Gloria Fröhlich
Kuckucksspucke
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Inhaltsverzeichnis
Titel Gloria Fröhlich Kuckucksspucke Dieses ebook wurde erstellt bei
1.Kapitel
2. Kapitel
3. Kapitel
4. Kapitel
5. Kapitel
6. Kapitel
7. Kapitel
8. Kapitel
9. Kapitel
10. Kapitel
11. Kapitel
12. Kapitel
13. Kapitel
14. Kapitel
15. Kapitel
16. Kapitel
17. Kapitel
18. Kapitel
19. Kapitel
20. Kapitel
21. Kapitel
22. Kapitel
23. Kapitel
24. Kapitel
25. Kapitel
26. Kapitel
27. Kapitel
28. Kapitel
29. Kapitel
30. Kapitel
31. Kapitel
32. Kapitel
33. Kapitel
34. Kapitel
35. Kapitel
36. Kapitel
37. Kapitel
38. Kapitel
Impressum neobooks
Vorwort
Gloria Fröhlich schildert in ihrem Roman eine mit allen Sinnen intensiv erlebte Kindheit in einer ländlichen Umgebung, die geprägt ist von Einfachheit und Ursprünglichkeit.
Die Hauptperson Line, nimmt alles, was sich in ihrem Leben ereignet, ganz bewusst wahr und setzt sich auf eine originell kindliche Weise damit auseinander. Das sind sowohl die alltäglichen Probleme des Lebens, als auch die Menschen, die ihr Leben mit bestimmen. Sie hinterfragt auf phantasievolle Weise die Ereignisse im Dorf und bringt sie in ihrer ideenreichen Nachdenklichkeit in neue, ungeahnte Zusammenhänge.
Das Leben mit ihrer allein erziehenden Mutter und den sich daraus ergebenden Einschränkungen, wird auf unsentimentale Weise und mit manchmal komischen Effekten erzählt. Weitere wichtige Personen, wie z.B. die Großeltern, die Freundinnen und vor allem ihr Freund Lüder, sind erstaunlich authentisch dargestellte Figuren.
Durch den Unfalltod von Lüder im Alter von 11 Jahren, erfährt Line auf erschreckend erbarmungslose Weise die Allgegenwart und Endgültigkeit von Tod und Abschied.
Eine weitere schmerzliche Erfahrung ist die des abwesenden Vaters, mit dem Line erst im Alter von 14 Jahren eine gemeinsame Zeit in einem anderen Ort mit seiner neuen, sehr dominanten Ehefrau verbringt. Diese Zeit wird dauerhaft überschattet vom Nichtwahrhabenwollen der Vaterschaft vor der Dorfgemeinschaft, speziell vor dem befreundeten Pastor.
Der Roman von Gloria Fröhlich ist meisterhaft geschrieben, sowohl was den Aufbau und den Fortlauf der Erzählung und Charakterisierung der Figuren, als auch die treffsichere und oft hintergründige Sprache der Autorin betrifft.
Eine faszinierende Lektüre, in der viele ihre eigenen Erfahrungen widergespiegelt sehen.
Prof. Dr. Annamaria Rucktäschel
Universitätsprofessorin em. für Kommunikationswissenschaft
Gloria Fröhlich
KUCKUCKSSPUCKE
Der große Obst- und Gemüsegarten von Frau Mu grenzte an den riesigen Gemüsegarten, der zu dem gewaltigen Backsteinhaus nebenan gehörte.
Line wohnte erst seit kurzem in dem Haus von Frau Mu und hatte erfahren, dass das Nachbarhaus ein Altersheim, aber für viele Menschen aus der Umgebung das Armenhaus oder schlichtweg das Verrücktenheim war.
Das lang gestreckte Gebäude hatte auffällig viele Fenster, ganz anders als die umliegenden Häuser und tanzte nicht nur deshalb aus der Reihe.
Es waren auch seine Bewohner.
Eine merkwürdige Mischung alter Menschen, sowie geistig verwirrter Sonderlinge jeden Alters, die Line magisch anzogen und in ihr ein rätselhaftes Unbehagen auslösten, bis hin zur neugierig kribbelnden Furcht.
Dort wohnte auch Ome.
Ein halbwüchsiger Junge mit geringem Wortschatz, kleinkindhaftem Verhalten und so gar keiner Aussicht, dass sich daran jemals etwas ändern würde.
Auf seinen Ellenbogen und Knien wucherte ein bleicher Ausschlag, der in Line eine Mischung aus Ekel und Appetit wachrief, weil er sie einerseits an Krankheit und andererseits an Zuckerstreusel auf duftenden Kuchenplatten erinnerte.
Line verhielt sich jedes Mal abwartend neugierig, wenn Ome sie beim Spielen entdeckte und zappelnd, erregt ihre Gesellschaft suchte.
Dann saßen sie manchmal dicht nebeneinander auf den verwitterten Brettern der schmalen Holzbrücke, die von einem Ufer zum anderen über das breite Fleet vor dem Verrücktenheim führte.
Line nahm jedes Mal mit versteckter Neugier wahr, dass der Ausschlag auf Omes Knien unaufhaltsam weiter gekrochen war. Vielleicht ein Grund dafür, weil er ständig daran herum pulte, aber nie erkennen ließ, ob seine Hautkrankheit juckte oder wehtat.
Und während er die kleinen Stücke, die sich unter seine Fingernägel gesetzt hatten, ins Fleet schnippte, hörte Line ihm belustigt zu, und beide ließen ihre Beine baumeln.
Ome war viel älter und deshalb auch erheblich größer als Line, die noch nicht einmal in die Schule ging. Deshalb waren seine Beine auch länger, und seine großen Füße in den abgetragenen, braunen Lederstiefeln berührten beinahe das Wasser unter ihnen, während ihre noch nicht einmal in dessen Nähe und die der kleinen Wellen kamen, die sich bei leichtem Wind kräuselten.
Ome redete ununterbrochen und immer mit viel schaumiger Spucke in den Mundwinkeln. Und nach einer Weile wurde der Aufenthalt auf der Brücke wieder der Auftakt für eine immer gleiche Abfolge eines dramatischen Vorganges für Ome und eine inzwischen zur Gewohnheit gewordene und immer wieder faszinierende Absonderlichkeit für Line.
Omes Kinn begann dann zu zittern, seine flatternden Augen verrieten Panik, er sprang gehetzt auf, und unter seinem Gewicht begann die Brücke zu schwanken.
Auch Line war aufgestanden, jedoch wesentlich langsamer und hatte Ome dabei nicht aus den Augen gelassen.
Es war mal wieder „soweit“, wusste sie.
Ome geriet innerhalb weniger Sekunden in eine Welt, zu der Line keinen Zutritt hatte.
Die schwankende Brücke wurde für ihn zu einem Schiff, das zunehmend in Seenot geriet.
Mit vor Angst geweiteten Augen, und aus voller Kehle schrie er: „Ässoäss, Ässoäss!“
Und nun brachte er die Brücke durch die Kraft seiner Beine heftig zum Auf- und Niederschwingen, während er mit den Händen das Brückengeländer, das aus zwei überlangen, aneinander genagelten dicken Ästen bestand, fest umklammerte, um nicht „über Bord zu gehen“. In dem breiten Schilfgürtel am Ufer des Fleetes und auch auf seinem schwankenden Schiff witterte er große Gefahren, und er zitterte bald am ganzen Körper aus Angst vor einem Überfall der Piraten.
Die eigentliche Attacke fand dann Sekunden später statt.
Mit fuchtelnden Armen vor seinem Gesicht und lautem, Nicht, Nein, Nicht, Neiiiin wehrte Ome etwas ab, das Line auch diesmal nicht zu Gesicht bekam.
Nach dem Überfall, dem Ome jedes Mal kreidebleich und in der Hocke kauernd entkam, wich die Angst langsam aus seinem Gesicht, das Zittern erstarb, und er wirkte erlöst.
Auch diesmal beobachtete Line ihn wieder aufmerksam.
Er wandte ihr den Rücken zu und klagte mit weinerlicher Stimme: „Alles kaputt, alle tot gemacht.“
Seine Bewegungen wurden langsam.
Er bückte sich und nahm nacheinander einige lose Bretter von der Brücke, an denen krumme, rostige Nagelstummel an einen einst ordentlichen Zustand erinnerten. Er besah die Hölzer von allen Seiten und legte eins nach dem anderen wieder zurück in die Lücken, wo von ihnen nun auch weiterhin eine nicht zu unterschätzende Gefahr ausging, wenn man an der falschen Stelle auf sie trat. Vorher beklopfte er die Kanten noch kräftig mit der flachen Hand wie beim letzten Mal, während er dieses Mal jedoch markerschütternd aufschrie, als das Brett an seiner Hand zu kleben schien und eine Menge hellrotes Blut auf die grauen Bretter der Brücke tropfte.
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