Mit zunehmender Kinderschar und wachsendem Wohlstand betrieb Jan Hubert dann ab 1875 seine Partenreederei von Cranz aus und sorgte dafür, dass die um viele weitere Neubauten vermehrte Flotte gut ausgerüstet und richtig eingesetzt wurde. "MAGNET" – "WILHELMINE" – "ALLEMANIA" – "AXEL" – "J.G.FICHTE" – "HINRICH" – "ALWINE" – "GOTTLIEB" –

"EMILIE HESSENMÜLLER" hießen die Schiffe der Reederei Hubert, und Kapitän Jan selbst setzte den Dampfer "ESTE" für den Passagier- und Frachtverkehr auf der Elbe und Unterelbe in Betrieb, den sein Schwiegervater Nikolaus Wettern zusammen mit Kapitän Behr 1859 in London gekauft hatte.
In dem kinderreichen Cranzer Hause Jan Huberts herrschte in jenen blühenden Jahren reges Leben. Alle Hände von Groß und Klein wurden gebraucht, wenn eines der vielen Segelschiffe eine Reise antreten sollte. Bei der Verproviantierung der eigenen Schiffe musste die ganze Familie des Schiffsreeders mithelfen. In dem Schuppen hinter dem Wohnhaus und auf dem gepflasterten Hofplatz saßen die Frauen und Mädchen und schnitten Bohnen, hobelten Weißkohl und salzten das Gemüse ein oder bereiteten Sauerkohl. Ochsen wurden geschlachtet und das Fleisch in große Pökelfässer eingesalzen. Dann kam der Küper aus Neuenfelde herüber und verschloss die Fässer, damit sie in den Provianträumen an Bord verstaut werden konnten. Diese Vorräte mussten für lange Reisen ausreichen, dauerte eine Reise nach Südamerika doch mit dem Segelschiff zwei bis drei Monate. Gepökeltes, Sauerkohl, Salzbohnen und Schiffszwieback - daraus konnte der Smuttje keinen abwechslungsreichen Speisezettel an Bord zusammenstellen. Gemüse, vitaminreiche Frischkost hatte er nicht zur Verfügung, und so stellten sich damals leicht Nahrungsschäden wie Skorbut ein, wenn die Männer auf langen Seereisen unterwegs waren. Gerade in der Seefahrt hat man deshalb zuerst erkannt, was für eine wichtige Rolle die Vitamine für die menschliche Ernährung spielen.
Wenn die Brüder von ihren Reisen zurückkehrten, füllte sich die kleine Wohnung in Cranz mit allerlei exotischen Erinnerungen aus fremden Ländern. Manches Abenteuer, manch schwierige Lage wurde nach der Heimkehr getreulich berichtet.
Das Jahr 1888 bedeutet für die Cranzer Kapitäne und Reeder ebenso wie für die deutsche Hochseefischerei eine Wende. In diesem Jahr gründeten 17 Cranzer Kapitäne eine „Gesellschaft zwecks Beschaffung eines Fischdampfschiffes, womit Seefischerei betrieben resp. der Transport von in der Cranzer Fischerkasse versicherten Fischkuttern oder Ewern gefangenen Fischen zum Markt geschehen soll".
Bis dahin waren die Finkenwerder und Blankeneser Fischkutter in der Hochseefischerei führend. Aber sie konnten ihre Fänge nicht so schnell auf den Fischmarkt bringen wie die schnellen, vom Wind unabhängigen Fischdampfer, die zuerst in England gebaut wurden und dann nach Deutschland kamen. Wenn die Dampfer bereits ihre Ladung gelöscht hatten, kreuzten die Fischkutter noch gegen den Elbwind stromauf und lieferten ihre Fänge auf dem Fischmarkt ab, nachdem sie viele Tage, fast Wochen in der Bünn gelagert hatten.
So wurden der Kaufmann August Bröhan in Cranz und dessen nächste Anverwandte, alte Segelschiffkapitäne und Seefahrer, die sich mit der Fischerei nie abgegeben hatten, Gründer der ersten Fischdampferreederei an der Niederelbe, und lange noch haben die niederelbischen Kutterfischer in einer Mischung aus Neid und Hochachtung die Cranzer Fischdampfer spöttisch die "Bauerndampfer" genannt, weil die Besitzer keine Leute "vom Fach" waren. Aber die Cranzer gingen mit solcher Tatkraft an die neue Aufgabe, dass sie schon bald keine Fischmeister mehr an Bord brauchten, die sie anfangs noch einstellen mussten.

Einer der führenden Leute der Cranzer Dampffischerei war von Anfang an Jan Hubert. Zusammen mit dem alten Cranzer Segelschiffkapitän Hein Fock und dem jungen Gemeindevorsteher August Bröhan gehörte er zum Kreise der Bevollmächtigten, die den Bau des ersten Fischdampfers in Auftrag geben und überwachen sollten. Der schon bald nach der Probefahrt des ersten bei Jürgens & Co. auf Steinwerder erbaute zweite Fischdampfer erhielt auch dann den Namen der beiden Mitbegründer der Fischdampfergesellschaft "Fock und Hubert". Es kam die "WITT" und "BARTELS" dazu. Die beiden Dampfer hatten jeweils 115.000,- Mark gekostet. Das konnte in so kurzer Zeit gemacht werden, weil in dieser Zeit die Dampfer nie unter 20% Dividende abwarfen.
Jan Hubert hat sich als Vorstandsmitglied der Cranzer Fischdampfergesellschaft bis zu seinem Tod dem Bau neuer Fischdampfer und der Geschäftsführung der Gesellschaft gewidmet. Nach 17jähriger Vorstandstätigkeit starb er im Alter von 67 Jahren auf einer Inspektionsreise nach Geestemünde, wo er die Bauarbeiten an dem Neubau des Fischdampfers "NEUENFELDE" beaufsichtigen wollte.

Das Elternhaus (Autobiographie Johannes Hubert)

Als siebentes Kind des Reeders und Kapitäns Johann Hubert und seiner Ehefrau Engel, geb. Wettern, wurde ich am 16.10.l879 in Cranz an der Elbe geboren.


Ob es stimmt, weiß ich nicht, aber noch heute behaupten alle Geschwister, ich sei der Liebling und Verzug der ganzen Familie gewesen, obwohl ich nicht einmal das Nesthäkchen war. Ich selber hatte aber niemals den Eindruck, besonders bevorzugt behandelt worden zu sein.
Meine Eltern hatten im Alten Lande ein schönes großes Haus direkt am Elbe- und Estedeich gelegen. Der Obstgarten, aber besonders die Este und Elbe, waren für uns Kinder die Quellen vieler Erlebnisse.
Mein Vater, früher Seekapitän, fuhr auf den damals doch recht kleinen Seglern von Hamburg nach Brasilien, Argentinien, Südafrika, China usw. Die Schiffchen hatten durchschnittlich eine Größe von zirka 300 Ladetonnen. Meine Mutter machte Fahrten nach Brasilien und China mit, und wenn man sich heute die Bilder der Schiffe ansieht, muss man den Mut dieser Frau bewundern.
Später blieb mein Vater dann an Land und gründete mit einigen Freunden eine Segelschiffreederei, deren Schiffe ungefähr 300 Ladetonnen groß waren. Alle Erdteile wurden mit diesen kleinen Nussschalen angelaufen. Einen kleinen Raddampfer hatte mein Vater auch noch, er hieß "ESTE" und machte Passagierfahrten zwischen Cranz und Buxtehude sowie zwischen Cranz und Hamburg. Anscheinend lohnten sich diese Fahrten, sie brachten Geld ein, und das Finanzamt hatte damals bescheidenere Ansprüche, so konnten dann später noch zwei Ziegeleien ins Leben gerufen und ein Eisschuppen gebaut werden. 500 Tonnen Eis fasste der Schuppen, und die Hamburger Fischdampfer waren dankbare Abnehmer. Das Eis wurde von einem abgeteilten Land der Ziegeleien abgenommen, nachdem dort im Herbst Wasser eingefüllt worden und es dann gefroren war. Der Eisschuppen wurde 1920 abgebaut, da sich durch das Aufkommen des Kunsteises dieses Geschäft nicht mehr lohnte. Die Ziegeleien wurden 1904 stillgelegt, weil nicht mehr genug Land zur Verfügung stand. Die ESTE wurde 1910 verschrottet.
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