nicht, aber manchmal gehen eben „auch mit mir“ die Pferde durch. Doch zurück zum Thema! Ich meine vielmehr, wir müssen den Kampf beginnen, bevor der Hass der Betroffenen sich wieder schlafen legt, und es sich dann keiner mehr traut, das Maul aufzumachen, denn, Augen zu und schlafen, das hat noch niemanden geholfen. Das ist meine Meinung!“ Wir alle stimmten diesen kraftvollen Worten zu – Magda hatte uns mal wieder rhetorische Höchstleistung dargeboten. Magda, ja, das war die Energie in der Sache, die scheinbar nicht versickern konnte, weil sie radikal und unbequem war. Sie hatte wirklich ein Gespür, sogar ein beachtliches Gespür für Ungerechtigkeit, ferner für die Betroffenen, für die, die sich nicht wehren konnten, und Magda war hierbei impulsiv, leidenschaftlich sowie voller Verachtung für die Politik, welche von Gerhard Schröder einst, gegen das eigene Volk, ins Leben gerufen worden war, und die von der CDU sowie der FDP genauso unfähig weitergeführt wurde, weil man sich abgesprochen hatte. In Harburg am Brunnen, und im Container in der Knoopstraße, gab es kaum- bis gar keine politischen Themen, die den Alltag ein wenig bereicherten, oder positiv durcheinander brachten, sodass etwas Schwung in die Bude kam. Man, also alle, hatten sich mit den bestehenden Verhältnissen irgendwie, mehr schlecht als recht, arrangiert – leider war das so. Aber wie sah das im Einzelnen aus? Ich will das mal so einfach wie möglich, für Sie meine Lieben Leser, erklären: Viele sammelten schon in der Frühe: Pfandflaschen. Oder sie arbeiteten bei zweifelhaften 1 Euro Job Anbietern, die vorwiegend von ebenso zweifelhaften Sekten und korrupten, ausrangierten Parteivorständen unterstützt wurden, „Passage“ in Harburg sei hier vordergründig genannt. Und es waren diese Sekten, oder von mir aus Glaubensgemeinschaften, die sich mit den Arbeitsagenturen und Politikern der traditionellen Parteien zusammengetan hatten, damit die Arbeitslosenstatistik, Monat für Monat, stimmte. Klartext heißt das: Hier wurden, mit dem Einverständnis der Regierung, welche aus CDU und FDP bestand die offiziellen Arbeitslosenzahlen gründlich frisiert, demzufolge auch abgesegnet. – So etwas, also die Wahrheit über die wirkliche Lage auf dem Arbeitsmarkt, las man z. B. „nicht“ in der überparteilichen Bildzeitung, die hetzte lieber nach altbewährter Methode „gegen“ die Arbeitssuchenden, gegen die Unterschicht, gegen Kinderarmut (die Bildzeitung zweifelte, ebenso wie der schwule Hamburger Bürgermeister Ole von Beust, die Armut von Kindern und deren Familien sogar an) und gegen Leute, die auf Suppenküchen sowie Kleiderkammern angewiesen waren, weil das Hartz IV Geld nur bis zum zwanzigsten eines Monats reichte, daran geilte sich die Bildzeitung auf. Die Bildzeitung gab, genauso wie die/der Leser der Bildzeitung, sehr, sehr regelmäßig, zusammen mit dem beschissensten TV Sender der Welt, RTL, den Arbeitssuchenden selber, und das nach wie vor, an deren Misere die Schuld. Gott sei Dank glaubte das nicht jeder, vor allem die Betroffenen nicht, die waren schlauer geworden.

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