Die Leute begannen miteinander zu flüstern, rasch erfüllte ein Raunen den Raum. Ein Dämon bedrohte die Welt? Das war ja fast so schlimm wie damals die Drachenplage von anno 444, als einer der Feuerdrachen das Stadtarchiv niederbrannte.
Zork verdrehte seine Augen und stöhnte. „Und ausgerechnet an diesem Morgen muss ich so einen Auftrag bekommen …“
„Und dieser Dämon kann nur von einem heldenhaften Magier gebannt werden“, deklamierte der Berater mit theatralisch erhobenen Händen. Er hatte offenbar an seiner effektvollen Verkündung des Orakels Gefallen gefunden und war nun erst in Fahrt gekommen.
Das Getuschel der Leute verstummte wieder.
„Dieser Magier kann nur von seiner heiligsten Majestät auf Erden, König John Tallgood, auf eine Queste geschickt werden!“ Er machte eine dramatische Geste, bevor er hinzufügte: „Und von sonst niemandem! Niemandem! Nur König John Tallgood kann ihn losschicken! Hört ihr?“
„Es ist ja gut“, meinte der König und bedeutete seinem Berater fortzufahren.
„Äh … ja, entschuldigt bitte, Eure Majestät! Ich habe mich ein wenig hinreißen lassen“, meinte der Berater kleinlaut, verbeugte sich vor seinem König und fuhr weniger dramatisch fort: „Unser aller König ist natürlich besorgt um die Sicherheit des großen Magus, weshalb er in seiner unendlichen Weisheit und Güte …“
Der König hüstelte. „Er soll zum Punkt kommen!“
„Äh … ja … also … Also er hat euch alle herbestellt, weil wir noch Helden brauchen, die den Magus begleiten, und … äh … diese Helden sind vielleicht … nun ja … vielleicht unter euch Heldenanwärtern, die …“
„Ja! Ich! ICH!“ Ein muskulöser Barbar bahnte sich begeistert den Weg mitten durch die Menge bis vor das Podest. „Ich bin genau der Richtige für diesen Job!“ Der Barbar trug mehrere Felle, die er anscheinend einigen Bären und Wölfen gegen ihren Willen abgenommen hatte. Auf seinem Kopf thronte ein silberner, spitz zulaufender Helm, aus dem zwei weiße Hörner ragten. Unter dem Helm lugte schmutziges strohblondes Haar hervor. Etwas weiter unten saß sein schmutziges Gesicht, auf dessen beiden Wangen mehrere Narben Geschichten von harten Schlachten erzählten. Seine Füße steckten in zwei dicken Fellstiefeln, die eine braun-schwarze Farbe aufwiesen, und auf dem Rücken trug er eine große Breitaxt.
„Oh, das ging aber schnell“, freute sich der Berater und grinste breit.
„Wer ist Er?“, wollte der König wissen, dem es ebenso gefiel, dass sich die Queste so gut anließ.
„Mein Name ist Björn Lars Donnerschlag, Herr!“ Er verbeugte sich kurz, aber tief vor dem König, bevor er fortfuhr: „Ich komme vom Stamm der Nordlandbarbaren und werde Euch und dem Magus helfen. Mein Gott, der rachsüchtige Ugnurr, auch genannt der übellaunige Zerschmetterer, wird uns schützen … falls er gut drauf sein sollte. Da könnt Ihr Euch sicher sein! Wenn nicht …“, er zuckte gleichgültig mit den Achseln, „… bringt er uns eben alle um!“
Einige der anwesenden Dorfbewohner klatschten wegen des mutigen Auftretens des Barbaren Beifall. Die Leute erfreuten sich an dem Spektakel, dass die Queste mit sich brachte.
„Und? Was haltet Ihr von ihm?“, wollte der Berater des Königs von dem König wissen.
„Wir?“ John Tallgood schaute verwundert drein. „Wieso Wir? Er ist doch der Berater! Wir wollten gerade Ihm diese Frage stellen!“
„Öh … äh… ja …“, stammelte der ratlose Berater des Königs. „Hmm …“ Er schaute sich den Barbaren von oben bis unten an, während dieser vor den Anwesenden einige Posen machte, um seine Stärke zu demonstrieren, und dabei ordentlich die Muskeln tanzen ließ. „Ja, ich empfehle, ihn zu nehmen!“, meinte er schließlich und nickte entschlossen.
„Ja, Wir schließen uns Seiner Meinung an“, erwiderte der König gut gelaunt und nickte dem Barbaren zu, der einen Freudenschrei ausstieß.
„Aaahhhhhh!“, stöhnte Zork und hielt sich wieder den Kopf. „Nicht so laut! Um Himmels Willen, nicht so laut!“
Der Barbar sah den Magier verständnislos an, zuckte dann aber gleichgültig mit den Schultern und stellte sich einige Meter neben dem Podest des Beraters auf. Er verschränkte in freudiger Erwartung einer Queste die Arme. Ruhm und Ehre sollte sie ihm bringen sowie einen ganzen Sack voller Gold.
Der Berater hob einen Finger und blickte sich in der Menge der Leute um. „Einen Begleiter für den mächtigen Magier haben wir bereits gefunden. Ihr habt es selbst gesehen! Wer traut sich noch, sich auf diese Queste ohne Wieder… äh … diese heilige Queste voller Ruhm, Ehre und möglicherweise auch Reichtum zu begeben?“
„Hier!“ Ein Ritter in einer prachtvoll verzierten Rüstung trat näher. „Mein Name ist Clive Richwell und meines Zeichens bin ich Paladin seiner Hoheit. Selbstverständlich werde ich mit all meiner Kraft und meiner Voraussicht dem Magus während seiner Queste beistehen!“ Der brünette Ritter zog sein Schwert, kniete vor dem König nieder und reichte es ihm dar.
Der König starrte verständnislos auf das Schwert. „Was soll das?“, verlangte er von seinem Berater zu wissen.
„Ähh … öööhhh …“ Dieser kratzte sich unsicher am Kopf und meinte schließlich mit ausgestreckten Armen: „Ja, ich weiß ja auch nicht!“
Paladin Clive Richwell hob den Kopf, da die anwesenden Personen nichts mit seiner Geste anzufangen wussten, und erklärte: „Eine Ehrerbietung, Eure Hoheit! Küsst bitte das Schwert und ich werde es wieder an mich nehmen. Damit ist es von Euch gesegnet, sodass ich unbesiegbar werde und all Eure Feinde erschlagen kann!“
„Das wollte ich auch gerade sagen“, behauptete der Berater.
„Flunkere Er nicht in Unserer Gegenwart!“, ermahnte ihn König Tallgood mit einem warnenden Seitenblick, woraufhin der Berater sofort demütig den Kopf senkte und sich für sein Nichtwissen in Grund und Boden schämte.
König John Tallgood lehnte sich nach vorn und küsste das Schwert, das der Paladin danach triumphierend nach oben hielt, bevor er es wieder in die Scheide steckte.
Die Menge klatschte Beifall, während der Paladin einen Platz neben dem Barbaren einnahm.
„Ich wäre dann wohl der Nächste in der Gruppe!“, rief einer aus der Menge der Dorfbewohner heraus.
Der König sah sich suchend um. „Wo ist Er? Trete Er vor uns!“
„Gerne, gerne!“, rief die helle Stimme des Jemands.
Noch immer war niemand zu sehen. Die Dorfbewohner blickten ratlos einander an. Dann bahnte sich, sein Bogen voraus, ein hagerer, drahtiger Elf den Weg durch die Menge. Er trug dunkelgrüne, eng anliegende Kleidung sowie braune, ebenso eng anliegende Hosen. Seine Füße steckten in eleganten Stiefeln – beinahe solche, wie Damen sie gern trugen – und sein Haupt war mit einem schief sitzenden grünen Hut bedeckt. Mit Mühe schaffte er es endlich, sich durch die dicht beieinanderstehende Masse zu kämpfen. „Mein Name ist Darius. Ich bin ein Elf …“
„Das sehe ich auch!“, unterbrach ihn der Berater schnippisch.
Darius ging auf diese Bemerkung nicht ein, dazu war er zu frohsinnig, und fuhr fort: „… und komme aus der Kommune der Elfen vom Silberwald. Lieber König, liebe Mitmenschen, gerne will ich meine Fähigkeiten mit meinem Bogen für Euch unter Beweis stellen!“ Er drehte sich einmal im Kreis, damit ihn die Anwesenden begutachten konnten.
Der Berater musterte ihn nachdenklich, dann drehte er sich zu seinem König um und schüttelte den Kopf. „Nee, der hatte ja schon Mühe, sich durch all die Leute zu kämpfen. Der ist bestimmt nicht geeignet für Eure Queste.“
„Warten wir es mal ab!“ Der König stand wieder auf und rief nach einem Apfel. Einer seiner Bediensteten brachte ihm umgehend eine Obstschale, aus der König Tallgood einen Apfel fischte und auf den Kopf des Beraters legte, der schon protestieren wollte, es sich aber im letzten Moment anders überlegte. Ängstliche Blicke warf er in die Höhe, wo der Apfel auf seinem Haupte thronte. „Aber, König … äh … Eure Majestät …“
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