„Oh je!“ Der König bedeckte sein Gesicht mit einer Hand, dann wandte er sich wieder an Zork. „Ah! Jetzt hab’ ich’s wieder. Also! Höre Er gut zu!“
„Ja, mach ich doch schon, Mann!“
Zork bekam von den beiden Wachen links und rechts erneut eine verpasst.
„Aua! Lasst den Quatsch!“, protestierte er.
„Der Dämon“, sprach der König laut und kontrollierte, dass alle Anwesenden im Thronsaal bedächtig seinen Worten lauschten, „nennt sich selbst der Erniedriger der Menschheit!“
Erneut ging ein Raunen durch die Menge.
„Und?“, wollte Zork gelangweilt wissen.
Der König senkte sein Gesicht, bis er es wieder auf wenige Zentimeter dem von Zork genähert hatte. Er zog eine Augenbraue nach oben. „Er hat viele Namen, unter denen er unter uns wandelt: Satan, Leviathan, Luzifer, Mammon, Asmodus, Beelzebub, Belphegor … Von einigen wenigen wird er auch einfach nur … Rüdiger genannt!“
„Rüdiger?“, hakte Zork verblüfft nach. „Welcher Dämon trägt so einen bescheuerten Namen?“
„Hey!“, schrie der Berater des Königs. „ Ich heiße so!“
Der Hofstaat und die einfachen Leute lachten auf.
„Ruhe!“, schimpfte Rüdiger.
„Da haben wir ihn!“ Zork grinste verschmitzt. „Erledigen wir ihn und ich habe meine Queste bereits erfüllt.“
„Höre Er auf, so einen Unfug in unserer Gegenwart zu verzapfen!“, schimpfte der König und schwenkte drohend sein Zepter. „Rüdiger hier könnte niemals der dunkle Herrscher sein!“
„Genial gekontert!“, pflichtete ihm Rüdiger, der ratlose Berater des Königs, speichelleckerisch bei und schenkte einigen Leuten, die ihn verschämt angrinsten, seinen finstersten Blick.
„Ach, du liebes Lieschen!“, pfiff Zork belustigt.
„Also!“, fuhr John Tallgood fort. „Unser Berater wird Ihm eine Abschrift der Vision des Orakels mitgeben, in der alles Notwendige zu finden sein wird. Lese Er sie also gut durch, dann weiß Er, was Ihn und Seinen Tross erwartet!“
Rüdiger überreichte dem Magus, mit einem strafenden Blick für die vorhergehende Bemerkung, die von seinem Herrn benannte Schriftrolle, während Zork ihm ein mitleidiges Lächeln schenkte. Niemand hatte solch einen Namen verdient, nicht einmal er.
Währenddessen schlich heimlich im Hintergrund, mitten in der Menge der Leute, ein Dieb herum. Er sondierte die Lage und beklaute den ein oder anderen Anwesenden. Hier und dort schnitt er einige Geldbeutel ab. Als er feststellte, dass eine der Palastwachen ein besonders prall gefülltes Säckchen bei sich trug, quetschte er sich unbemerkt durch das Gedränge und schlich sich hinter diese Person.
Der Dieb trug einen langen grauschwarzen Mantel mit einer großen Kapuze, die sein Haupt verdeckte. Im Dunkeln war er wohl beinahe unsichtbar für seine Opfer. Mitten im hell beleuchteten Königspalast fiel er aber einer anderen Palastwache auf wie ein bunter Hund.
„Aha! Hab’ ich dich, Kerl!“ Die Palastwache packte den Dieb am Kragen und stieß ihn unsanft nach vorn, sodass er neben Zork zu Fall kam.
„Na, du arme Sau?“, flüsterte dieser ihm zu.
Gequält sah der Dieb zu dem Magus auf. Der Chronist dieser Zeilen sah den armen Kerl schon auf dem Schafott enden.
„Was macht Er da?“, wollte der König wissen.
„Ich?“ Der Dieb sah sich unschuldig um. „Ich mache hier gar nichts. Ich sehe mich nur um und höre Eurer erlauchten Rede zu.“
„Wie heißt Er?“, verlangte der König in einem Plauderton zu wissen, der den Dieb verwirrte.
„Äh … Cody … einfach nur Cody, Herr.“ Der Dieb deutete eine leichte Verbeugung an.
„Verscheißere Er uns nicht!“, fuhr ihn der König ungehalten an. Einige Tropfen Speichel flogen in seine Richtung, was Cody mit einem angewiderten „Uähh!“ bedachte.
Plötzlich schien dem König ein fröhlicher Gedanke zu kommen, denn seine Laune verbesserte sich schlagartig und er säuselte, als er sich dem Dieb näherte: „Möchte der Dieb namens Cody Magus Zork bei seiner Queste begleiten oder sucht Er lieber den kalten Stahl des Scharfrichters?“ John Tallgood hob belustigt die Augenbrauen und zwinkerte ihm zu.
Der Scharfrichter, welcher zufälligerweise mitsamt seiner Axt und in voller Montur im Thronsaal anwesend war, bekam leuchtende Augen. Endlich bestand mal wieder die Aussicht auf eine Aufgabe für ihn, was in diesem friedvollen Lande eine Seltenheit war, sodass er sich schier zu Tode langweilte.
Cody starrte mit offenem Mund den Scharfrichter an; der Schrecken stand ihm ins Gesicht geschrieben. „Die Queste! Die Queste!“, platzte es flehentlich aus ihm heraus. „Eure flammende Rede hat meinen Geist inspiriert!“
„Ja?“, hakte John Tallgood nach.
„Und …“
„Und?“
Cody hoffte, dass ihm etwas halbwegs Plausibles einfiel. „ … und ich bin ja vom Pfad der Tugend abgekommen, auf den ich problemlos wieder zurückfinden werde, wenn ich den edlen Magus bei seiner Queste unterstütze!“
„Hervorragend herausgeredet!“, fachsimpelte der Berater des Königs.
„In der Tat“, bestätigte der König großzügig.
Cody, der Dieb, grinste selbstzufrieden und rieb sich die Hände. „Du Sack!“, sprach er leise.
Der König hatte diese Äußerung aber sehr wohl vernommen. „Wie bitte? Was sagt Er da?“ Aufgebracht stemmte er die Hände in die Seite und beugte sich anklagend nach vorn.
Die Wache hinter dem Dieb verpasste diesem eins mit ihrer Lanze.
„Was war das?“, verlangte der König abermals von Cody zu wissen.
Ein entsetztes Raunen ging durch die Menge des Hofstaates. Wie konnte der Dieb nur eine Majestätsbeleidigung wagen und sich um Kopf und Kragen reden, nachdem er es doch tatsächlich geschafft hatte, sich aus der Angelegenheit mit minimaler Strafe herauszuschlawinern?
„Äh … äh … du … Ihr … äh …“, begann Cody mehr als nur lahm. „… äh … Ihr sakrale Leuchtgestalt … äh … Hellig… äh … Heiligkeit! Äh … äh …“, grübelte der Dieb weiter, während ihn der König aufmerksam musterte. Cody war klar, dass die nächsten Worte, die seine Lippen verließen, über Leben und Tod entscheiden sollten. „Ihr seid so gut … äh … weil Ihr mir eine Chance gebt … und so …“ Der Dieb gestikulierte wild herum und hopste nur so von einem Wort zum anderen, stets in der verzweifelten Hoffnung, dass er seinen Satz zu einem sinnvollen Ende führen konnte. „Deshalb seid Ihr sakral! Heilig!“
„Oh!“, machte der König, angenehm überrascht. „Na, dann ist es ja gut! Ihr habt sehr gut das Offensichtliche erkannt!“
„Boah!“, staunte der Berater und nickte Cody anerkennend zu. „Er hat gerade noch so die Kurve gekriegt.“
„Boah!“, staunte der Hofstaat. Einige klatschten sogar Beifall aufgrund der Redegewandtheit des Diebes.
„Pass auf!“, fuhr die Wache hinter Cody ihn an. „Pass in Zukunft gut auf, was du sagst, du Hund!“
„Das müsst Ihr mir nicht zweimal sagen!“ Cody wischte sich den Angstschweiß von der Stirn. Von nun an beschloss er, seinen vorlauten Mund zu halten, bis er wieder auf freiem Fuß war.
König John Tallgood setzte sich wieder auf seinen Thron und winkte den Paladin zu sich. „Komme Er zu uns, Sir Richwell!“
„Ja, mein Herr!“, gehorchte dieser prompt und kniete in freudiger Erwartung vor ihm nieder.
Der König überreichte ihm drei Goldsäckchen mit den Worten: „Diese sind für die Queste, damit Zork sie auch erfüllen kann. Mit ihnen kann Er sich Waffen, Vorräte und Informationen kaufen. Und nun dankt alle Eurem gutmütigen König!“
„Wir danken unserem gutmütigen König!“, wiederholte der gesamte Hofstaat außer Zork, der genervt die Augen verdrehte.
Während der gesamten Proklamation des Königs bemerkte niemand der Anwesenden, dass ein großer schwarzer Rabe mit einem verschlagenen Gesichtsausdruck auf einem Fenstersims lauschte. Ab und an quälte er einen Wurm, den er in seinen Krallen vor sich gefangen hielt, und verschlang ihn schließlich ganz, als der König mit seiner Rede geendet hatte.
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