30Zitiert nach: M. Lohrum, Todestag von Albertus Magnus (ca. 1200-1280) 15. November: Woran sie glaubten – wofür sie lebten. München 1993, 327.
Literatur:
Meinolf Lohrum, Albert der Große. Forscher-Lehrer-Anwalt des Friedens. Topos Tb 216. Mainz 1991.
Yves M.-J. Congar, Der Heilige Albert der Große. Größe und Elend einer intellektuellen Berufung : Ders., Wege des lebendigen Gottes. Glaube und geistliches Leben. Freiburg u.a. 1964, S. 227-232.
P. Thomas von Aquino Op „Thomas a Creatore“
(Thomas von Gott dem Schöpfer)
der „doctor angelicus als doctor communis“oder
„der stumme Ochse hat gebrüllt – und geschwiegen“
Leben
Um 1225 wird Thomas von Aquin auf dem Schloss Roccasecca im Neapolitanischen geboren, gleichsam zwischen den Todesjahren des heiligen Dominikus (1221) und des heiligen Franziskus (1226), den beiden Begründern der für die Kirche so wesentlichen Reformbewegungen der Bettelorden (der spirituellen Armutsbewegung des Mittelalters im Gefolge des armen Jesus). Bis 1239 lebt er in der Benediktinerabtei Monte Cassino, dann Universität Neapel (dort Studien über Aristoteles und den Araber Averroes). 1244 Eintritt in den Dominikanerorden („Mendikanten“ – Bettelorden). Seine standesbewusste Familie lässt ihn von seinen Brüdern auf dem Weg nach Paris überfallen, setzt ihn gefangen unter Hausarrest für ein Jahr in San Giovanni. Er beharrt auf seiner Entscheidung, ein Bettelmönch zu sein. Nach der Freilassung geht er nach Paris, um bei Albertus Magnus zu studieren. Ihn begleitet er auch 1248 nach Köln, im Jahr der Grundsteinlegung des Kölner Domes! Dort Generalstudium seines Ordens unter Alberts Leitung. Dieser entdeckt seine große Begabung. Thomas galt während des Studiums als großer Schweiger. Seine Mitstudenten nannten ihn, der auch von enormer Leibesfülle war, deshalb im Spott den „stummen Ochsen“. Albertus Magnus jedoch erkannte bald die hinter dem Schweigen wartende Geistesgröße. Von ihm ist der Ausspruch über Thomas aus der Kölner Zeit zu den Studierenden überliefert: „ Ihr nennt ihn den ‚stummen Ochsen’, ich aber sage euch, das Brüllen dieses ‚stummen Ochsen’ wird so laut werden, dass es die ganze Welt erfüllt.“ (Vgl. Chesterton, S. 48). 1252 geht Thomas nach Paris zurück Er beginnt seine akademische Laufbahn im Dominikanerorden. Dies geschieht zugleich mit dem Franziskaner Bonaventura. Zwischen Paris, Italien, dem päpstlichen Hof, Rom, Viterbo und Paris pendelt dieser in jeder Hinsicht gewichtige Mensch ab 1259, um ein philosophisches und theologisches Werk ohnegleichen auszuarbeiten, immer in der Vitalität der „disputatio“ (der lebendig entwickelten Lehre zwischen Lehrern und Schülern) in der besten Dynamik scholastischen Geistes! Von seinen Werken seien nur benannt: „Über das Dasein und das Wesen“ (1254-1256); „Über die Wahrheit“ (1256-1259); „Summe wider die Heiden“ (1259-1264), sein Meisterwerk, die unabgeschlossene „Theologische Summe“ – „Summa theologiae“, ein enorm umfängliches dreiteiliges Werk, deren erster Teil („prima pars“) zur Gottes- und Trinitätslehre verfasst ist, der zweite Teil eine Handlungstheorie als theologische Ethik enthält, und dessen dritter in die Christologie und Sakramentenlehre einführt (1266-1273), das „Kompendium der Theologie“ (1272-1273), dazu wesentliche Kommentare zu Aristoteles und biblischen Büchern, besonders zu Jesaja, Jeremias, zum Johannesevangelium, zu den Paulusbriefen, worin der Kommentar zum Römerbrief eine ganz besonders hohe Güte besitzt! Seine Spiritualität spiegelt sich auch in geistlicher Dichtung, die bis heute ihn allgemein in der Kirche bekannt sein lässt, vor allem in seinen Liedern zum Fronleichnamsfest zum Geheimnis der Eucharistie: „Pange, lingua“ (NGl 494) „Lauda Sion Salvatorem“ (NGl 497) und „Adore te devote“ (Gottheit tief verborgen) (Gl 546).
1272 geht Thomas nach Neapel. Berufen zum 2. Konzil von Lyon (1274) und unterwegs dorthin bereitet er sich in Fossa nuova zum Sterben. Er lässt sich nur noch aus dem „Hohen Lied – dem Lied der Lieder“ vorlesen. Am 7. März 1274 stirbt er dort. Wurde noch 1277 sein Denken durch den Bischof von Paris verurteilt, so sprach ihn die Kirche 1323 heilig. Seit 1567 ist er zum Kirchenlehrer erhoben worden.
Chesterton schreibt über ihn: „St. Thomas wirkte wie ein sehr großer, schwerer Bulle, mächtig, langsam und ruhig, sehr mild und großmütig, aber nicht sehr umgänglich; abgesehen von der Demut der Heiligkeit, war er von Natur aus scheu und geistesabwesend, auch außerhalb seiner gelegentlichen und sorgfältig verborgenen Erlebnisse mystischen Entrücktseins.“31.
31Chesterton, S. 12.
Philosophie, Theologie und Spiritualität
Thomas von Aquin versöhnt das Denken des Aristoteles mit dem Christus des Glaubens. Er gibt, ähnlich wie Franziskus und doch in der Art ganz anders, der Kirche, der Theologie und dem Glauben der Menschen in neuer Leuchte das Geheimnis der Menschwerdung Gottes zurück und schenkt der Erde somit ihre tiefste Gottverbundenheit in Art und Weise seines Denkens wieder. Er bewahrt dabei das theologische Denken vor jeglichem platonischen Hochmut, der mitunter bis in unsere Tage grassiert, denn er fundiert alles Gedachte in den Konkretionen, in der Materie, im Leib, in der Erde. Keine Idee ist bei ihm rein und ewig überzeitlich einfach da! Nein, die Sinne und das Sinnfällige sind ihm Fenster der Seele und aller Geist ist eingewoben in Materie, Geschichte, Zeit! Thomas bestand darauf, dass Gott und das Ebenbild Gottes, der Mensch, sich durch die Materie mit einer konkreten Welt verbunden hat.
Er schreibt: „Das Wort Gottes hat Leib und Seele miteinander vereint angenommen. So hat diese Annahme Gott zum Menschen und den Menschen zu Gott gemacht. (…) Ich kann sagen: beides, Gott und Mensch, sei Gott – wegen des annehmenden Gottes; und beides, Gott und Mensch, sei Mensch – wegen des angenommenen Menschen.“32
32Summa III, 50,4 ad 1; Summa III, 17, 1 ad 1; zitiert auf Deutsch nach Thomas, Sentenzen, S. 284f.
So hat Thomas der Kirche und der Theologie die volle Bejahung unseres Leibes, unseres Fleisches, ja der gesamten Materie zurück gegeben, welches gipfelt im wunderbarsten Glaubensgeheimnis der Kirche: im Dogma von der Auferstehung des Fleisches als Hoffnung der vollen und vollendeten Wiederherstellung des Entstellten und Sterblichen und Toten bis hinunter ins Anorganische.
Kein Wunder, dass seine großen Dichtungen und Lieder deshalb auch der Eucharistie, also Gott in den Gestalten von Brot und Wein und, im Geheimnis der Fußwaschung Jesu Christi, Gott in Antlitz und Gestalt jedes konkreten Menschen im Geflecht von Ich-Du-Wir, gewidmet sind. Darin feiert der Denker den Glauben des Christen, der im Tiefsten darin gründet, dass Gott in seiner unfasslichen Heiligkeit sich mit der Materie, mit der Körperlichkeit, mit der Leiblichkeit allen Seins verbunden hat und in die Welt der Sinne wirklich eingetreten ist.
Im Denken des Thomas von Aquin wird das Leben voll bejaht! Die damit einhergehende Bejahung der Materie ist darin kein neuzeitlicher Materialismus, welcher alles Sein auflöst in zufällige Bestandteile, Elementarteilchen, chemische Partikel des Seienden. Sein in der Materie gründendes Denken ist demütiges Denken „a Creatore“, eine Bejahung also des Leiblichen, des Körpers im Sinne der tiefen Bedeutung der Erschaffung des Leibes und alles dessen, was ist, rückgebunden an den Schöpfer, den Thomas schön beim ureigenen Namen nennt, der da heißt: „Ich-Bin“33 (vgl. Ex 3, 14)
33Vgl. Chesterton, S. 85.
Sein Denken hat das Ziel, der Vernunft so weit zu folgen wie sie reicht und ihre Grenzen darin zu bestimmen. Er folgt darin dem Grundsatz, der sehr zeitgemäß uns erscheint: „Alles, was der Intellekt enthält, ist zunächst in den Sinnen gewesen.“ (Vgl. Chesterton, S. 116). Unsere fünf Sinne sind also die Fenster zu Welt und selbst. Und nun beginnt er, bei der Frage nach G O T T, seiner zentralen Erkenntnis leitenden Frage, die als „erste ins Reine zu bringen sei“ (Vgl. den Eingang seiner „Summe“), nicht mit der Idee Gottes, vielmehr fragt er gleichsam kinderschwer nach elementaren Erkenntnissen, die bereits das Kind, vorphilosophisch, weiß, auf die sich weiteres Denken wirklich gründen kann.
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