Sie blickte ihn erstaunt an.
»Also? Können wir uns auf absolute Ehrlichkeit einigen?«
Sie lächelte und nickte.
»Du hast dich in mich verliebt?«, fragte sie sehr leise. Ihre Stimme zitterte. Meinte er das im Ernst? Sie spürte, wie ihr das Herz gegen die Rippen hämmerte. Sie konnte es kaum fassen. Er erwiderte ihr Lächeln und nickte.
»Ja, und wie.«
Automatisch fanden sich ihre Lippen zu einem innigen Kuss.
»Verrätst du mir nun, was dich bedrückt?«, fragte er schließlich. Sie schluckte trocken und nickte dann. Schließlich hatte sie es ihm gerade versprochen.
Absolute Ehrlichkeit...
»Ich frage mich... ob es dir lieber gewesen wäre, wenn ich... naja... Musik so mögen würde wie du. Oder wenigstens wie meine Schwester.«
Er schien kurz darüber nachdenken zu müssen.
»Mh...«, machte er. »Es ist immer schön, ein gemeinsames Hobby zu haben, aber das muss ja nicht unbedingt die Musik sein.«
Sie sahen sich in die Augen, doch Khyra fühlte sich nicht im Mindesten beruhigt. Stattdessen presste sie die Lippen aufeinander.
»Khyra, wir kennen uns doch noch kaum. Ich weiß nur, dass sich das mit uns gut und richtig anfühlt. Mach dir bitte keine Gedanken darum, dass mich das stören könnte, dass du nicht so ein Musik-Freak bist, wie ich.«
Zaghaft lächelte er sie an und sie gab sich einen Ruck und erwiderte es. Absolute Ehrlichkeit... Sie musste ihm vertrauen, wenn sie das mit ihm auf diese Weise wollte.
»Was machst du heute noch?«, fragte Kian schließlich, als sie sich endlich ihrem Frühstück zuwandten. Khyra verzog in dem Moment das Gesicht, als der Kellner vorbei lief und sie missmutig anstarrte. Verdammt, er dachte jetzt bestimmt, ihr Blick war dem Rührei geschuldet, das er so angepriesen hatte.
»Ich muss wohl noch ein wenig schlafen. Ich habe heute Nachtdienst.«
»Was arbeitest du?«
Sie lächelte leicht verlegen.
»Ich bin Hebamme.«
Er wirkte überrascht.
»Wow«, stieß er aus und musterte sie. Dann lächelte er.
»Passt irgendwie zu dir.«
»Ich liebe meinen Beruf, aber die Arbeitszeiten sind manchmal der Horror. Nachtdienste zum Beispiel bringen meinen ganzen Biorhythmus durcheinander. Ach was rede ich... Ich hab gar keinen mehr.«
Er lachte.
»Wenigstens hast du so etwas wie einen richtigen Beruf.«
»Du bist Singer and Songwriter «, sagte sie und lächelte ihn an. »Das kann auch ein Beruf sein. Das Wort kommt ohnehin von Berufung. Und die wahre Berufung ist das, was uns glücklich macht.«
Er grinste gequält.
»Das klingt sehr philosophisch«, sagte er, während er sein Brötchen mit Marmelade bestrich. Sie lachte.
»Ich weiß, manchmal spinne ich.«
»Naja, es ist nun mal so, dass man als Mann immer das Gefühl hat, nicht genug zu leisten, wenn man kaum genügend Geld verdient, um die Miete bezahlen zu können.«
»Das ist nicht ausschließlich ein Männerproblem. Aber vielleicht kratzt das bei euch mehr am Ego, als bei uns Frauen.«
Er funkelte sie an, legte sein Brötchen aus der Hand und fing an sie in die Seite zu pieksen. Sie schrie lachend auf, ließ ihre Gabel fallen und fing sich ein paar böse Blicke von den Nachbartischen ein. Doch das war ihr egal.
Reflexartig hatte sie seine Hände umfasst und nun zog er sie nicht mehr zurück. Ihre Finger berührten sich. Khyra strich über die leicht raue Haut seiner Handflächen und schloss für einen Moment die Augen. Seine Hände waren so schön warm und stark... Sie wollte, dass er sie umfing, sie festhielt und nie mehr damit aufhörte, sie zu küssen. Sanft strich sie über seine Unterarme und erschauderte leicht, als er hörbar ausatmete. War dieses Gefühl für ihn genauso prickelnd und neu, wie für sie?
»Was machst du nur mit mir?«, hauchte er leise und zitterte leicht. Sie lächelte.
»Dieselbe Frage könnte ich dir stellen.«
Ein wenig nervös beugte sie sich vor und küsste ihn. Er erwiderte den Kuss ebenso sanft und vorsichtig. Langsam hob er die Hand und ließ sie in ihren Nacken gleiten.
»Du bringst mich um den Verstand, Prinzessin«, hauchte er dicht an ihren Lippen. Sie atmete hörbar aus und versuchte verzweifelt, sich zu konzentrieren.
»Lass uns fertig frühstücken und dann verschwinden«, flüsterte sie. Er hob den Kopf und betrachtete sie.
»Ich glaube es wäre nicht die beste Idee, wenn wir uns in deine Wohnung zurückziehen. Und in meine genauso wenig. Chris ist nämlich auch nicht da. Der trifft sich mit deiner Schwester.«
Sie machte große Augen.
»Im Ernst jetzt?«
Kian nickte.
»Er war auch schon fast auf dem Weg zu ihr, als ich losgegangen bin.«
»Aber ihr Freund ist gestern Abend aus Dublin gekommen. Er saß vor ihrer Tür. Das hat sie mir geschrieben.«
Sie blickten einander an.
»Und das heißt?«, fragte Kian, der das Unbehagen in ihren Augen richtig zu deuten schien.
»Er wird furchtbar schnell eifersüchtig. Er ist ein echter Idiot. Einer von der Sorte, die alles anbaggern, was Brüste hat. Selbst bei mir hat er das versucht. Nadeya müsste ja nichts davon erfahren. Also echt...«
»Wie ist deine Schwester denn an so einen geraten? Sie sieht nicht aus, als würde sie sich alles gefallen lassen.«
Sie schüttelte den Kopf.
»Nadeya trägt eine Maske. Immer und überall.«
Fasziniert betrachtete Nadeya den glatten, muskulösen Oberkörper ihres Freundes. Mit den Fingerspitzen glitt sie über seine ausgeprägten Muskeln und lächelte dabei. Er schlief noch, regte sich jedoch unter ihrer Berührung.
»Babe, lass mich schlafen«, murmelte er und drehte sich so zur Seite, dass er halb auf ihr drauf lag. Sie schnappte nach Luft.
»Du erdrückst mich«, beschwerte sie sich, doch im nächsten Augenblick fanden seine Lippen die ihren. Sie küssten sich, während Alans Hände ihre in die Kissen drückten.
»Babe, du machst mich wahnsinnig«, hauchte er, während er seinen Körper an ihren presste. Sie lachte und in diesem Augenblick klingelte es. Er stöhnte.
»Wer auch immer da ist, bitte erschieß ihn.« Wieder lachte sie.
»Das ist bestimmt nur der Paketdienst. Ich hab mir vor ein paar Tagen Klamotten bestellt.«
»Ach, dann soll er das Ding unten abstellen und sich verziehen«, sagte Alan und wollte sie erneut küssen, doch sie befreite sich.
»Geh schon mal duschen. Ich komm gleich nach.«
Er gehorchte und verließ den Raum, während sie rasch in sein T-Shirt schlüpfte. Es war so lang, dass es ihre Unterhose versteckte.
Sie ging zur Sprechanlage, als es ein zweites Mal klingelte.
»Ja?«
»Hi, hier ist Chris.«
Fuck!
Sie hatte ihn total vergessen. Sie fluchte leise, während sie fieberhaft nachdachte, was sie jetzt tun sollte.
»Ähm... soll ich rauf kommen? Die Haustür ist nur angelehnt.«
»Nein!«, stieß sie aus. »Ich komme runter.«
Sie musste sich beeilen. Alan durfte auf keinen Fall mitbekommen, dass sie sich mit einem anderen Mann verabredet hatte. Auf die Szene, die er ihr machen würde, hatte sie absolut keinen Bock.
Sie schlüpfte barfuß in ihre Chucks. Ohne sie zu schnüren oder sich Gedanken um ihr Outfit zu machen, griff sie nach dem Wohnungsschlüssel und rannte die Stufen hinab. Warum zum Henker wohnte sie im fünften Stock? Vielleicht sollte sie Chris bitten, ihr doch eine andere Wohnung zu suchen...
Als sie die letzten Stufen hinab sprang, stand sie plötzlich direkt vor ihm. Gleichzeitig wichen sie einen Schritt zurück. Er musterte sie leicht erstaunt.
»Du weißt, dass du keine Hose anhast, oder?«
Sie ging nicht darauf ein.
»Du musst sofort hier verschwinden«, sagte sie eindringlich.
»Was?«
Читать дальше