Nach Jahren am Automaten, fühlte ich mich wie ein lachender Clown, der sich nach außen witzig und humorvoll präsentierte, doch in Wahrheit auf Knopfdruck losheulen hätte können. Am Automaten etwas Geld zu gewinnen, wirkt für viele notwendig, für einen Spieler wird es vollständig zur Nebensache. Für mich war es nur eine weitere Möglichkeit, um länger spielen zu können. Ob Freispiele oder Bargeld, es landet so oder so wieder im Automaten. Ich war ein Mensch, der sich gerne mit seinen Freunden traf, der sich gerne in Gesellschaft befand, doch im Grunde fühlte ich mich immer alleine. Ich habe einen relativ hohen IQ, gebracht hatte er mir rein gar nichts, bis auf Isolation – gedankliche Isolation. Intelligenz ist oftmals definitiv kein Segen.
Die gesellschaftliche Isolation fand gezwungenermaßen statt, ich mied plötzlich die Gesellschaft von jeden, nur am Automaten befand ich mich noch in einer halbwegs heilen Welt, die ich nach meinen Vorstellungen formte. In meiner Welt interessierte mich das oberflächige Denken der Gesellschaft nur bedingt – denn immerhin bekam ich nichts mehr davon mit. Mehr und mehr übernahm der Automat mein Leben, egal was ich tat, ob ich arbeiten ging oder in Gesellschaft etwas trank, der Automat schrie förmlich nach mir – oder ich nach ihm.
Ein Spieler besitzt keine Freude, keinen Seelenfrieden, keine Zufriedenheit oder einen Hauch von Harmonie und Einklang, nein – mein Leben bestand aus zwanghaften Spielen und der systematischen Selbstzerstörung. Egal wie hart es auch klingen mag, ich tat dies freiwillig, denn niemand außer meine persönlichen Gedanken zwangen mich, mein Leben zu verspielen.
Viele Spieler betrachten ihre begangenen Taten und versuchen vor ihrer eigenen Vergangenheit zu flüchten. Doch ich bin der Meinung, dass man sie als Erfahrung abspeichern sollte. Nicht als etwas, was die Zukunft bestimmen wird, sondern als etwas, was uns Hoffnung geben kann. Nichts lässt uns schwerer vergessen, als der dringliche Wunsch, etwas unbedingt vergessen zu wollen. Sie würden sich durch das bewusste Verdrängen nur selbst belasten, akzeptieren Sie Ihre Vergangenheit, denn wie gesagt, sie bestimmt nicht über unsere Zukunft. Es mag gut sein, dass wir durch das Wissen anderer Personen gelehrter werden, aber Weiser wird man nur durch seine eigene Weiterentwicklung. Wir sollten uns am jetzigen Zustand erfreuen, ohne uns mit anderen durchgehend zu vergleichen.
Jeder Spieler kennt irgendeinen Spieler, der seinen Lebensunterhalt angeblich mit dem Spielen bestreitet. Sein Arbeitsplatz wäre der Spielautomat und irgendwie hat fast jeder Spieler schon mal von diesem einen legendären Spieler gehört; Richtig?
Diese Art von Spieler, den jeder Spieler irgendwie vom „hören und sagen“ zu kennen scheint, war ich. Sie lesen richtig, ich war einer dieser besagten Spieler, denen genau diese Illusion nachgesagt wurde. Wie diese Illusion zustande kam, ist im Grunde einfach erklärt – ich habe es zugelassen. Ich wollte diese Lüge leben, weil ich nur dadurch zu einem Spieler mutierte, den man beneidete, anstatt ihn zu bemitleiden. Spieler stehen auf Respekt, Anerkennung und zum Teil auch auf Aufmerksamkeit – je nachdem. Wird der Spieler als Spieler entlarvt, kann er seiner Meinung nach nichts mehr davon anstreben. Hätte ich die Wahrheit gesagt, wäre ich nicht zu einem Spieler geworden, den man für das Spielen feierte, man hätte mich bemitleidet, weil ich eine Krankheit besitze, die ich einst nicht als solche wahrhaben wollte. Ich lebte in dem Glauben, ich sei etwas Besonderes, weil ich spielte. Es mag merkwürdig klingen, aber ich denke, dass ich damals das Gefühl besitzen wollte, dass ich etwas ganz Besonderes konnte, wofür man mich beneiden müsste. Wie jeder Spieler, hatte ich mir eine eigene bzw. persönliche Spielweise angeeignet, um den Automaten per „Risiko-Taste“ hochzudrücken und zum Höhepunkt meiner „Spielkarriere“, klappte dies sogar täglich. Ich räumte jeden Tag einen Automaten aus, der Trick bestand im Grunde in der Illusion selbst, ich verspielte so viel Geld, bis der Automat automatisch wieder einen Teil der Einnahmen ausbezahlte. Dadurch erwirkte ich den Anschein, ich könnte nicht verlieren. Da Spieler niemals auf die Ausgaben achten, sondern immer nur auf den Gewinn fixiert sind, erkannte ich als Spieler nicht mehr, wie ich mich immer weiter in der Suchtspirale abwärts bewegte. Die Sucht hatte mich vollständig infiziert.
Geprägt und gefesselt von der Sucht, bewegte ich mich immer weiter in die Sucht hinein. Anstatt das zu beenden, was mich auf längere Sicht definitiv töten würde. Ich hielt daran fest, das Richtige zu tun. Ich lebte in dem Glauben, ich wüsste, was ich tat. Das genaue Gegenteil war der Fall, doch ich erkannte es nicht, weil mich die Sucht bzw. meine suchtgesteuerten Gedanken daran hinderten.
Ich dachte über Jahre hinweg, dass sich alles irgendwie wieder automatisch beruhigen würde, womöglich einen Jackpot gewinnen könnte, der mein Leid lindern würde, doch dieses Leid entstand durch das Spielen – wie könnte ich das Leid durch das Spielen lindern?
Die Entscheidung, für immer dem Spielen zu entsagen, war für mich kein Gedanke oder eine kurzzeitige Einsicht, es mutierte zu meinem Lebensinhalt. Ich habe durch meinen Spielzwang erkannt, dass es völlig egal ist, was andere behaupten oder was Spieler als „gut“ oder „schlecht“ betiteln, denn diese gehen ihren und ich gehe den meinen Weg. Heute weiß ich, dass ich den richtigen Weg einschlug, ich kehrte der Sucht den Rücken und alles, was sich dadurch ebenfalls verabschiedete, war Ballast, den ich grundlos jahrelang mit mir herumschleppte. Die Spielsucht war nicht mein Schicksal, die Spielsucht war eine falsche Entscheidung. Mein Schicksal wurde es, dass ich der Glücksspielindustrie mit Wissen und Entschlossenheit entgegentrete. Man kann im Leben alles werden, alles erreichen und wirklich alles umsetzen, aber dafür müssen wir verstehen, dass eine Entscheidung erst dann unser Schicksal bestimmen kann, wenn wir das Gesagte in die Tat umsetzen. Ich stand mir jahrelang selbst im Weg, ich bestrafte mich regelrecht am Automaten, ich war der Versager in diesem Spiel, doch anstatt dies zu begreifen, ließ ich mich dafür feiern, dass ich mein Leben vergeudete und letzten Endes alles verspielen wollte.
Die Zeit eines Spielers ist im Grunde durchgehend eine verdammt dunkle Zeit, doch es ist nicht Mitleid, was ein Spieler benötigt, sondern Gewissheit. Ich kann jedem Spieler mit Gewissheit sagen, dass es seinen Untergang bedeuten wird, wenn er weiterhin sein Geld verspielt. Denn letzten Endes bezahlt man das Spiel nicht mit Geld, sondern mit seinem Leben.
Ich hatte nochmal Glück, Glück in dem Sinne, dass ich keine Maschine benötige, um mein „Glück“ erkennen zu können. Doch diese Einsicht dauerte Jahre, bis sie sich entwickeln konnte. Das Leben wird weitergehen, die Welt wird sich auch dann noch weiterdrehen, wenn wir als Spieler dem Spielen für immer entsagen. Wir werden weiterleben, weil es unser Wille ist, der nie verschwand. Kein anderer muss es Ihnen zutrauen, nur Sie müssen es sich selbst zutrauen. Sie müssen einzig und allein Ihr Wissen nutzen, um Ihre Gedanken umsetzen zu können. Halten Sie mit derselben Hingabe am Leben fest, wie Sie es Tag für Tag am Automaten taten – dann können Sie nicht scheitern. Wer vom Leben flüchtet, läuft dem Tod entgegen. Ich spielte, um vor der Realität flüchten zu können, meine Gedanken kreisten um alles und jeden, ganz besonders um den Automaten, denn der war mein Bezugspunkt in dieser bzw. in meiner Welt. Doch erst ab den Zeitpunkt, als ich meine eigenen Gedanken gezielt hinterfragte, änderte ich die Gegebenheiten. Ich musste die Welt nicht verändern, um zufrieden sein zu können, ich musste meinen Blickwinkel sprich meine Wahrnehmung weiterentwickeln, um die Welt akzeptieren zu können. Mein Hass hätte mich getötet, davon bin ich fest überzeugt. Aus der Aussichtslosigkeit heraus, lenkte ich einst meine Sicht gegen die extrem ansteigende Glücksspielsucht und bemerkte, dass ich jeden spielfreien Tag, etwas mehr am Leben festzuhalten begann. Je gefestigter ich am Ausstieg festhielt, desto stärker wurde der Gegenwind gewisser Personen und Institutionen. Ich brachte mein Leben auf Papier und es folgten viele Ausstiegsmethoden. Pro Monat festigte sich meine Sicht und ich hielt mehr denn je am Ausstieg fest. Der Ausstieg wurde mein Leben. Meine Bestimmung. Mein Schicksal. Als ich mich entschlossen gegen Suizid aussprach, legte man ihn mir persönlich auf Seiten der Glücksspielindustrie nahe.
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