Martin Berthold Heinrich Diebma
PUZZLE - Mord am Kanal
Ein Schleswig-Holstein-Krimi
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Inhaltsverzeichnis
Titel Martin Berthold Heinrich Diebma PUZZLE - Mord am Kanal Ein Schleswig-Holstein-Krimi Dieses ebook wurde erstellt bei
Erstes Buch: Charlotte Erstes Buch: Charlotte Prolog Sie floh. Niemals zuvor hatte sie so etwas empfunden, so eine totale, umfassende, existentielle Angst. Es war die Angst vor dem Nichts, dem Ausgelöschtsein, dem Dunkel der unendlichen Nacht. Aus ihr schöpfte sie die geradezu übermenschliche Kraft, mit der es ihr gelang, sich von ihrem Peiniger loszureißen. Blindlings, richtungslos hastete sie durch das Dickicht. Eine aus ihrer Nachtruhe aufgescheuchte Krähe schwang sich mit einem ärgerlichen Krächzen in die kühle Luft empor. Zwischen den düsteren Wolken ließ sich das blasse Antlitz des Mondes sehen. In der Ferne irgendwo heulte ein Uhu. Sie hatte keine gute Stelle gewählt. Dichtes Gebüsch und die Zweige eng stehender Bäume wehrten sich gegen ihr Eindringen mit fauchenden Peitschenhieben. Fichtennadeln zerkratzten ihr Hände und Gesicht. Schließlich stolperte sie und fiel. Sie fühlte die widerliche Hand des Peinigers ihren Fußknöchel umklammern. Dann stürzte er sich auf sie, und ihr Herz schien stillzustehen. Noch einmal wehrte sie sich verzweifelt, schlug um sich, kratzte, biss. Dabei verhedderte sich ihre Hand in einem Metallband, das ihr Feind um den Hals trug. Als sie sich davon freizumachen versuchte, bekam sie etwas Festes zwischen die Finger. Aus einem Impuls heraus zerrte sie daran. Es gab nach. Sie verschloss es in ihrer Faust, als könnte darin eine letzte Rettung liegen wie von einem magischen Amulett. Dann trafen sie auf einmal überall schmerzhafte Schläge, Schläge wie von einer Keule, so hart, so grausam, eine wüste, wütende Kanonade, die ihren Widerstand zertrümmerte. Eine monströse Klinge blitzte eine Zehntelsekunde lang über ihrem geschundenen Körper im fahlen Mondlicht auf, ein rötliches Schimmern. Blut. Ihr Blut. Nein, nein, schrie sie. Oder dachte sie es nur? Konnte sie noch schreien? Jetzt erst begann ein grausam stechender Schmerz in Bauch und Brust zu wüten. So viel Schmerz ist Tod. Das spürte sie und spürte den Tod in ihre Glieder kriechen, den kalten, finsteren, den unwillkommenen Gast. War das das Ende? Ach nein, bitte nicht! Sie liebte das Leben so sehr. Sollte sie wirklich den Tag nicht wiedersehen? Sollte in einer solchen Nacht alles enden? Ach, lieber Gott, falls du dort irgendwo bist, bitte, bitte, bitte nicht!
1 Der Fund
2 Freya
3 Bürger X
4 Eisenkrug
5 Diva
6 Benjamin
7 Armer reicher Mann
8 Das Tagebuch
9 Heike
10 Zerbrochener Krug
11 Unerwartete Begegnung
12 Lyrik
13 Der geheimnisvolle Brief
Zweites Buch: Hasso
1 Edelgard Kruses Tabakladen
2 Die Pyramide
3 Die Gebrüder Moor
4 Kino
5 Kronshagen
6 Am Scheideweg
7 Der Mann in der Mansarde
8 Ein Bild an der Wand
9 Das Ende einer Ära
10 Der Adler
11 Nachricht aus dem Totenreich
12 Der Friedhof
13 Blutrot und schneeweiß
14 Nächtlicher Anschlag
15 Blödmann
16 Küpper
17 Original und Fälschung
18 Heuchler
19 Enthüllung
20 Ein Abend in der Disco
Drittes Buch: Regina
1 Köpfchen
2 Getrennte Wege
3 Schwestern
4 Die Brücke
5 Herr und Hund
6 Advent
Impressum neobooks
Prolog
Sie floh. Niemals zuvor hatte sie so etwas empfunden, so eine totale, umfassende, existentielle Angst. Es war die Angst vor dem Nichts, dem Ausgelöschtsein, dem Dunkel der unendlichen Nacht. Aus ihr schöpfte sie die geradezu übermenschliche Kraft, mit der es ihr gelang, sich von ihrem Peiniger loszureißen. Blindlings, richtungslos hastete sie durch das Dickicht. Eine aus ihrer Nachtruhe aufgescheuchte Krähe schwang sich mit einem ärgerlichen Krächzen in die kühle Luft empor. Zwischen den düsteren Wolken ließ sich das blasse Antlitz des Mondes sehen. In der Ferne irgendwo heulte ein Uhu. Sie hatte keine gute Stelle gewählt. Dichtes Gebüsch und die Zweige eng stehender Bäume wehrten sich gegen ihr Eindringen mit fauchenden Peitschenhieben. Fichtennadeln zerkratzten ihr Hände und Gesicht. Schließlich stolperte sie und fiel. Sie fühlte die widerliche Hand des Peinigers ihren Fußknöchel umklammern. Dann stürzte er sich auf sie, und ihr Herz schien stillzustehen. Noch einmal wehrte sie sich verzweifelt, schlug um sich, kratzte, biss. Dabei verhedderte sich ihre Hand in einem Metallband, das ihr Feind um den Hals trug. Als sie sich davon freizumachen versuchte, bekam sie etwas Festes zwischen die Finger. Aus einem Impuls heraus zerrte sie daran. Es gab nach. Sie verschloss es in ihrer Faust, als könnte darin eine letzte Rettung liegen wie von einem magischen Amulett. Dann trafen sie auf einmal überall schmerzhafte Schläge, Schläge wie von einer Keule, so hart, so grausam, eine wüste, wütende Kanonade, die ihren Widerstand zertrümmerte. Eine monströse Klinge blitzte eine Zehntelsekunde lang über ihrem geschundenen Körper im fahlen Mondlicht auf, ein rötliches Schimmern. Blut. Ihr Blut. Nein, nein, schrie sie. Oder dachte sie es nur? Konnte sie noch schreien? Jetzt erst begann ein grausam stechender Schmerz in Bauch und Brust zu wüten. So viel Schmerz ist Tod. Das spürte sie und spürte den Tod in ihre Glieder kriechen, den kalten, finsteren, den unwillkommenen Gast. War das das Ende? Ach nein, bitte nicht! Sie liebte das Leben so sehr. Sollte sie wirklich den Tag nicht wiedersehen? Sollte in einer solchen Nacht alles enden? Ach, lieber Gott, falls du dort irgendwo bist, bitte, bitte, bitte nicht!
Auf einer Länge von exakt 98,7 Kilometern durchschneidet an ihrem südlichen Ende der Nord-Ostseekanal die Halbinsel Jütland und auf ihr das nördlichste deutsche Bundesland. Von der Kieler Bucht schlängelt sich die künstliche Wasserstraße, die eine der meistbefahrenen der Welt ist, an Rendsburg vorbei südwestwärts durch die norddeutsche Landschaft, gesäumt von Feld, Wald und Wiesen, wird dabei von zwei Autobahnen sowie der einzigartigen Rendsburger Schwebebahn überbrückt und an ihrem Endpunkt bei Brunsbüttel schließlich, die Türme eines maroden Atomkraftwerks im Rücken, eins mit der Elbe. Wie an der Hand einer großen Schwester strömt sie nach dieser Vereinigung hinaus in die unendliche Weite der rauen, nicht selten stürmischen Nordsee.
Natürlich haben sich die Schleswig-Holsteiner in ihrer schlichten Art nach hundert Jahren längst an dieses künstliche Gewässer in ihrem Binnenland gewöhnt. Keiner lebt mehr, der noch wüsste, wie es ohne den Kanal einmal war. Aber irgendwie ein komisches Ding, das der Ordnung der Natur gemäß hier nicht hingehört, ist es doch. Das spürt jeder, besonders dort, wo Wald an den Kanal grenzt. Hier kann es nämlich einem Wanderer, der sich im Wald verlaufen hat, durchaus passieren, dass in der Lichtung, der er sich hoffnungsvoll zu nähern meint, aus herbstlichen Nebelschwaden, wie von Geisterhand bewegt, ganz unvermittelt gespenstische Ozeanriesen vor seinen Augen auftauchen, und er wird Mühe haben, diesen zu trauen. Wer rechnet schließlich damit, mitten im Wald auf riesige Frachter und Passagierschiffe zu stoßen? Wüsste nicht jeder um die wirtschaftliche Notwendigkeit, der der Kanal seine Entstehung verdankt, er hielte diesen Giganten mitten im schleswig-holsteinischen Binnenland beim ersten Anblick für eine verrückte Laune der Natur.
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