Nachdem Edward sein Studium erfolgreich beendet hatte, übernahm er eine Stelle als Arzt, in dem Hospital in dem schon sein Vater gearbeitet hatte. Sein Vater war ein Jahr zuvor in den Ruhestand gegangen und Edward übernahm seinen Platz. Obwohl er einer der jüngsten Ärzte an dem Hospital war, hatte sich sein Ruf als ausgezeichneter Arzt bald schnell herum gesprochen.
Leider hatte er trotz seiner Fähigkeiten seiner eigenen Mutter nicht helfen können. Sie starb als Edward sechsundzwanzig Jahre alt war.
Sie war ein paar Monate lang kränklich gewesen, hatte dann rapide an Gewicht verloren, ohne dass es dafür eine Erklärung gab und dann waren die Schmerzen gekommen. Edward und sein Vater versuchten ihr zu helfen und gaben ihr Schmerzmittel, aber nichts besserte ihren Zustand. Wegen der starken Medikamente war sie bald gar nicht mehr ansprechbar gewesen. Eines Morgens ging Edward in das Zimmer seiner Eltern und fand seinen Vater weinend vor. Der ausgezehrte Körper seiner geliebten Mutter hatte den Kampf verloren und sie hatte für immer ihre Augen geschlossen. James Vater war unsagbar traurig. Seine geliebte Elisa vor ihm gehen zu sehen, leidend und unter Schmerzen, hatte ihm das Herz gebrochen. Edward sah, dass sein Vater den Willen und die Kraft zu leben verloren hatte. Obwohl er die Anzeichen bemerkt hatte, hatte er es nicht verhindern können, dass sein Vater sich noch in derselben Nacht mit Gift das Leben nahm. Edward verschwieg allen, dass sein Vater sich selbst getötet hatte. Er behauptete, sein Herz war geschwächt gewesen und der Tod seiner geliebten Frau wäre dann zu viel für ihn gewesen. Sein Herz hatte einfach aufgehört zu schlagen. Niemand zweifelte an seiner Diagnose und so wurden sein Vater und seine Mutter, nur wenige Tage später, nebeneinander auf dem Friedhof beigesetzt. Edward war unsagbar traurig über den Verlust seiner Eltern. Besonders in Anbetracht der Tatsache, dass er selbst unsterblich war. Er fand es ungerecht und war wütend auf sich und seine Andersartigkeit.
Ein paar Monate später verlor James seine geliebte Maria an die Schwindsucht. Auch Edward hatte ihr nicht mehr helfen können. Wenige Tage nach der Beerdigung war James dann plötzlich verschwunden. Er hatte sein Haus den Johnsons geschenkt, seine Sachen gepackt und war einfach, ohne ein Wort des Abschiedes, gegangen. Edward hatten in kurzer Zeit alle Menschen, die er liebte und die ihm etwas bedeutet hatten verloren. Er war nun allein.
Er blieb in dem Haus seiner Eltern wohnen und wurde ein guter Arzt. Er heilte aber nicht nur Menschen, sondern versuchte auch noch mehr über seine eigene Art herauszufinden. Dies war nicht leicht, da er bis auf James noch keinem anderen Menschen, der wie er war, begegnet war.
Da er nicht alterte und nicht auffallen wollte, verkaufte er das Haus in London, nachdem er beinah zehn Jahre als Arzt gearbeitet hatte und reiste dann um die Welt. Er machte sich auf die Suche nach Menschen die wie er waren. Er war auf der Suche nach Vampiren.
Frankreich, Juli 1763
In einem kleinen Dorf nahe einem Vorort von Paris brachte Agnès Beaumont, an einem warmen Tag im Juli, zwei wunderschöne Mädchen zur Welt. Sie und ihr Mann, der Graf Philippe Beaumont, lebten auf einem großen Landgut. Mit der Geburt ihrer Töchter war für sie endlich ein großer Wunsch in Erfüllung gegangen. Sie waren beide so glücklich über die Geburt ihrer Kinder, dass sie ein großes Fest für all ihre Freunde und ihre Bediensteten sowie die Bauern und Arbeiter von den umliegenden Höfen gaben. Jeder in ihrem Umfeld sollte an ihrer Freude teilhaben.
Obwohl als Zwillinge geboren, konnten die Mädchen nicht unterschiedlicher sein. Marguerite mit ihren großen, strahlend blauen Augen und den flachsblonden Haaren sah ihrer Schwester Soleil mit ihren dunkelbraunen Haaren und den grün-blauen Augen nicht im Entferntesten ähnlich. Das Glück der kleinen Familie war vollkommen, doch ahnte noch niemand von ihnen, dass sich schon bald alles ändern würde.
In ihren ersten Lebensmonaten waren die Mädchen wie viele andere Säuglinge. Sie schliefen viel, wurden von ihrer glücklichen Mutter oft im Garten in ihren Wägelchen herumgefahren und wurden von einer Amme versorgt da Agnès keine Milch für ihre Babys hatte. Dann passierte jedoch eines Tages etwas Merkwürdiges.
Nachdem die Amme Soleil, wie schon viele Male zuvor, an ihre Brust angelegt hatte, war sie von dem kleinen Mädchen gebissen worden. Obwohl Soleil noch keinen ihrer ersten Zähne hatte, zeigten sich in ihrem Mund zwei winzig kleine, sehr spitze Eckzähne. Noch viel schockierender für die Amme war jedoch, dass das kleine Mädchen dann begonnen hatte, das Blut, das aus der kleinen Wunde sickerte, zu trinken. Die Amme fing an zu schreien und als die Gräfin kam um zu sehen was passiert war, fand sie die Amme hysterisch zeternd vor. Die Amme hatte Soleil in ihr Bettchen zurückgelegt und schilderte der Gräfin aufgebracht was passierte war. Und obwohl die Gräfin die sehr kleine Wunde sehen konnte, die die Amme ihr zeigte, war sie sich nicht sicher ob sie glauben konnte, dass ihre kleine Soleil dafür verantwortlich sein sollte. Zumal die beiden winzigen, spitzen Zähne, die die Amme gesehen haben wollte, weder zu sehen noch zu fühlen waren. Da man an ihrem Wort zweifelte, raffte die Amme erbost ihre Sache zusammen, weigerte sich fortan die Mädchen weiter zu versorgen und versprach nie wieder auch nur einen Fuß in das Haus zu setzen.
Der Graf bezahlte die Amme fürstlich und nahm ihr das Versprechen ab, nie auch nur ein Wort über den Vorfall zu verlieren.
Unmittelbar nach diesem Vorfall wurden die kleinen Mädchen krank. Nicht nur das Soleil nun jedes Mal ihre Milch wieder erbrach sobald man sie gefüttert hatte, auch Marguerite vertrug ihre Nahrung nicht mehr. Auch jedwede andere Babynahrung konnten die Zwillinge nicht mehr bei sich behalten, sie erbrachen sie fast augenblicklich wieder. Hilflos mussten die Eltern mit ansehen, wie die beiden Kinder hungrig in ihren Bettchen lagen, ohne dass sie in der Lage gewesen wären, ihren Hunger zu stillen.
Der Arzt der Familie, der eilends herbeigerufen worden war, um den Kindern zu helfen, stand vor einem Rätsel und wusste nicht, um was für eine seltsame Krankheit es sich handeln könnte. Die Prognose die der Arzt stellte, war jedoch schrecklich. Er sagte den Eltern, dass ihre Kinder sterben würden, wenn sie nicht in kürzester Zeit wieder Nahrung zu sich nehmen würden. Es gab keine Worte die das Unglück von Agnes und Philippe beschreiben konnten.
Die Amme, obwohl dazu verpflichtet nicht über den Vorfall zu sprechen, brach ihr Versprechen, zwei Abende später, als sie mit einer Freundin zusammen in der Schenke war. Sie hatte ein paar Becher Wein zu viel, als sie von den beiden Mädchen des Grafen erzählte. Sie erzählte ihrer Freundin, wie das Kind sie gebissen hatte und man ihr nicht geglaubt hatte und wie sie nun gehört hätte, dass die beiden Kinder im Sterben lagen, da sie keine Nahrung mehr zu sich nehmen würden. Die beiden Frauen nahmen den Fremden, der einen Tisch neben ihnen saß, gar nicht wahr, so sehr waren sie in ihr Gespräch vertieft. Aber der gutaussehende Mann hörte genau hin und schon am nächsten Morgen sprach er bei dem Grafen Beaumont vor.
Ein Diener hatte ihm die Tür geöffnet und Dr. Edward Smith hatte überaus höflich um ein Gespräch mit dem Grafen gebeten. Der Hausdiener hatte Edward herein gebeten und ihn dann in der Halle warten lassen, um den Grafen darüber informiert, dass ein englischer Gentlemen ihn sprechen wollte.
Als Edward vor dem Grafen stand, verbeugte er sich tief und sagte in fehlerfreiem französisch: „Guten Tag Monsieur, mein Name ist Dr. Edward Smith. Ich komme aus England und bin Arzt. Ich habe letzte Nacht ihre Amme in der Schenke von ihren Kindern sprechen hören und wollte ihnen meine Hilfe anbieten.“
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