Jacques Varicourt - Die Delphin Therapie

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Die Delphin-Therapie: Provoziert, schockiert und fasziniert.
Ein Hotel, eine Bahnhofskneipe, verwirrte Zeitgeister, sowie die Tagespolitik, vermischt mit Suff und jeder Menge Sex, versuchen Deutschland neu zu bewerten. Alles wird in einem neuen Licht betrachtet, ohne dabei auf Altbewährtes zu verzichten.

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Während der Film lief, in Dolby Surround, - das nur mal so ganz nebenbei, flüsterte Bahama-Thomas in meine Richtung, an Bianca vorbei: „Meine Ilse, also, das ist schon ein ganz wildes Luder – die kann den Hals, ich meine, die Möse nicht voll genug bekommen, ich vermute, ich muss gleich noch mal ran? Gut, dass ich genug Viagra dabei habe!“ Sekunden später erhob sich Bahama-Thomas, griff erneut in den Kühlschrank, schnappte sich ne` Pulle Schampus und ging nach oben in die erste Klasse, ich hörte noch wie er die Tür verschloss. Ja, und wieder, ein paar Sekunden später, begann das wilde Gestöhne, lauter denn je zuvor. Und da dieses Gestöhne den Film irgendwie störte, erhob sich Gichtkrallen-Bernd wutentbrannt von seinem Platz und verschloss auch noch die Zwischentür zur ersten Klasse, welche die erste- und die zweite Klasse trennte, weil ihn und uns anderen der Bums in der ersten Klasse erheblich nervte, Bahama-Thomas und seine Ilse waren einfach nicht zu bremsen, sie waren zu laut. Nachdem Gichtkrallen-Bernd sich wieder hingesetzt hatte, fragte mich Bianca: „Wer ist das eigentlich, diese Ilse? Ist die auch am Brunnen in Harburg anzutreffen, oder etwa im Container in der weltberühmten Knoopstraße?“ „Nein,“ sagte ich, „mir ist die auch unbekannt, aber im Bett scheint sie eine Granate zu sein, wenn du mich so direkt fragst? Ich meine sie ist, also, so als Frau aus der Sicht des Mannes, ich meine damit lediglich, dass sie...“ Bianca wandte ihren Blick nach diesen Worten von mir wütend ab, und wir beide genossen den Film. Dennoch schlief ich so nach und nach ein. - Stunden waren vergangen, bis mir jemand, es war Bianca, heftig in die Wange kniff – ich erschrak, ich war urplötzlich wach. „Wir sind da, wir landen in wenigen Minuten in Miami, du Schlafmütze, es wird Zeit, dass du wach wirst,“ sagte meine treue Maus zu mir. Nachdem wir alle ausgecheckt hatten, und unser Gepäck in einem, von Bahama-Thomas organisiertem Bus verstaut worden war, fuhr man uns in eine abgelegene Gegend an die Küste. Schon aus der Ferne konnten wir sehen, dass es sich um Delphine, also um die Delphin-Therapie drehte, denn die Hinweisschilder waren eindeutig. Unter den Alkohol- und Drogenabhängigen kam es zu beispiellosen Beifallsstürmen, die nicht enden wollten, es wurde das Lied von Flipper, aus der bekannten Fernsehserie angestimmt, alle sangen begeistert, wenn nicht sogar ergriffen und völlig stoned mit. Dann hielt der Bus an. Die Alkoholkranken- sowie die Drogenabhängigen wurden, samt ihrem Gepäck, in Gemeinschaftszelten, welche sich in Strandnähe befanden untergebracht, in den Gemeinschaftszelten befanden sich frisch entwanzte Feldbetten. Bahama-Thomas hingegen bezog, in einem völligen Gegensatz zu den Alkohol- und Drogenabhängigen, zusammen mit der vollbusigen, dunkelhaarigen sowie sexgierigen Ilse, eine luxuriöse Villa: Inklusive Garten, inklusive Swimmingpool, inklusive Palmen, und inklusive eines täglich- variierenden Drei-Gänge-Menüs und inklusive geschultem Dienstpersonal. Ich und Bianca nahmen uns ein Doppel-Appartement in einem kleinen Hotel – dieses lag, mehr, oder weniger dicht am Strand, aber natürlich etwas abseits von den Alkohol- und Drogenabhängigen, denn die furzten, schnarchten und grunzten die ganze Nacht, wenn sie mal schliefen, ansonsten trieben sie es mit drittklassigen Prostituierten aus der Gegend, oder sie befriedigten ihre animalischen Bedürfnisse in der Brandung des Meeres.

„Zwei volle Tage sollen sich die Alkoholkranken und die Drogenabhängigen in der neuen Umgebung akklimatisieren, dann geht es mit ihnen aber ab ins Naturbassin, denn die Delphine, alle wie sie da sind, kommen schließlich nicht umsonst in das 150cm Meter tiefe Wasser bei der kleinen Bucht,“ so drückte sich Bahama-Thomas mir und Bianca gegenüber aus. „Glaubst du denn, dass die Delphin-Therapie den Alkoholkranken und Drogenabhängigen wirklich hilft?“ Fragte ich Bahama-Thomas. Und er antwortete: „Ja, logisch, Alter. Das siehst du doch an mir! Ich habe mich selten so geil, so cool drauf- und so relaxed gefühlt. Denn, als ich vor einigen Monaten alleine hier war, ohne dass irgendwer etwas davon mitbekommen hatte, Mann ey, das kannst du dir gar nicht vorstellen wie: Balla, balla ich da war, aufgrund von zu viel Alkohol, Drogen und Ersatzdrogen, ja und jetzt? - Ich will mich nicht wiederholen, doch jetzt bin ich das blühende Leben. Saufen, bumsen, fressen und andere herumkommandieren macht wieder Spaß, ich könnte die Welt erobern, Bäume ausreißen, Helden zeugen, ach, es ist ein herrliches Gefühl, ich liebe die Delphine dafür und ich liebe das Leben.“ - Anmerkend sei zu sagen, dass es zwei deutschsprachige Ärzte, sowie zwei Therapeuten gab, welche die Alkohol- und Drogenabhängigen an die Materie: Delphin, und die damit verbundene Therapie heranführten. Viele Alkohol- oder auch Drogenabhängige fürchteten sich nämlich vor den Meeressäugern, dass sie von ihnen gebissen, oder gar aufgefressen werden könnten, was natürlich völliger Unsinn war, aber die Gerüchte diesbezüglich wollten nicht abebben. Besonders Martin Wagenknilch und Gichtkrallen-Bernd hatten immer wieder neue Argumente, um nicht ins Wasser zu den Delphinen gehen zu müssen, doch dann, ganz plötzlich, überwanden sie ihre Angst und es kam zu einer ersten, durchaus positiven Begegnung mit den Delphinen, die die Menschen, besonders psychisch gestörte Menschen, gewöhnt waren, um diese dann mit ihren, fast schon magischen Fähigkeiten zu heilen.

Dass ich und Bianca zwischenzeitlich aus Florida, immer mal wieder im Hotel Lüders, in Altona-Ottensen anriefen, versteht sich von selbst! Es muss so am Ende der ersten Woche gewesen sein, als Bianca in den frühen Morgenstunden zum Handy griff, weil sie das Bedürfnis hatte mit Heide Lüders zu quatschen, ja, und als die Verbindung in die ferne Heimat stand, da führte sie ein halbstündiges Gespräch mit Heide, der anrüchigen, sexverrückten, teilweise übertrieben-obszönen Chefin des Hotel Lüders. Da ich keinen Bock hatte mir das Gespräch die ganze Zeit anzuhören, ging ich mit einem gut gekühlten Glas Lambrusco in der Hand auf den Balkon und beobachtete die mir wohlbekannten Patienten bei der Delphin-Therapie. Es war interessant zu sehen, wie sich die Alkoholkranken und die Drogenabhängigen ins Zeug legten; ganz offensichtlich waren die ersten Kontaktschwierigkeiten mit den „Flippers“ gänzlich überwunden worden, so dass die Ärzte und die Betreuer Erfolge verbuchen konnten. Witzigerweise konnte ich von unserem Balkon aus, unter Beihilfe eines Fernglases, die angemietete Villa von Bahama-Thomas einsehen. Und an jenem Morgen hatte auch Bahama-Thomas ein Fernglas in den Pfoten, er beobachtete die Drogen- und Alkoholkranken bei deren Therapie, anscheinend erfreute er sich an dem Anblick? - Jedenfalls lies sein breit grinsendes Gesicht darauf schließen. Immer wieder tauschte er mit der vollbusigen Ilse das Fernglas, und beide, so schien es, geilten sich an dem Anblick der Patienten auf. Ich glaubte sogar, durch den Wind begünstigt- und herangetragen an meine Ohren, so eine Art von abfälligem Lachen gehört zu haben, aber ich war mich nicht sicher, trotzdem, war es offensichtlich, dass Bahama-Thomas und Ilse sich tierisch über die Alkohol- und Drogenabhängigen amüsierten, weil die sich zum Teil so behämmert anstellten im Umgang mit den Delphinen... Und wenn ich ganz ehrlich bin, das Ganze, was da unten in der kleinen Bucht ablief, - ja, es hatte etwas Komisches, etwas Irreales an sich, und es ließ keinen Zweifel offen, dass hier und heute Medizingeschichte geschrieben wurde, die es bis dato bei unseren Drogen- sowie Alkoholkranken in dieser Form „so“ noch nicht gegeben hatte. Ich wollte mir, aus medizinischen Gründen, gerade noch ein zweites Glas Lambrusco eingießen, da sagte Bianca zu mir, die das Gespräch mit der Heimat beendet hatte: „Hast du Lust auf ein paar Nachrichten aus dem Hotel Lüders?“ „Ja,“ sagte ich, „immer her damit.“ „Also gut,“ sagte Bianca, „dann will ich mal anfangen. Ralf, unser Computerexperte, ist seit Tagen total besoffen, er weint, er winselt und er wollte in Ottensen eine eigene Kneipe kaufen, nur so für sich, – nämlich Möller, die Eckkneipe am Spritzenplatz, das ist der Grund für seinen Aussetzer. Doris, die Besitzerin, lehnte energisch ab als Ralf ihr von seinen Plänen berichtete, sie packte ihn nach seinem Angebot am Schwanz und setzte ihn vor die Tür, deshalb ist Ralf, alkoholtechnisch betrachtet, schon wieder dermaßen an seine psychischen- und physischen Grenzen geraten, so dass ein Arzt ins Hotel kommen musste, um ihn zu behandeln. Magda, seine hingebungsvolle, eigentlich immer verständnisvolle Gattin, soll, gegenüber Heide Lüders, von Scheidung gesprochen haben, bedingt durch diesen schlimmen Vorfall, welcher im Gesamtbereich Ottensen für Gesprächsstoff gesorgt hatte. Sie denkt deshalb über Scheidung nach, weil sie es mit Ralf einfach nicht mehr aushält, „er ist mein Untergang“, waren ihre Worte. Magda ist nämlich nervlich am Ende, sie nimmt starke Beruhigungstabletten; raucht Hasch, trinkt gelegentlich selber das ein- oder andere Gläschen über den Durst, damit sie nicht durchdreht, sie ist, um es dann dabei zu belassen, in einer bemitleidenswerten Situation. Doch komme ich nun auf die anderen zu sprechen. Patricia, Arthur und Bert Teufel wollen ein Theaterstück schreiben, - das heißt konkret, sie haben schon damit angefangen. Es ist ein Theaterstück mit politischen, wirklichkeitsnahen, aktuellen Elementen. Die drei wollen versuchen, den von Hartz IV betroffenen Bürger aufzurütteln, und die Studentin, Chantal sowie Kirstin nehmen, obwohl sie ackern wie die Blöden, so ganz nebenbei Schauspielunterricht, um in dem Stück eine Rolle zu übernehmen, damit das Stück, als solches betrachtet, eine gewisse Glaubwürdigkeit erhält, die der unwissende und angepasste Bürger, der dumm gemachte Bürger wohlgemerkt, zu spüren bekommt, - und damit der Bürger merkt, dass wir „alle“ endlich auf die Straße gehen müssen, um unsere Ziele durchzusetzen. Was sagst „du“ dazu, ist das nicht geil? Ist das nicht genial- und „echt“ wahnsinnig? Was hältst du von der Idee, die bereits im Anfangsstadium ist, mein Schatz?“ „Was ich davon halte willst du wissen? Ich sage nur: Gut, dass wir noch eine Woche Urlaub haben! - Das sage ich dazu! Denn, wenn wir heimkehren, gerade, weil wir alle mal wieder Geldprobleme haben, wird auf uns so manches zu kommen, darum lass uns die letzte Woche genießen, Probleme will ich im Moment nicht hören. Überlege doch einmal, Mäuschen, erst sollte, oder schon ein paar Mal, eine Partei gegründet werden, und jetzt muss ein Theaterstück herhalten für die Revolution der verarmten Leute, die trotzdem immer wieder die traditionellen Parteien wählen. Ich finde, man könnte sich mal auf „etwas“ einigen, das dann auch funktioniert.“ „Sei nicht immer nur pessimistisch!“ Ermahnte mich Bianca. Ich sagte daraufhin: „Vielleicht bin ich bisweilen pessimistisch, aber ich bin auch realistisch. Es ist mir nicht entgangen, dass die SPD unter 20% abgesackt ist und noch weiter absacken wird, weil sie die Leute zu oft belogen haben, und dass die CDU ohne die FDP nichts wäre, ja, auch das ist mir durchaus klar. Die Grünen und die Linkspartei gewinnen an Zulauf, weil sie die Hartz IV Reformen in ihren eigenen Wahlkreisen, also bei den Betroffenen, hautnah zu sehen bekommen – und das nicht erst seit gestern. Aber, der Bürger muss endlich kämpfen gegen die Hartz IV Scheiße, der Bürger muss sich wehren, er muss den Stein nehmen und ihn werfen, das ist meine Meinung!“ „Ich liebe dich,“ sagte Bianca, „so will ich dich haben. Stets kampfesbereit, national, korruptions-resistent und natürlich glaubwürdig. Was bist du doch nur für ein Mannsbild? - Das Theaterstück, zu dem du übrigens die Musik schreiben könntest, könnte wirklich etwas bewirken, glaube mir!“ Und Bianca hatte mal wieder recht. Ich durfte mich dem neuen Zeitgeist, der mit den vergangenen Bundestagswahlen zusammenhing, nicht widersetzen, ich musste meinen Beitrag leisten, ich fühlte mich geradezu verpflichtet und freute mich schon darauf, dass ich bald meine Gitarre im Hotel Lüders in die Hand nehmen würde, um dann ein Lied zu schreiben, dass uns alle anging, und ich machte mir schon mal Gedanken, wie ich den Titel gestalten würde, inhaltlich meine ich damit.

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