"Bitte, Robert, nimm Vernunft an. Du bist kein kleines Kind mehr", sagte Rebecca ärgerlich. "Ich kann dich heute Morgen wirklich nicht begleiten. Nach der Ausstellung wird alles anders sein."
"Das höre ich bereits seit Wochen." Der junge Mann war so wütend, dass er seine Freundin am liebsten genommen und durchgeschüttelt hätte. "Schade, dass ich nicht eines deiner Bilder bin. Dann würdest du dich wenigstens für mich interessieren."
Rebecca fand Roberts Verhalten einfach kindisch. Konnte sie nicht von einem erwachsenen Mann erwarten, dass er auch einmal zurücksteckte, wenn es sein musste? "Ich habe heute zu arbeiten, Robert, ich kann dich nicht begleiten", wiederholte sie.
"Ist das dein letztes Wort?", fragte er zornig. "Überlege dir gut, was du sagst, Rebecca. Meine Geduld hat Grenzen. Entweder du kommst mit mir mit, oder ..." Betroffen hielt er inne. Er hatte nicht vorgehabt, ihr ein Ultimatum zu stellen. "Rebecca, wir lieben uns. Warum müssen wir uns ständig streiten?"
"Wer streitet sich denn?", fragte die Malerin angriffslustig.
"Darling, mir ist es ungeheuer wichtig, dich heute an meiner Seite zu haben", sagte Robert. "Kommt es wirklich auf ein paar Stunden an?"
"Nach meiner Ausstellung werde ich mehr Zeit für dich haben", versprach die junge Frau erneut und lächelte ihm zu. "Die Vernissage wirst du heute noch einmal ohne mich durchstehen können."
"Nein."
Rebecca zuckte zusammen. "Wie meinst du das?"
"Ich denke nicht daran, ständig nachzugeben, Rebecca", erwiderte Robert. Er beschloss, hart zu bleiben. Es ging nicht an, dass sie meinte, sich durch ihre Arbeit allem entziehen zu können. "Ich verlange, dass du meine Arbeit genauso wichtig nimmst wie deine. Während der letzten Wochen und Monate bin ich oft genug zurückgestanden."
"Sieht aus, als währst du auf meinen Erfolg eifersüchtig", bemerkte Rebecca wütend. Noch während sie es sagte, tat es ihr bereits leid. Doch sie entschuldigte sich nicht.
"Eifersüchtig?", wiederholte Robert Hale fassungslos. "Gut, wenn du meinst, ich wäre eifersüchtig, so ist das deine Sache. Mir reicht es jedenfalls. Tut mir leid, Rebecca, ich denke nicht daran, länger den Clown für dich zu spielen und dir jederzeit zur Verfügung zu stehen." Er sah sie verächtlich an. "Du wirst lernen müssen, dass es außer dir noch andere Menschen auf der Welt gibt und jeder Einzelne von ihnen mindestens dieselben Rechte hat wie du." Er wandte sich der Tür zu, zögerte jedoch, sie zu öffnen. Er hoffte, dass seine Freundin einlenken würde.
Ich darf ihn nicht so gehen lassen, dachte die junge Frau bestürzt. Seine erbitterten Worte hatten sie bis ins Mark getroffen. Sie fühlte sich bloßgestellt. Sie gestand sich ein, dass sie ihre Arbeit stets wichtiger als seine genommen hatte.
"Dann leb wohl", sagte Robert und trat ins Treppenhaus. Laut fiel die Tür hinter ihm ins Schloss.
Wie betäubt starrte Rebecca auf die geschlossene Tür. Wertvolle Minuten vergingen. Endlich kam Leben in sie. Obwohl sie nur einen Bademantel trug und um ihre Haare ein Handtuch geschlungen hatte, stürzte sie ins Treppenhaus. "Robert!", rief sie. Es war zu spät. Die Haustür fiel gerade zu.
Niedergeschlagen kehrte die Malerin in ihre Wohnung zurück. In aller Eile zog sie sich an. Sie wollte ihrem Freund zur Ausstellung folgen. Erst als sie sich kämmte, fiel ihr ein, dass sie nicht einmal wusste, wo die Ausstellung stattfand. Es war Sonntag, alle Stellen, bei denen Sie sich nach der Maud Collegen-Ausstellung hätte erkundigen können, hatten geschlossen.
Ob Paul wusste, wo die Ausstellung stattfand? Rasch suchte sie aus ihrem Telefonbuch die Nummer des Freundes heraus und wählte. Nach dem zehnten Klingelton gab sie es auf. Paul war sicher zur Vernissage gefahren.
Ich werde Robert nachher anrufen, dachte sie und zog sich um. Dieser Streit war so unnötig gewesen. Sie machte sich heftige Vorwürfe. Hatte Robert nicht recht? Kam es wirklich auf ein paar Stunden an? Kein Wunder, dass er glaubte, sie würde seine Arbeit nicht schätzen. Wie viel Zeit hatte er während ihrer Krankheit versäumt. Stundenlang hatte er an ihrem Bett gesessen, war stets zur Stelle gewesen, wenn sie ihn gebraucht hatte.
An diesem Vormittag machte sich Rebecca reichlich lustlos an ihre Arbeit. Sie fühlte sich schuldig. Es fiel ihr schwer, sich auf das Malen zu konzentrieren. Immer wieder glitten ihre Gedanken zu Robert ab. Sie konnte es kaum noch erwarten, mit ihm zu sprechen, sich bei ihm zu entschuldigen. Wie gerne hätte sie die letzten Stunden ungeschehen gemacht.
Hinterher ist man immer schlauer, dachte sie und mischte die Farben für den Hintergrund von Drago Castle, einem unheimlichen Besitz, der in der Nähe des Sommerhäuschens lag, das sie vor zwei Jahren in Cornwall gekauft hatte.
Wir sollten nach der Ausstellung nach Cornwall fahren und dort ein paar ruhige Wochen verbringen, überlegte die Malerin. Ein erwartungsvolles Lächeln umspielte ihre Lippen. Sie stellte es sich sehr romantisch vor, die Abende mit Robert vor dem Kamin zu verbringen. Im Wohnraum ihres Hauses gab es ein Klavier. Ihr Freund würde also nicht einmal auf seine Arbeit verzichten müssen.
Es kommt alles wieder in Ordnung, versuchte sie sich einzureden. Ganz sicher. Sie liebten einander. Robert würde ihr verzeihen, da war sich Rebecca ganz sicher.
Robert Hale dachte nicht daran, seiner Freundin zu verzeihen. Auch wenn er Rebecca nach wie vor liebte, er konnte es nicht ertragen, stets hinter ihrer Arbeit zurückstehen zu müssen. Immer wieder versuchte die junge Frau, sich mit ihm zu versöhnen. Er war nicht dazu bereit.
"Vermutlich ist es sogar besser so", bemerkte Rebecca resignierend zu Paul Jones, als dieser ihr half, die letzten Bilder in die Galerie zu bringen. "Robert und ich passen nicht zueinander. Wir sind zu verschieden."
"Absoluter, Unsinn, Rebecca", erwiderte der junge Mann. "Aber Robert kann genauso dickköpfig sein wie du. Wenn zwei Menschen zusammengehören, dann ihr beide." Er legte die Hände auf ihre Schultern. "Gib ihn nicht auf, bitte."
"Er hat mich aufgegeben", meinte Rebecca mit einem schmerzlichen Lächeln. Sie vermisste Robert mehr, als sie sich eingestehen wollte. Meist erwachte sie sogar mit den Gedanken an ihn.
"Verlaß dich darauf, übermorgen wird er an deiner Seite stehen und die Gäste begrüßen", sagte Paul Jones. Er zwinkerte ihr zu. "Notfalls werde ich ihn hinschleifen."
Die Malerin schüttelte den Kopf. "Nein, Paul, ich möchte nicht, dass du Robert zwingst, die Ausstellung zu besuchen. Wenn, dann soll er freiwillig kommen."
"Nun, er wird es bestimmt", versicherte Paul. "Ich kenne ihn." Er hob ein großes Bild aus dem Kofferraum seines Wagens und reichte es einem der Männer, die für die Galerie arbeiteten. "Darf ich dich zum Essen einladen, Rebecca?"
"Mister Kessler hat mich schon eingeladen, Paul, tut mir leid." Die junge Frau sah ihn an. "Danke für deine Hilfe. Ich würde dir gerne Grüße an Robert auftragen, nur wird er auf sie kaum Wert legen. Machs gut."
"Bis zur Vernissage, Rebecca. Kopf hoch!" Paul küsste sie auf die Wange und stieg in seinen Wagen. Zum Abschied hupte er noch zweimal hintereinander, dann fuhr er davon.
Rebecca wandte sich seufzend um und betrat die Galerie durch den Hintereingang. Bis zur Ausstellungseröffnung waren es noch zwei Tage. Es gab noch einiges mit Arthur Kessler zu besprechen. Zur Vernissage wurde auch die Presse erwartet. Sie wollten festlegen, was sie den Journalisten sagen würden.
"Sieht aus, als würde am Samstagabend alles klappen", meinte der beleibte Galerist strahlend, als die Malerin sein Büro betrat. "Gerade habe ich noch einmal mit dem Agenten der Field-Sisters gesprochen. Sie sind mit den Musikstücken einverstanden, die wir aus ihrem Repertoire ausgewählt haben."
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