Schau´, da vorne steht er, der Kerl mit dem altertümlichen Monokel in der Augenhöhle.“
„Anastasia, ich kenne van Saia doch schon viele Jahre, nicht erst seit er Premierminister von England geworden ist, aber dieses Monokel muss er irgendwo ausgegraben haben, mit diesem Ding hätte ich ihn fast nicht erkannt. Warte doch bitte einen Moment, und lasse mich noch mein Glas kurz abstellen.“
Heronimus konnte gerade noch sein Weinglas auf einem Tisch positionieren ehe Anastasia ihn weiterzog.
Zu Fiorenza gewandt rief er ihr zu:
„Bin gleich wieder zurück, schau´ den Herren nur nicht zu sehr auf ihre Anzüge.“
van Saia stand in einer kleinen Gruppe unweit einem kleinen Teich in denen sich feuerrote fette Karpfen tummelten und winkte Anastasia und Heronimus herbei.
„Mein lieber Faun, Sie machen sich ja zurzeit sehr rar, Sie arbeiten zu viel und nehmen sich zu wenig Zeit für das Leben.“
Wendete er sich mit einem tiefen Lachen Heronimus zu.
„Was muss ich da hören, Sie sind nur ein paar Stunden hier in Siena?“
„Hier hat man Sie falsch informiert Herr Premierminister.“
Erwiderte Faun mit einem jovialen Lächeln, das die Frauen an ihm so liebten.
„Werde mich durchaus ein wenig länger hier in Siena aufhalten, wie wäre es mit einer Partie Golf die nächsten Tage – wollen Sie mich anrufen wenn es ihnen passt?“
„Sehr gerne Faun wie wäre es gleich Morgen gegen 11.00?“
„Schön, um 11.00 Uhr, dann können wir alles Weitere zum Stand meiner Forschung in Ruhe besprechen, und müssen nicht diesen netten Abend hierfür missbrauchen.“
Die beiden lösten sich langsam aus der kleinen Gruppe und schlenderten ein wenig aus dem Trubel heraus Richtung Waldrand. Es gab viel zu erzählen, hatten sie sich doch schon längere Zeit nicht gesehen.
Während die Gesellschaft diesen Abend weiter in der lauen Sommernacht genoss, wurden 200 km südlich von Auckland, am anderen Ende der Welt die Weichen für ein Spektakel der ganz besonderen Art gestellt.
Faun war gerade in ein hochinteressantes Gespräch mit der Gastgeberin vertieft als er von Salmersen, dem persönlichen Sekretär des Premier van Saia, zum Telefon gebeten wurde.
„Herr Faun, Telefon für Sie.“
„Danke Salmersen, Faun, wer spricht?“
Ein Klicken in der Leitung und er hörte seinen besten Freund Benjamin Slim in der Ohrmuschel.
„Benjamin, was ist los bei Euch, daß du mich hier anrufen mußt?“
Stille in der Leitung, dann die tiefe Stimme des Freundes, die immer sehr überlegt und ihm oft zu langsam entgegen stieg.
„Faun“, auch er nannte ihn meist nur bei seinem Nachnamen,
„Es ist uns gelungen die Systeme vier Stunden laufen zu lassen, und alles ohne Unterbrechung! Vier Stunden wie findest du das?“
„Ich kann es gar nicht glauben Benjamin – wir haben es geschafft, was meint unser kleiner Japaner dazu?“
„Er ist ganz aus dem Häuschen, andauernd springt er in die Luft und schreit laut vor sich hin viel Stunden, viel Stunden Sugato war dabei, viel Stunden.“
„Phantastisch, Benjamin lasse uns Morgen weiter darüber reden, du mußt mir vor allem die Zahlen senden, das sind ja tolle Nachrichten, hatte selbst nicht damit gerechnet, daß ihr so schnell seid. Wie habt ihr das nur angestellt? Hast du dein Team aufgestockt oder hast du nur wieder gezaubert? Wir müssen unbedingt Morgen länger telefonieren, hier auf dem Fest finde ich keine ruhige Ecke. Gute Nacht oder muss ich besser sagen Guten Morgen? – Hoffentlich kannst du ein wenig schlafen.“
„Gute Nacht.“
So manchem anderen Wissenschaftler hätte es nun gedrängt seinen engsten Vertrauten von dieser so wichtigen Nachricht zu erzählen. Nicht so Heronimus, er war nicht der Mensch vieler Worte, er konnte sich auch so freuen, die Minuten des Triumphes genießen, ja sie gerade in sich aufsaugen, jeden einzelnen Tropfen.
Sein Blick legte sich zufrieden über das Anwesen hier, und er lehnte sich innerlich zurück – er hatte es gewusst, er hatte die Zahlen dem Team zur Verfügung gestellt – es musste funktionieren viele Abende hatte er über den letzten Problemen gebrütet, bis er die Lösung vor Augen hatte, nun wurde er für die vielen Stunden belohnt.
Die Konsequenzen aber die diese Arbeit mit sich bringen würden - vor ihnen hatte er stets mit Respekt einen Abstand eingenommen - weil es ihm bewußt war, was dies für die Welt, die Menschheit bedeuten würde – ganze Industrien würden über Nacht bedeutungslos – Hunderttausende würden ihre Arbeit verlieren feste Strukturen, die sich über Jahrhunderte gebildet und etabliert hatten, würden ihrer Existenz hinterfragt werden müssen – nicht wenige dabei zerbrechen.
Es war nicht abzusehen was es an Veränderungen nach sich ziehen würde – er mochte jetzt nicht daran denken, und wandte sich seinen Freunden zu die ihn bereits suchten.
Er begab sich ein paar Stufen tiefer zu der kleinen Gruppe um den Premierminister van Saia. Inzwischen hatte sich auch Fiorenza dazugesellt.
„Nun Faun, haben Sie schon den neuen Jahrgang aus meinem Weinkeller probiert?“
van Saia trat auf ihn zu und legte seinen Arm auf Fauns Schulter - in diesem Moment sahen sie aus wie zwei alte Schulfreunde, die etwas Großes zu feiern hatten.
„War mir leider noch nicht vergönnt, Herr Premierminister“
„Herrgott Faun, dann bitte machen Sie mir die Freude und trinken ein Gläschen mit mir, Salmersen, bringen Sie dem Herrn doch bitte ein Glas vom Null Dreier Hochgewächs. Sagen Sie Faun, ist das war, was man so hört, bezüglich ihres Projektes?“
Sie waren inzwischen wieder ein wenig Abseits der Gesellschaft, am Waldrand angekommen und die Stimme van Saias hatte sich immer weiter in der Lautstärke abgesenkt, um nur ja kein Wort an falsche Ohren dringen zu lassen.
„Herr Premierminister, Sie werden sicher verstehen, daß ich zum gegenwärtigen Zeitpunkt keinen Anlass zu weiteren Spekulationen geben möchte, die das Projekt q20 gefährden könnten. Nur soviel sei Ihnen unter dem Siegel der Verschwiegenheit verraten, wir machen gute Fortschritte in dem Projekt, und wenn nichts dazwischen kommt, sollten wir in absehbarer Zeit in den Regelbetrieb übergehen können.“
„Das ist ja nahezu phantastisch Faun, ist ihnen klar was das bedeutet?“
„Nur zu gut Herr Premierminister, mir ist nicht wohl bei diesem Gedanken – habe leider zu spät damit begonnen mich unter diesem Gesichtspunkt mit meinem Projekt auseinanderzusetzen, aber manchmal ist es vielleicht auch besser sich nicht durch ethische und moralische Bedenken von seinem Vorhaben abhalten zu lassen – wer kann das schon mit Bestimmtheit von sich behaupten?“
Sie waren inzwischen wieder bei der kleinen Gruppe angekommen, und seine Worte waren ebenso leise wie beschwörerisch geworden, beide wussten, daß kein Wort ihres Gesprächs weitergetragen werden würde, und sie begaben sich wortlos zurück in den Kreis der Gesellschaft.
Es war wieder einmal eines der schöneren Feste. Oft ging die Konversation auf solchen Festen nicht über belangloses Geplapper über Politik und Wirtschaft hinaus. Zu viele Gäste wollten ungebeten ihrer Meinung freien Lauf lassen und machten vor keinem Thema halt.
*
Am nächsten Morgen schlugen sie beide fast Zeitgleich ihre Augen auf und ließen sich das Frühstück aufs Zimmer kommen, um dieses gemeinsam im Bett einzunehmen. Fiorenza hatte sich zwei riesige Kissen hinter ihren Rücken gestopft, um bequem zu sitzen, Heronimus genügte eines und er reichte ihr den Brotkorb mit den Worten:
„Oben oder Unten?“
„Unten“, sagte sie mit einem Lächeln, und griff nach der Unterseite eines Brötchens.
„Seit wann magst du nicht mehr die Oberseite“, fragte er verwundert.
„Seit heute“, antwortete sie schelmisch und griff nach dem Butterfass.
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