Allen, die an diesen Portraitsammlungen mitgewirkt haben, mir aus Ihrem Leben erzählten, von ihren Fahrten berichteten, sich mit der Veröffentlichung einverstanden erklärten, mir Bildmaterial zur Verfügung stellten und mir beim Korrekturlesen halfen, allen sei herzlich gedankt!
Hamburg, Neuauflagen 2007 und 2014 Jürgen Ruszkowski

Die Lebenserinnerungen des Kapitäns Johannes Hubert
Johannes Hubert– ein Kapitän aus Estebrügge im Alten Land
Veröffentlichung im Buch mit Genehmigung der Erben

In diesem Beitrag lesen Sie:
Prolog: Die Herkunftsfamilie Hubert:
1. Heimat an Este und Elbe
2. Das Elternhaus
3. Kindheit und Schulzeit
4. Beginn einer Karriere: Schiffsjunge auf großer Fahrt
5. Schiffbruch vor Brasilien
6. Die erste Liebe
7. Als Leichtmatrose Richtung Heimat
8. Wieder daheim
9. Auf See zu neue Ufern
10. Asien
11. Vollmatrose auf der "PAMELIA"
12. Mit Passagieren nach Levante
13. Steuermann auf großer Fahrt und Einjähriger
14. Bei H. M. Gehrkens auf Finnlandfahrt
15. Der erste Weltkrieg
16. Schmerzlicher Abschied von der Kriegsmarine
17. Zwischen den Weltkriegen bei H.M.G. – Mittelmeer
18. Mit der "WANDRAHM" auf stürmischer Fahrt
19. Finnland / Russland
20. Das Funkpatent
21. Der zweite Weltkrieg
22. Wiederbeginn nach dem Krieg
Die Herkunftsfamilie Hubert(Prolog)
Heimat an Este und Elbe
(Auszug aus Drestedter Courier, Hauszeitschrift der Ernst F. Hubert KG, 13.11.1953)
Die Familie Hubertentstammt dem Alten Land. Zwischen Buxtehude und Cranz, an der Elbe, wo einmal holländische Siedler und Deichbauer den Estefluss überschritten und die Estebrücke erbauten, liegt das Fischerdorf Estebrügge. Dort sind die Bartels und Behrends, die Feindt und Hauschildt, die Köpcke und Pickenpack, Palm, Quast und Wegener zu Hause. Hier und in Cranz, wo die Este in die Elbe mündet und ihre Schifffahrt den Kontakt mit der weiten Welt fand, ist die Heimat der Familie Hubert. Immer wieder im Laufe der Jahrhunderte durchbrachen Sturmfluten die Deiche und zerstörten die mühselig gepflegten Gärten der Obstbauern. Immer wieder stieß aber auch die Kühnheit dieser Menschen hinter sicheren Deichen hervor auf die freie See, um den unermesslichen Reichtum des Meeres zu ernten. Kampf um das stets bedrohte Land, Kampf gegen Sturm und See, Bewährung in hundert Gefahren. Kaufmännisches Abwägen, beharrliche Bestellung des Bodens, verwegene Ausfahrt in alle Meere, gefahrvolles Bauern- und Seefahrerleben bildeten den Menschenschlag, der in Estebrügge und Cranz unter den hohen Fachwerkgiebeln mit den Schwanenköpfen wie unter den roten Dächern engstehender Schifferhäuser auf den Deichen zu Hause ist. Die Seefahrtgeschichte der Huberts begann mit hartem Seemannslos und Witwentrauer. Paul Hubert aus Estebrügge verließ seinen Handwerksberuf, um Schiffer zu werden. Vom Streben erfüllt, sich in der Welt zu erproben, kaufte er sich einen Ewer und fuhr Fracht nach England. Er taufte ihn auf den Namen seiner Frau "MARIA", einer geborenen Kordes aus Estebrügge. Sein Lebensschicksal wird durch eine zierliche Bleistiftnotiz in einem Familienbuch der Huberts festgehalten: Paul Hubert, geboren am 14. Januar 1811, am 29. November 1852 vom Hause gegangen, verloren Dezember 1852. Im Alter von 41 Jahren blieb Paul Hubert auf See, die sein Schiff mit Mann und Maus schluckte.

Die 37jährige Witwe und sieben unmündige Kinder blieben allein zurück. Aus eigener Kraft musste Mutter Maria sie nähren, kleiden und zu ordentlichen Menschen erziehen. Wie sie das machte, erscheint auch heute noch fast wie ein Wunder. Mit der Herstellung von Wachskerzen konnte sie sich ein großes Vermögen erwerben.

Schon 1854 gehörte ihr ein Schiff „MARIA 2", dem später die Schiffe „SIDONIE", „IMMANUEL" und „JOHANNA" folgten.

Trotz ihrem Kinderreichtum hatte sie es zu einem solchen Wohlstand gebracht, dass sie bei ihrem Tode am 4. August 1889 jedem ihrer sieben Kinder eine Erbschaft von 14.000 Mark hinterließ. Lange hieß es noch voll Bewunderung im Familienkreis „Hut ab vor Mutter Hubert", wenn man von der großen, blonden Frau sprach, deren Bild in der guten Stube der Cranzer Wohnung hing, eine ernste, energische Frau im schwarzseidenen Staat der Altländer Bauerntracht. Als in jenen traurigen Weihnachtstagen des Jahres 1852 Mutter Hubert vor dem Nichts stand, war das Haus voller Kinder, die alle ihrer Hilfe bedurften. Ihr ältester Sohn Johann war gerade erst vierzehn, das jüngste Kind sieben Monate alt. Johann - oder wie man ihn kurz nannte - Jan, fühlte Mitverantwortung, empfand die Schwere des Schicksals, das über die Mutter und die Kinder hereingebrochen war. Und Jan wollte mitverdienen, um es der Mutter leichter zu machen. So kam Jan mit vierzehn Jahren zu seinem Onkel in Neuhaus in die Lehre. Aber, wie der Vater, hielt auch er es bei dem biederen Handwerk nicht lange aus.

Er ging zur Seefahrt über, und mit 22 Jahren führte er als Kapitän selbständig das erste Schiff seiner Mutter. Zwei Jahre später heiratete er die Tochter des angesehenen Cranzer Schiffsreeders und Kapitäns Nikolaus Wettern. Jan Hubert und seine jungvermählte Frau Engel machten ihre Hochzeitsreise auf dem Schiff "JOHANNA". In Genua konnte der junge Kapitän seiner Frau etwas von der Schönheit der Welt zeigen, von der alle jungen Herzen hinter den Este- und Elbdeichen träumten. Der welterfahrene Schwiegervater mochte dem jungen Jan Hubert einen guten Start ins Leben gegeben haben, denn schon bald stand Jan am Steuer seines dritten Schiffes, der schnellen "ANTELOPE", die er lange auf Südamerikafahrt führte und deren Besitzer und Reeder er als Partenreeder mit seinem Schwiegervater zusammen war. Die ANETOLE wird damals eines der schnellsten Schiffe der Cranzer Flotte gewesen sein und segelte regelmäßig auf der Linie Hamburg – Rio.
Nach der Hochzeitsreise begleitete Engel ihren Mann nicht mehr auf seinen Fahrten; denn nach Rückkehr von der ersten Reise nach Südamerika kam schon eine kleine Maria in dem Hause in Cranz an, das Schwiegervater Wettern 1851 gebaut hatte und in dem Jan und Engel nun wohnten. Ihre erste Tochter nannten sie Maria nach Jans tüchtiger Mutter, wenig später folgten Emma, dann Pauline. Erst das vierte Kind wurde ein Junge: Ernst Franz, der 1903 eine Tranfabrik in Drestedt bei Hollenstedt gründete. Ihm folgten noch zwei Brüder: Johannes und Gustav. Johannes wurde Kapitän bei der Reederei H. M. Gehrkens und ist die Person, um deren Autobiographie es hier geht, Gustav ging als Exportkaufmann nach Südamerika (Bolivien).
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