Gloria Fröhlich
Todsicher Mordsmäßig Makaber
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Inhaltsverzeichnis
Titel Gloria Fröhlich Todsicher Mordsmäßig Makaber Dieses ebook wurde erstellt bei
1. Kapitel
2. Kapitel
3. Kapitel
4. Kapitel
5. Kapitel
Impressum neobooks
GLORIA FRÖHLICH
TODSICHER
MORDSMÄSSIG
MAKABER
Nachdem sich die energischen Geräusche der Schuhsohlen entfernt hatten und mehr und mehr im Nichts verhallten, war die Stille der emphatische Begleiter der Erlösung von dem kläglichen Rest ihres Menschseins. Selenruhig, ergab sie sich den filigranen, bleichen Fingerknochen, die sich ihr lautlos genähert hatten, als sie aufhörte, zu atmen. Sie wurde gehalten von diesem, bisher so gefürchteten Jetzt, doch nun nicht mehr imaginären Gehilfen nach dem vergeblichen Kampf um ihr Dasein und hatte ergeben hingenommen, wie sich die Endlichkeit sanft und erlösend über sie legte. Ihre Erwartung, sie würde augenblicklich mit einer unvorstellbaren Leichtigkeit in ein gleißendes Licht eintauchen und mit einer jubelnden Engelseskorte in die schwindelnde Unendlichkeit des Universum aufsteigen, erfüllte sich nicht. Es öffnete sich auch kein gewaltiges Portal, durch das sie in eine andere, außerirdische Dimension gelangen und mit entsprechendem Aufwand, vielleicht sogar von ihrem wachsamen Schutzengel, freudig empfangen wurde. Und somit empfand sie schmerzlich ihre Unwichtigkeit und fühlte sich um die versprochene, unermessliche Herrlichkeit, die ihr nach dem Tod zuteil werden würde, betrogen und war auf anderes nicht gefasst und vorbereitet. Und obwohl sie es sich fest vorgenommen hatte, verpasste sie den kurzen Moment, der ihr noch blieb, um sich nach ihrer maroden, noch warmen Leiche auf dem weißen Laken im Hospiz umzuschauen, denn sie entfernte sich mit zunehmender Geschwindigkeit von ihrer letzten Station auf der Erde, tapfer witternd, vielleicht in der Hölle zu landen, da es nicht nach oben ging. Ihre erstaunliche Gelassenheit machte die Ungewissheit, was sie nun ertoten würde, leicht. Und so nahm sie es als gegeben hin, in einer grauen Nebelwand zu verschwinden, in eisiger Kälte mit dem Tod zu verschmelzen und dadurch fast trunken und mit einem Gefühl beginnender Glückseligkeit, in die finstere Ewigkeit einzutauchen.
Die Ewigkeit!
Jemanden ewig lieben zu wollen, ein Schwur mit der Gewissheit, dass dieses Versprechen todsicher begrenzt ist, macht die Sache beruhigend überschaubar. Aber die tatsächliche Ewigkeit war so richtig ewig für immer und ewig ewig. Das bis eben noch vorhandene, substanzielle Gefühl war verschwunden. Sie war jetzt ausschließlich das Leise und Vertraute und das für andere stets unsichtbar Gebliebene, die mit ihrer Leiche nicht mehr vereinte Seele, die sich schwerelos auf und davon machte. Schleichend setzte nun der Prozess ein, bis auf wenig Diffuses jeglicher Erinnerungen an frühere Leben verlustig zu werden.
Der graue Nebel löste sich nicht auf. Ganz im Gegenteil, er wurde dicht wie mittelalterliches Leinen und umschloss sie fester, während sie sich jetzt taumelnd in einem weichen, linksdrehenden Strudel befand und mit geradezu sanfter und gleich bleibender Rotation immer weiter nach unten mitgenommen wurde, tief und tiefer, unendlich tief, dem himmlischen Willen folgend, und mit der spürbaren Erkenntnis, dass ihr Unterbewusstsein fester Bestandteil geblieben war und sie wie ein Schatten begleitete.
Die Rotation verlangsamte sich mehr und mehr, der Strudel löste sich auf und entließ sie mit einer unbeschreiblichen Sanftheit in die unendliche Weite des Universums, in der die Sterne millionenfach funkelten.
Und obwohl sie sich halt-, boden- und grenzenlos meinte, verspürte sie eine phantastische Energie, eine stabile Vertrautheit und wusste intuitiv, was zu tun war, vielleicht aufgrund der Erfahrung mehrfacher Wiederkehr. In unmittelbarer Nähe grummelte in der tiefblauen Dämmerung ein hohes und ziemlich breites Dickicht aus wabernden dünnen und dicken, transparenten Fäden abgestreifter Seelenqualen, das es nun ziemlich beschwerlich zu durchdringen galt. Sie vermutete, eine Art Reinigung von allen irdischen Spuren und eine scheinbar erforderliche Notwendigkeit für jede himmlische Seelenweiterentwicklung, die sie unbeirrt und ohne zu zögern und in der Hoffnung, das Dickicht erfolgreich zu durchschweben, anging. Danach beschwebte sie allein und selenruhig, genau mittig, eine Art Boot, das hinter dem Dickicht zur Verfügung stand, und das umgehend von einer zärtlichen Macht durch eine der schlundartigen Öffnungen einer riesigen, beweglichen und transparenten Blase ins Innere derselben gesaugt wurde. Durch die wiegenden Bewegungen der Blase und des Bootes, spürte sie, wie sich ihr Unterbewusstsein in gleichmäßigem Rhythmus kaum wahrnehmbar von ihr entfernte, sich sofort wieder an sie schmiegte und somit kaum wegzufühlen war, was sie in dieser Situation ziemlich verwirrte. Erst jetzt nahm sie an den Wänden der Blase massenhaft die winzigen, zarten und unverkennbar noch ziemlich unterentwickelten Seelen von Einzellern wahr, die vermutlich von Pantoffeltierchen und Amöben Abschied genommen hatten, und die für die Ewigkeit aussortiert, auch im Weltall für die Artenvielfalt sorgten und somit eine Existenzberechtigung hatten.
Sie suchte durch das Transparent der Blase nach weiteren Himmelsbewohnern, die außerhalb der Blase das Universum beseelten und besiedelten. Aber wo verbargen sich die jauchzenden, himmlischen Heerscharen, die großen und die kleinen Engel, die gerade oder momentan arbeitslosen Schutzengel, die es doch massenweise geben musste und aus dem Universum gar nicht wegzudenken waren. Die Möglichkeit, hier im Jenseits mit ihnen in direkten Kontakt treten zu können, hatte ihre Phantasie in den wechselnden Fleischgehäusen völlig überfordert.
Aber jetzt, als abgekuppelte Seele war sie nur allzu bereit für eine Begegnung mit den wunderschönen, geheimnisvollen, geflügelten Himmelsboten. Mit einem kaum hörbarem Seufzer bäumte sich das Boot nun geringfügig auf, schlich durch eine zweite wurstzipfelartig gekrauste Öffnung, wurde von einer sanften Woge erfasst und auf einen zweckentfremdeten, an günstiger Stelle geparkten Meteoriten nach draußen gehoben. Das Boot schwebte dort so fixsternenfest, dass es ohne Schwierigkeiten verlassen werden konnte. Die Amöben- und Pantoffeltierchenseelen zuerst. Sie schwebten als geschlossene Gruppe in eine Richtung, als würden sie sich gut auskennen und verschwanden umgehend in der Unendlichkeit des düsteren Universums, zielsicher auf dem Weg in andere Galaxien. Auch sie spürte sogleich wieder die Bodenlosigkeit des Weltalls unter sich, nachdem sie das Boot verlassen hatte und nahm eine großartige, himmlische Stille wahr, die in ihr ein unsagbares Glücksgefühl auslöste, dass sie glaubte, zu zerspringen, wäre sie eine einheitliche, amorphe Masse gewesen, die aus der Schmelze von Quarzsand entstanden war. Aber nie hätte sie vermutet, dass es abgesehen von den 100.000 Milliarden Sonnen, die eine große Sterneninsel bilden, eine so genannte Galaxis, und sich als Milchstraße durch das Himmelsgewölbe schlängelt, und in deren Mitte sich die Sonne befindet, und von der die Haut ihrer jetzigen Leiche damals ohne Sonnenschutzfaktor 50 hin und wieder einen unangenehmen Sonnenbrand davongetragen hatte, hier so ein Hochbetrieb herrschte. Und niemals hätte sie angenommen, dass es abgesehen von den unzähligen, mehrere Lichtjahre entfernten Fixsternen der Sternbilder, die sie alle kannte, hier dermaßen rappelvoll sein würde, wenn sie auch noch den Sternhaufen der Plejaden, von denen sie mit bloßem Auge sechs bei sternenklarem Himmel von der Erde aus hatte gut erkennen können, die über Hundert kugelförmigen Sternenhaufen, die um die Milchstraße eine Art Käfig bilden, die Doppelsterne, die veränderlichen Sterne, alle übrigen, nicht selbst leuchtenden Planeten, die sich durch ihr ruhiges Licht von den funkelnden Fixsternen unterscheiden, Kometen, Meteore und natürlich den Mond, dem einzigen Trabanten, der um die Erde kreist, die sie gerade eben verlassen hatte und ebenso die Gas- und Staubwolken, dazu zählte.
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