Aber James blieb ganz ruhig. „Ich weiß Sir, und ich will Ihnen wirklich helfen. Bitte, Sie müssen mir glauben. Es gibt Menschen die sind nicht wie Sie…“, er blickte seinen Arbeitgeber direkt an, „die sind wie ich.“
Dr. Smith runzelte die Stirn. „Was willst du damit sagen?“
„Haben Sie mich je essen sehen?“ fragte James und lächelte verschmitzt.
Dr. Smith überlegte kurz und schüttelte dann langsam seinen Kopf, unfähig etwas zu sagen.
„Bin ich je krank geworden?“
Auch das konnte Dr. Smith verneinen.
„Was glauben Sie, wie alt ich bin?“
Dr. Smith blickte den Mann, der vor ihm stand, genau an. Dann, auf einmal fiel es ihm auf. Es war als würde er James das erste Mal richtig ansehen. Wie konnte das sein? James war schon als Kutscher bei seiner Familie angestellt gewesen, als er selbst noch ein kleiner Junge war. Er hätte jetzt schon um die fünfzig oder sechzig Jahre alt sein müssen. Aber er sah keinen Tag älter aus als dreißig.
Dr. Smith blickte James erstaunt an. „Wie ist das möglich?“, fragte er leise.
„Ich bin wie Ihr Sohn. Auch ich wurde als Baby krank und konnte keine Nahrung mehr bei mir behalten. Ich hatte mich verändert.“
„Verändert? Wie?“
„Das weiß ich nicht genau…“, gestand James.
„Aber du hast überlebt! Wie hast du das gemacht?“
In Dr. Smith keimte die Hoffnung seinem Sohn doch noch helfen zu können.
„Ja, ich habe überlebt, aber nur, weil ich von einem guten Menschen gefunden wurde, einer jungen Frau, die so war wie ich und die mir das einzige gab, das mir helfen konnte zu überleben… menschliches Blut.“
Dr. Smith schüttelte energisch seinen Kopf. „Das kann nicht sein“, beharrte er verzweifelt, „das ist wider die Natur… Menschen werden krank, wenn sie das Blut von Menschen trinken… das ist unmöglich!“ Er ließ sich kraftlos in einen der Sessel sinken und vergrub sein Gesicht in seinen Händen.
„Für Vampire nicht“, sagte James so leise das Dr. Smith ihn beinah nicht gehört hätte.
Erschrocken blickte er auf. „Was hast du gesagt?“
James trat an ihn heran. „Ich bin ein Vampir, unsterblich und ich muss mich von menschlichem Blut ernähren.“ Er kniete sich vor Dr. Smith hin, der unfähig war sich zu rühren. „Glauben Sie mir… bitte… wenn Sie Ihren Sohn retten wollen, dann geben Sie ihn mir… ich weiß was zu tun ist.“
Dr. Smith sah James ungläubig und mit großen Augen an. War der Mann, den er seit frühester Kindheit kannte, verrückt? Wie konnte er so ruhig vor ihm knien und behaupten ein Vampir zu sein?
„Vampire gibt es nicht…“, stammelte er. James schmunzelte. „Doch es gibt sie. Auch wenn wir nicht die blutrünstigen Monster aus den Geschichten und Legenden sind, sondern ruhig unter den Menschen leben, so gibt es uns sehr wohl. Wir werden als Menschen geboren und verwandeln uns, wenn wir noch kleine Kinder sind, Babys, wie ihr Sohn.“
Dr. Smith schüttelte seinen Kopf immer noch unfähig und auch unwillig dem Mann vor ihm Glauben zu schenken. James legte seine Hand auf Jonathans. Sie war warm, wo Jonathan beinah erwartet hätte, das sie eiskalt wäre. Verwundert blickte er James an.
„Ich bin ein Mensch“, versicherte ihm James leise, „aber auch ein Vampir und ohne Blut wird Edward sterben.“ Dann erhob er sich und wartete auf Dr. Smiths Entscheidung.
Dr. Smith blickte auf. Sah in James Gesicht und wusste nicht was er machen sollte. Sollte er dem Mann glauben, der behauptete ein Vampir zu sein? Sollte er ihm seinen Sohn anvertrauen? Der Mediziner in ihm sträubte sich mit allem was er über den Organismus des Menschen wusste, gegen das was James ihm gerade erzählt hatte. Aber der Vater in ihm, wollte seinen Sohn retten. Um jeden Preis. Auch wenn es hieß, seinen Sohn einem Vampir anzuvertrauen.
Er nickte unmerklich. „Komm heute Nacht, wenn alle schlafen, ich möchte nicht das meine Frau etwas davon erfährt.“
James nickte und ließ Dr. Smith allein.
Als alle im Haus schliefen kam James zurück und traf Dr. Smith mit seinem Sohn in der Bibliothek an.
„Und es passiert ihm auch nichts?“, fragte Dr. Smith ängstlich.
James lächelte. „Nein. Wenn ich ihn wieder zurück bringe, dann wird es ihm besser gehen. Ich verspreche es.“
„Versprich mir, dass du mir meinen Sohn zurück bringen wirst!“, forderte Dr. Smith eindringlich.
„Ich verspreche es“, wiederholte James und legte ihm kurz freundschaftlich die Hand auf die Schulter.
Nur zögernd übergab Dr. Smith seinen Sohn an James. Der hüllte das Kind behutsam in eine Decke und verließ mit ihm das Haus.
Jonathan ließ sich in einen Sessel fallen, schlug die Hände vors Gesicht und weinte. Er betete dass er das richtige getan hatte.
James kannte seit über zwei Jahren eine hübsche junge Frau, die wusste, dass er anders war als andere Männer. Er dachte daran zurück, wie er sie eines Nachts auf der Straße gefunden hatte, als sie bereit gewesen war, für etwas zu Essen ihre Unschuld zu verkaufen.
James hatte ihr geholfen. Er hatte zuerst den Kerl vertrieben, der die Verzweiflung der jungen Frau ausnutzen wollte und dann hatte er ihr angeboten sie zum Essen einzuladen, ohne dafür ihre Unschuld zu fordern. Dafür hatte er sie um etwas anderes gebeten.
Die junge Frau, mit den langen blonden Haare und den großen braunen Augen, weinte leise, als der Mann langsam ihre Röcke anhob.
Seit Tagen hatte sie nichts mehr gegessen und niemand hatte ihr helfen wollen. Sie hatte nur noch einen Ausweg gewusst. Also hatte sie ihren ganzen Mut zusammen genommen und hatte an diesem Abend einen Mann angesprochen und sich ihm angeboten. Sie war sehr hübsch und der Mann hatte sich gierig über die Lippen geleckt. Er war sofort einverstanden und hatte ihr das Geld gegeben bevor er ihren schlanken Körper mit seinem gegen die Wand gedrückt hatte. Sein Atem stank nach Tabak und Alkohol als er sie küsste. Mit einer Hand drückte er grob eine ihrer Brüste zusammen so dass sie von dem Schmerz aufkeuchte. Er erzählte ihr in unanständiger Weise, was er mit ihr machen würde und sie bekam es mit einem mal mit der Angst zu tun. Sie war noch Jungfrau und hatte noch nie zuvor mit einem Mann Liebe gemacht. Wobei das, was der Mann mit ihr vorhatte, nichts mit Liebe zu tun hatte. Sie stemmte sich gegen ihn und wollte ihn von sich weg drücken. Aber er lachte nur und sagte das er es mochte, wenn sich die Frauen wehren würden.
„Bitte“, hauchte sie ängstlich und bat ihn aufzuhören, aber er drückte sich wieder an sie und hatte eine Hand bereits unter ihrem Kleid und schob nun langsam ihre Röcke nach oben.
Plötzlich tauchte, wie aus dem Nichts, ein anderer Mann auf. Er war groß, größer als der Mann der sie bedrängte, und er zog den Mann von ihr fort, verpasste ihm einen Schlag, so dass er zu Boden ging und beschimpfte ihn. Eilig rappelte der Mann sich auf und rannte dann davon.
„Ist alles in Ordnung?“, fragte der Mann sanft. Hastig schob sie ihre Röcke wieder nach unten und blickte ihn an. Sie war misstrauisch gegenüber der Freundlichkeit des Fremden. Er hatte zwar eben den anderen Mann vertrieben, der keine Skrupel gehabt hatte, ihre Not auszunutzen, aber in den letzten zwei Wochen, seit dem sie auf der Straße leben musste, war niemand freundlich zu ihr gewesen oder hatte ihr helfen wollen.
„Du brauchst keine Angst vor mir zu haben“, sagte er freundlich, „wie ist dein Name?“
„Maria.“
„Ich bin James, wie alt bist du Maria?“
„Achtzehn.“
„Du hast Hunger“, stellte er fest.
Sie nickte nur.
„Dann würde ich vorschlagen, wir gehen in die kleine Schenke, zwei Straßen weiter und ich kaufe dir etwas zu Essen.“
Es war wohl seinem guten Aussehen und seinen tadellosen Manieren zu verdanken, dass die junge Frau bereit war ihm zu folgen. Er führte sie wie versprochen in eine kleine Gastwirtschaft und leistete ihr beim Essen Gesellschaft. Er selbst aß nichts aber er bat sie ihm zu erzählen, wieso sie auf der Straße lebte.
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