Johannes Neuhofer:
Die Jamu-Therapie
Redaktionelle Mitarbeit: Lauren Seywald,
Andrea Mittbrodt, Vanessa Sestits,
Richard Wald
Alle Rechte vorbehalten
© 2018 edition a, Wien
www.edition-a.at
Cover und Gestaltung: JaeHee Lee
Satz: Lucas Reisigl
ISBN 978-3-99001-298-7
eBook-Herstellung und Auslieferung:
Brockhaus Commission, Kornwestheim
www.brocom.de
Terima Kasih Sama Sama.
Sama Sama Terima Kasih.
(Danke.)
Vorwort
Einleitung
Die Muse von Jamu
Der Pflanzenflüsterer
Jamu sucht den Superstar
Jamu im Wandel der Zeit
Die Schönheit der indonesischen Frauen
Betharis Hilfe
Die Gurkenmaske aus der Natur
Schön essen
Das Geschäft mit der Schönheit
Jamu für die ganze Familie
Ein Baby für Buana
Merkwürdige Tradition
Der Sprung in die Männlichkeit
Merpatis geheimes Rezept
Das Elixier der Natur
Die Quelle der Heilung
Aberglaube und Realität
Möge die Macht mit uns sein
Die Zauberkunst der Zirbeldrüse
Neues aus der Drogenküche
Heilende Hände
Das Maß aller Dinge
Das Ende einer langen Reise
Anhang
Rezepturen aus
Indonesien
Mir gehen Dinge recht schnell unter die Haut. Romane, Songs, Stimmungen, Geschichten. Vielleicht liegt es daran, dass ich Dermatologe bin. Als Hautarzt darf man sich nicht nur auf die Symptome konzentrieren. Es braucht eine ganzheitliche Sicht, um Ursächliches zu erkennen. Den Blick fürs Wesentliche. Steht man zu nah vor der Mona Lisa, sieht man nur ihr Ohr oder die Nase oder die Stirn, nicht aber ihr Lächeln.
Mir gehen Gefühle recht schnell zu Herzen. Vielleicht liegt es daran, dass ich auch Allgemeinmediziner bin. Wie jeder andere Arzt versorge auch ich meine Patientinnen und Patienten mit bestem Wissen und Gewissen. Als Mediziner braucht es eine gesunde Dosis Pioniergeist. Die Suche nach neuen Ideen und Erkenntnissen, die Menschen helfen können. Dafür kann man sich als Arzt selber ein Rezept schreiben, auf dem steht: Bilde dich weiter, bleib nie stehen.
Und mir geht eines auf die Nerven: Engstirnigkeit. Pseudointellektueller Starrsinn. Vielleicht liegt es daran, dass ich Obmann der Bundesfachgruppe Dermatologie und stellvertretender Ärztekammerpräsident von Oberösterreich bin. Wissenschaft braucht Weitblick. Wenn ich mich kurz vorstellen und die Hand zum Gruß ausstrecken darf. Ich bin der Johannes.
Wenn wir uns ein bisschen besser kennen, werden Sie sehen. Medizin und Abenteuerlust müssen einander nicht beißen oder gar kategorisch ausschließen. Beides braucht den Mut zur Entdeckung. Alternative Praktiken zu erforschen, bedeutet, über den Tellerrand des Herkömmlichen zu schauen und Neues zuzulassen. Am Anfang steht die Neugier, am Ende die Erkenntnis. Weiße Flecken auf der Landkarte werden erschlossen.
Meine Reisen führten mich unter anderem nach Indonesien, ein Land der Gegensätze. Ein Land, das alle Sinne berührt. Wenn die Abgase der Autos an den Nasenwänden kratzen oder die Nase vom süßen Duft der exotischen Blumen umschmeichelt wird. Wenn der Blick über endloses türkisblaues Wasser schweift oder über ein nicht enden wollendes graues Häusermeer. Wenn sich Zehen in warmen Sand graben oder von hurtigen Stadtmenschen zerquetscht werden. Wenn der ewige Lärm im Ohr dröhnt oder es von unendlicher Stille verwöhnt wird. Dann weiß man, was Leben bedeutet. Bunt und vielseitig. Mit einer über tausend Jahre alten Tradition. Sie heißt Jamu.
Eine Heilkunst, die den indonesischen Einwohnern bei Krankheiten hilft, in jeder Lebensphase unterstützt und die Geheimnisse der Natur kennt. Ich habe sie mit allen Facetten kennen lernen dürfen und möchte Sie mit ihr bekannt machen. Denn sie deckt einen Ansatz ab, den ich teilen kann. Er ist ganzheitlich, verbindet Körper und Geist mit der Natur. Es ist meiner Meinung nach wichtig, den Menschen als Teil des Ganzen zu sehen und nicht nur seine Hülle zu betrachten. Besonders als Mediziner ist es wichtig, einen Menschen nicht mit einer e-card zu verwechseln.
Mir gehen Dinge recht gut von der Hand, wenn ich sie zeige. Ihnen, jetzt. Ich lade Sie ein. Kommen Sie mit auf meine Reise nach Indonesien. Ich führe Sie an versteckte Orte, mache Sie mit außergewöhnlichen Menschen bekannt und verrate Ihnen Geheimnisse rund um drei Themen, die Sie vielleicht interessieren. Gesundheit, Schönheit und Sexualität.
Anschnallen bitte. Sitzlehne hochstellen. Taschen unter dem Vordersitz verstauen. Los geht’s. Und bitte ruhig bleiben, Sie haben ja die ganze Zeit einen Doktor an Ihrer Seite, quasi einen Leibarzt als Guide.
Es spannt sich über das Leben der Leute wie ein Schutzschirm. Jamu. Die indonesische Heilkunst umfasst weit mehr als Medizin. Es ist eine Lebensart und Denkweise. Nicht neu probiert, sondern seit über tausend Jahren praktiziert. Von Generation zu Generation weitergegeben. Altes Wissen, das Natur, Körper und Geist verbindet. Wissen, das jetzt auch in Europa Anklang findet. Der Trend, das eigene Leben zu hinterfragen und neu zu formen liegt in den Köpfen der Menschen verankert. So auch im Bereich der Arznei. Weg von den Bombern in Pillenform schon beim kleinsten Wehwehchen, hin zu natürlichen Mitteln, um vorzusorgen. Alternativen sind gefragt. Inhaltsstoffe, die dem Körper helfen sich selbst zu helfen. Und zu stärken, um vor neuen Angriffen geschützt zu sein. Auch geistig. Die Psyche schlägt sich bekanntlich auf den Körper. Gesundheit und Krankheit basieren auf der Art zu leben. Deshalb geht Jamu über die Packungsbeilage hinaus.
Wir kennen solche Ansätze aus China und Indien. Ob die Traditionelle Chinesische Medizin (TCM) oder Ayurveda, Europa übt sich bereits darin, asiatische Heilkunst für sich zu entdecken. Es ist ein ganzheitliches Denken, das den Menschen als Teil seiner Umwelt sieht – immer in Wechselwirkung zueinander stehend.
In Indonesien gibt es diese Denkweise seit Anbeginn der Zivilisation. Schon in den frühen Königreichen kam die Natur zum Einsatz, wenn es wo gezwickt hat. Das Wissen um die Pflanzen und ihre Wirkungen wurde streng gehütet, erst im Laufe der Zeit sickerte es in alle Gesellschaftsschichten durch. Seitdem ist Jamu nicht mehr wegzudenken und fest im Leben der Leute verankert.
Joko Widodo, der Staatspräsident Indonesiens, auch bekannt unter dem Namen Jokowi, bekommt jeden Tag seinen Wundertrunk, frisch gemixt und persönlich zubereitet von seiner Frau Gemahlin. Hier hast du, Jokowi, sagt sie beim Frühstück und reicht ihm sein Jamu.
Hundert Prozent Natur. Gepackt in Kapseln, Cremen, Pillen und Getränke. Verwendet bei Massagen, Rezepten und Folklore. Praktiziert von einheimischen Heilern. Das ist die indonesische Heilkunst. Ob getrunken, eingeschmiert oder verkocht, Jamu ist fester Bestandteil der Kultur des Landes. Es geht über den medizinischen Aspekt hinaus. Es ist eine Lebensphilosophie. Die Menschen glauben an ihre Tradition und an die Wirkung der Arznei.
Wissenschaftler stehen erst am Anfang ihrer Untersuchungen über die tatsächlichen Wirkungen der natürlichen Mischungen. Manches ist bestätigt, anderes fällt eher unter Placeboeffekt. Als Arzt kann ich sagen, dass oft die reine Überzeugung, etwas würde helfen, bereits einen Heilungsprozess bewirken kann. Und das ist auch noch wissenschaftlich bewiesen.
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