„Da könnte etwas Wahres dran sein Fio, kommst du mit zum Pool, ich würde gerne noch ein paar Runden schwimmen, ehe wir zu Rahel gehen.“
Heronimus war inzwischen aufgestanden und ging in Richtung Dusche, um von dort direkt vom Beckenrand in die Fluten verschwinden zu können.
„Warte einen Moment, ich komme sofort“,
-steckte ihre Haare hoch, entledigte sich mit einer raschen Handbewegung ihres Kleides und rannte zu Heronimus herüber. Dieser war aber bereits ins Wasser gesprungen und winkte ihr mit den Armen, ihm ohne Umwege zu folgen.
„Wer wird denn heute Abend alles erwartet? – Kommt Irina eigentlich auch?“
„Weiß ich nicht, seit sie ihren Laden in der Altstadt vergrößert hat, ist sie kaum noch bei Rahel anzutreffen.“
„Schade“, sagte er und zerrte an ihren Füßen.
„Lass´ uns einfach eine Stunde später dort erscheinen“
Sprach´s, und tauchte unter ihr hindurch, um am gegenüberliegenden Beckenende wieder aufzutauchen.
„Das geht nicht Heronimus, man hat mich dieses Mal ausdrücklich um pünktliches Erscheinen gebeten“, sagte Fiorenza und paddelte ein wenig in Rückenlage mit ihren Händen um sich über Wasser zu halten.
„Nun, wenn das so ist, dann müssen wir unseren Erfrischungsausflug jetzt beenden“, nahm sie in die Arme und hob sie aus dem Wasser.
Er war ein wenig enttäuscht über diese kurze sportliche Einlage. Hatte er sich doch auf diese Art der Fortbewegung gefreut. In Deutschland war es noch lange nicht warm genug um sich in einem ungeheizten Schwimmbecken zu dieser Jahreszeit vergnügen zu können. Aber er war ja noch ein paar Tage hier in diesen südlichen Gefilden um sich dieser Erfrischung hingeben zu können.
*
Das Licht der Scheinwerfer strahlte an jedem zweiten Baum senkrecht in die Baumkronen der Allee.
Schön war es anzusehen, über die Allee zu gleiten – an deren Ende man das alte Herrenhaus in mildes Scheinwerferlicht getaucht erblicken konnte.
Fiorenza lackierte sich nur noch schnell den letzten kleinen Nagel ihrer linken Hand, wedelte mit dieser hin und her, um dann mit einem Seufzer ihre Utensilien in ihrer Handtasche verschwinden zu lassen.
Der Wagenschlag wurde durch einen livrierten jungen Mann geöffnet und Heronimus geleitete sie die prachtvolle Treppe hinauf. Oben stand Rahel und begrüßte ihre Gäste.
„Hallo Fio, schön daß ihr es einrichten konntet, hatte nicht damit gerechnet Euch heute Abend hier begrüßen zu dürfen, wolltet ihr nicht in Porto Alegre sein?“
„Ja wollten wir, aber du kennst ja den Stand der Dinge – wir werden dies in zwei Wochen nachholen, denke ich – hoffe ich“ korrigierte sie sich.
„Hallo Heronimus, wie geht es Dir? Hast du mir von diesen vorzüglichen Krabben mitgebracht?“
„Habe ich nicht vergessen, wurden heute Morgen frisch für Dich angeliefert, frisch gefangen und geschält, und sollten bereits in deiner Küche gelandet sein. Du siehst gut aus Rahel, ist dein lieber Bruder auch schon eingetroffen?“
„Ja, ja ist er. Sie sind, glaube ich, alle im Garten.“
Rahel van Saia, geborene Castilliani, war mit dem Premierminister von England verheiratet und war eine enge Freundin von Fiorenza. Sie waren gemeinsam hier in Siena zur Schule gegangen, beide durchlebten eine behütete Kindheit, bis sie sich durch Studium und Familie ein wenig aus den Augen verloren hatten. Aber durch ihrer beider Elternhäuser hier in der Stadt, trafen sie sich immer wieder, egal welchen Winkel der Erde sie beide gerade bereist hatten.
Rahel konnte ebenso wenig wie Fiorenza von Italien lassen und verbrachte die meiste Zeit des Jahres hier in Siena in ihrem Elternhaus. Sie hatte es mit viel Geschmack sanieren lassen, nachdem ihre Eltern verstorben waren, und lebte gerne hier mit Ihrer Familie, wann immer sie Zeit dazu fanden. Ihr Mann fand die Anreise so manches Mal ein wenig zu aufwendig - musste er doch beruflich oft genug weite Wege gehen und hätte gerne sein altes Herrenhaus in England dieser italienischen Variante den Vorzug gegeben. Aber auch er hatte sich mit der Zeit an die italienische Lebensart gewöhnt, der man hier sehr schnell verfallen konnte, und nahm die langen Anreisen gerne in Kauf.
Da er im Jahr Tausende von Kilometern hinter sich brachte um sein Land angemessen in der Welt zu vertreten und zu repräsentieren und seine Geschicke zum Wohle des englischen Volkes zu lenken kam es ihm auf diese geringen Entfernungen auch nicht mehr an. Er zog es inzwischen gerne vor hier und nicht in einem dieser alten und meist kalten englischen Herrenhäuser auszuspannen. Er war es zwar seit Kindesbeinen gewöhnt, war aber inzwischen sehr froh darüber diesen Kästen auch einmal entfliehen zu können.
Sie betraten die etwas kühl gehaltene Halle, um ihre Mäntel abzulegen.
An den alten Sandsteinwänden brach sich das warme Licht der aufgestellten Fackeln.
„Darf ich ihnen ihre Mäntel abnehmen?“
Fragte die Dame hinter dem Tresen Heronimus mit einem entzückenden Lächeln um ihre Mundwinkel.
„Sehr gerne.“ Erwiderte er abwesend den Blick zum Garten gewandt.
Sekunden später erreichte die Stimme seines Gegenübers sein Bewusstsein und er wendete sich der lieblichen Mantelabnehmerin zu.
„Was für reizende Ohrringe Sie tragen, haben Sie noch mehr dieser netten Accessoires?“
Sie quittierte seine Schmeichelei mit einem hinreißenden Niederschlag Ihrer Augenlieder, lang und schwarz waren diese und hatten schon so manches Männerherz erobert, und wandte sich ab.
„Wollen wir uns zu den anderen gesellen, soll ich Dir etwas zu trinken holen oder willst du kurz nach oben gehen, um Deine Schwestern zu begrüßen?“
Fragte er Fiorenza, die von hinten an ihn getreten war und ihm belustigt zugeschaut hatte.
„Nein, ich komme mit Dir ´raus – es ist ein wunderbarer Abend, und wir werden noch früh genug hinein müssen. Aber zu einem Cocktail lasse ich mich gerne von Dir überreden, die haben sicher den einen oder anderen leckeren für mich. Hast du Sir Gender gesehen, der sieht ja wieder umwerfend aus – hat sich bestimmt seinen Anzug wieder hier in Italien arbeiten lassen, so wie ich ihn kenne.“
„Mag sein mein Liebes, aber die Farben finde ich immer ein wenig unpassend – alles ein wenig zu schrill.“
„Mein lieber Heronimus – schön Dich auch mal wieder hier zu sehen. Wie lange bist du schon hier in Siena – ich hoffe nicht zu lange, da ich Dir sonst den Garaus machen müsste.“
Von hinten hatte sie sich herangeschlichen, und ihm ihre Hände auf seine Augen gelegt. Anastasia gehörte zu den liebenswerten Menschen, denen man es nie verübeln konnte immer ein wenig zu weit gegangen zu sein, auf jeden Fall war sie immer eine Spur zu laut.
„Nie würde ich es wagen, mich nicht bei Dir gemeldet zu haben, aber du mußt mir verzeihen, ich bin erst ein paar Stunden hier in dieser Stadt. Wie geht es Dir, hat Dich Dein Mann einmal mehr hier alleine zurückgelassen um sich in der sibirischen Einöde sein Süppchen zu kochen? Oder wohin hat es ihn zurzeit verschlagen?“
„Ach, du kennst ihn doch nur zu gut, Heronimus, er ist seit vier Monaten auf einer Forschungsreise zum Südpol unterwegs um sich dort mit ein paar Eisbären die Zeit zu vertreiben. Manchmal denke ich, er liebt sie eben doch ein wenig mehr als mich, meinst du nicht auch?“
Sprach´s, und nahm Heronimus an ihre Hand als wolle sie ihn zum nächsten Tisch entführen. Das war Anastasia. Meist fragte sie nicht lange, sondern verwickelte ihre Begleiter sofort in ein sehr persönliches Gespräch oder wie in diesem Falle zog Heronimus einfach hinter sich her.
„Komm´ ich geleite dich zum Premierminister, der wollte dich heute unbedingt sprechen, um dir ein paar bohrende Fragen stellen zu können, so hat er sich wenigstens bei mir ausgedrückt.
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