„Halte ihm das hin.“ Sie nickte und hielt dem Kind die kleine blutende Wunde vor den Mund.
Obwohl Edward gerade mal ein paar Monat alt war, fing er instinktiv an, dass Blut zu trinken.
Er brauchte nicht so viel wie James und war bereits nach wenigen Schlucken gesättigt. James leckte über die Bisswunde an Marias Handgelenk, so dass sie sich sofort wieder verschloss. Maria beobachtete, wie der kleine Kerl wieder rosig und lebhaft wurde und freute sich, dass es dem kleinen Kind besser ging und dass es ihr Blut war, das ihm geholfen hatte.
James bedankte sich bei ihr und küsste sie. Er hatte ihr schon den Jungen aus den Armen genommen und wollte wieder gehen, als sie ihn am Arm zurück hielt.
„Es reicht auch für euch beide.“
James zog sie in seine Arme. „Bist du sicher?“
„Natürlich. Der Kleine hat so wenig genommen und du brauchst es auch dringend… es wird mir bestimmt nicht schaden.“
Er musste jeden Tag frisches Blut zu sich nehmen und wenn sie ihn nicht gebeten hätte, ihres zu nehmen, dann hätte er es sich heute, wie früher, in den nächtlichen Gassen bei einem Obdachlosen oder einem Betrunkenen geholt.
James brachte den kleinen Edward in Marias Schlafzimmer und legte ihn behutsam auf ihr Bett.
Dann ging er zurück zu ihr in die kleine Stube.
Er trat auf sie zu und zog sie wieder an sich. „Ich liebe dich“, flüsterte er und küsste sie leidenschaftlich.
Atemlos blickte sie ihn an als er ihren Mund wieder frei gab. „Ich liebe dich auch.“
Dann nahm er ihr langes Haar beiseite und beugte sich zu ihrem Hals. Er konnte nicht widerstehen und übersäte ihren schlanken Hals mit zärtlichen Küssen und knabberte an ihrem Ohrläppchen was Maria einige Seufzer entlockte. Dann leckte er ihr über den Hals und versenkte im nächsten Moment seine Fangzähne in ihrer weichen Haut.
Maria stöhnte leise und drückte sich mit ihrem Körper ganz nah an James. Er umfing sie mit beiden Armen während er von ihr trank.
Er nahm diesmal nicht so viel von ihr wie sonst, war aber trotzdem gesättigt. „Geht es dir auch wirklich gut?“
„Ja, mach´ dir keine Sorgen um mich.“
Er blickte sie liebevoll an. „Soll ich später wieder kommen?“
Marias Augen strahlten förmlich als sie ihm antwortete: „Ich werde auf dich warten.“
Als James knapp zwei Stunden später den kleinen Edward zurück zu seinem Vater brachte, war dieser froh seinen Sohn endlich zurück zu haben. Noch glücklicher war Dr. Smith aber als er sah, dass es seinem Kind tatsächlich besser ging. Der kleine Kerl quietschte fröhlich und lächelte, als James ihn in die Arme seines Vaters legte.
„Wie ist das nur möglich?“, fragte Dr. Smith erstaunt.
„Das macht das Blut“, erklärte James leise.
„Wie lange wird er das nehmen müssen?“
„Vom heutigen Tag an… für immer.“
Dr. Smith sah James erschüttert an. „Für immer?“
James nickte.
Jonathan blickte seinen Sohn an. „Kann es auch das Blut eines Tieres sein?“
„Nein, das vertragen wir nicht. Es muss… aus der offenen Vene eines Menschen kommen.“
Dr. Smith sah James fragend an. „Musst du das auch… jeden Tag von einem Menschen trinken?“
„Ja.“
„Wo… ich meine… bei wem?“
„Früher bin ich nachts durch die Gassen geschlichen und habe das Blut von den Menschen die auf der Straße lebten getrunken. Das war gefährlich, auch wenn ich die Gabe besitze, Menschen ihre Erinnerungen zu löschen. Aber vor über zwei Jahren habe ich eine junge Frau kennen gelernt. Sie hatte gerade ihre Eltern verloren und lebte auf der Straße, weil ihr Vermieter sie rausgeworfen hatte. Er hatte ihr nicht mal ihre Sache mitgegeben oder die Habseligkeiten ihrer Eltern. Ich besitze ein kleines Haus mit vier kleinen Wohnungen, die ich vermiete und in einer davon wohnt sie seit unserer ersten Begegnung. Außerdem versorge ich sie mit allem was sie braucht… dafür darf ich jeden Abend ihr Blut trinken“, er lächelte als er an Maria dachte.
„Sie bedeutet dir etwas“, stellte Dr. Smith fest und James nickte lächelnd.
„Ich liebe sie.“
„Warst du heute bei ihr?“
„Ja… als ich ihr erzählte, was mit Ihrem Sohn passieren würde, wenn er kein Blut zu trinken bekäme, war sie sofort bereit ihm zu helfen. Sie gab ihm ihr Blut und schon nach wenigen Schlucken, ging es Ihrem Sohn besser.“
„Das kann ich sehen… es ist ein Wunder“, sagte Dr. Smith und betrachtete glücklich seinen Sohn.
„Ein Wunder von dem niemand etwas erfahren darf“, mahnte James.
Dr. Smith sah James an und nickte feierlich. „Ich werde niemals jemandem etwas von dir oder meinem Sohn erzählen“, er zögerte kurz, „aber… wie bekomme ich das frische Blut für meinen Sohn?“
„Wenn es Ihnen recht ist, dann nehme ich ihn, jeden Abend, wenn alle schlafen, mit zu Maria und sie wird ihm ihr Blut geben. Wenn er alt genug ist, dann werde ich ihm alles beibringen was ich weiß und er kann sich dann selbst Nahrung suchen.“
Dr. Smith schluckt merklich bei dem Wort Nahrung. Bestand diese doch von nun an, für seinen Sohn, aus menschlichem Blut. Aber er hatte keine Wahl. Entweder er ließ seinen Sohn qualvoll sterben oder er vertraute auf James. Er musste nicht lange überlegen.
„Einverstanden. Ich möchte die junge Frau aber dafür entlohnen… immerhin wird sie für meinen Sohn sorgen.“
„Das wird sie sicherlich freuen.“
Damit hatten die beiden Männer eine Übereinkunft getroffen.
Dr. Smith hielt sein Wort. Nie erfuhr seine Frau oder irgendjemand anders den wahren Grund für die Genesung ihres Sohnes. Und er erzählte auch niemandem dass es Vampire tatsächlich gab.
Als Edward älter wurde, fragte er James immer wieder warum er anders war als die anderen Menschen. Warum er nicht das essen konnte, was seine Eltern aßen. Warum ihm aber jeden Tag Essen auf sein Zimmer gebracht wurde, dass James dann einsammelte und abends an die Obdachlosen verteilte. Also erzählte James dem kleinen Jungen von den Menschen die anders waren. Die so waren wie er und James und die Blut brauchten um zu überleben. Edward war sehr klug für sein Alter und als James ihm das Versprechen abnahm, nie darüber mit seiner Mutter oder den anderen Bediensteten zu sprechen, nickte er eifrig. Edward konnte aber auch nicht mit seinem Vater darüber sprechen, denn als er es einmal versucht hatte, sah dieser ihn traurig an und schien verunsichert zu sein. Es war offensichtlich, dass sein Vater dieses Thema nicht mit ihm besprechen wollte oder konnte, also tat Edward es nie wieder. Alles was er über seine Art wusste, hatte er von James erfahren. Und dass war nicht viel. Nicht das James ihm etwas verheimlichen wollte, er wusste einfach selbst nicht viel über seine eigene Art.
Mit dreizehn Jahren war Edward schon sehr groß und kräftig für sein Alter und ging nun nachts allein durch die Straßen um jemanden zu finden, an dem er sich nähren konnte. Er ging immer sehr behutsam vor und war nie grob zu den Menschen, dessen Blut er nahm. Wie James es ihm gezeigt hatte, versiegelte er die kleinen Wunden, die er den Menschen am Hals beigebracht hatte, mit seiner Zunge und löschte dann ihre Erinnerungen.
Edward besuchte, wie jedes andere Kind, die Schule und die Lehrer merkten bereits nach kurzer Zeit, dass der Junge sehr intelligent war. Einige Lehrer förderten ihn, in dem sie ihm Literatur für ältere Schüler zu lesen gaben. Zudem war er ein wohlerzogener und freundlicher Junge, auf den seine Eltern sehr stolz waren.
Edward wuchs zu einem großen, gutaussehenden jungen Mann heran. Er besuchte das Pembroke College in Oxford, denn er wollte Arzt werden, wie sein Vater.
Mit James verband ihn eine innige Freundschaft und obwohl Edward seinem Freund oft angeboten hatte, das College für ihn zu bezahlen, damit er etwas aus seinem Leben machen konnte, lehnte James dies ab. James hatte Edward nie von seiner Vergangenheit erzählt und so konnte Edward nicht wissen, das James aus einer reichen Familie kam und durchaus ein reicher Mann war, der jedoch das einfache Leben bevorzugte und lieber als anonymer Spender andere Menschen, die es nicht so gut getroffen hatten wie er, unterstützte.
Читать дальше