„ Wenn du willst, helfe ich dir es herauszufinden.“
„ Mir wäre es lieber, wenn ich wüsste wie es mit mir hier weitergeht! Ich habe die ganze Zeit über unser Gespräch nachgedacht und… was sind eigentlich inaktive Seelen? Sind die ansteckend?“ Carlo klingt besorgt.
Don macht einen schönen Katzenbuckel, streckt sich ausgiebig und setzt sich wieder. Seinen Schwanz legt er elegant um seine Füße und schliesst die Augen, da er seinen Gesprächspartner sowieso nicht sehen kann. Dann holt er tief Luft und beginnt:
„ Deine Entscheidungen basieren schlussendlich immer auf verschiedenen Gefühlen.
Die einen werden von deinem Verstand ausgelöst. Das sind aber Gefühle, die nur auf sehr wenigen Informationen beruhen.
In deiner Seele jedoch sind Gefühle aus einer sehr tiefen Quelle mit einem sehr großen Erfahrungsschatz gespeichert.
Deshalb fungiert deine Seele auch als moralische Instanz für deine Entscheidungen. Durch Beten und Meditieren trittst du mit deiner Seele in Kontakt.
Wenn das allerdings lange nicht geschieht, wird die Seele krank, inaktiv und schließlich verdorrt sie.
Ihr Seelenwirt, zum Beispiel ein Mensch, wird damit seelenlos, das bedeutet, dass seine bewussten Gedanken keine moralischen Filter mehr besitzen!“
„ Eine sehr einleuchtende Erklärung“, bemerkt der Geist anerkennend.
„ Aber wie kann es passieren, dass eine Seele kein positives Gefühl mehr bekommt?“
Der alte Kater schüttelt den Kopf.
„ Dafür kann es viele Gründe geben.
Lass uns jetzt gehen! Deinen Körper brauchst du nicht mehr zu bewachen, aber ich muss meinen jetzt füttern.“
„Möchtest du reinkommen?“ fragt ihn der Pater, als sie vor seinem kleinen Haus ankommen.
Saduj nickt, stellt das Fahrrad gegen die Hauswand. Dann folgt er dem Pater in die Küche.
„Zur Zeit bin ich mir nicht mehr sicher, ob ich meiner Umgebung wirklich etwas Gutes tue“ eröffnet Gesualdo das Gespräch, während er die kleine altmodische Espressokanne zusammenschraubt.
„Ein kleines Mädchen beschimpft mich, weil ich ihre Familie kein Geld verdienen lasse. Gestern schrie mir eine Frau nach, dass ich ihren Bruder in Ruhe seinen Geschäften nachgehen lassen solle, denn wegen mir müssten sie jetzt hungern.
Selbst meine Freunde sagen mir inzwischen, dass ich das Maß der Dinge verloren hätte. Glaubst du das auch?“
Saduj schaudert!
Gesualdo stellt die Kanne auf die Kochstelle.
„Wenn ich dich so anschaue, glaube ich, dass du auch ihrer Meinung bist.“ Kopfschüttelnd setzt er sich an den Tisch.
„Ich möchte doch nur erreichen, dass die Kinder in die Schule gehen und etwas Vernünftiges lernen, statt den ganzen Tag Touristen mit irgendwelchen Sachen nachzulaufen, die sie sich „organisiert“ haben. Verrate mir, wie ich es anders machen soll!“
Beim Wort „verrate“ zuckt Saduj merklich zusammen. Er mag das Wort nicht, seit er weiß was sein Namen rückwärts gelesen für eine Bedeutung hat.
„Also, was denkst du?“. Dieses Mal kommt die Frage fordernder.
„Ich will deine Meinung hören, offen und ehrlich!“
Saduj sieht seinem Freund ins Gesicht.
„Du erwartest zu schnell zu viel!
Die Ordnung, die dich deine Eltern gelehrt haben, als du noch klein warst, ist eine gute Ordnung. Es ist eine richtige Ordnung, aber man muss sie sich leisten können.
Wenn du die Händler von ihren angestammten Plätzen vertreibst, haben sie wenig Möglichkeiten ihre Familien zu ernähren.
Auch wenn die Schule für die Kinder nichts kostet, kostet sie doch die Zeit des Geldverdienens für ihre Familien.
Du weißt selbst wie schlecht die Bezahlung der Arbeiter hier ist. Wenn die Entscheidungen des Stadtrat nicht immer nur zugunsten der großen Unternehmen ausfallen würde, sondern auch an die eigenen Leute denken würde, dann können bestimmt mehr Kinder in die Schule gehen.“
Saduj ist erstaunt über seine eigenen Worte, doch Gesualdo hat ruhig zugehört.
Eben, als er antworten will, klopft es an der Tür.
Saduj sieht aus dem Küchenfenster.
„Es ist ein kleiner Junge!“
Der Pater geht zur Türe.
Nach einigen Minuten kommt er mit einem Umschlag in der Hand zurück. Saduj sieht den Pater erwartungsvoll an. Nachdem Gesualdo die Botschaft gelesen hat, faltet er das Papier wieder zusammen und steckt es weg. Sadujs fragende Blicke indessen bleiben unbeantwortet.
„Was hältst du von ein bisschen Ablenkung. Der Zirkus auf der Wiese hat heute Abend Premiere.Laß uns hingehen“ durchbricht Saduj mit seinem Vorschlag nach einigen Minuten die Stille.
„Gute Idee! Ich muss allerdings noch etwas erledigen. Wann beginnt denn die Vorstellung?“
„Um 8.00 Uhr. Treffen wir uns um 07.00 Uhr auf der Piazza.“ schlägt Saduj vor.
„Einverstanden!“
„Soll ich dich abholen?“
Der Pater sieht ihn verdutzt an, dann lächelt er:
„Danke für deine Fürsorge, aber mir will niemand etwas tun.“
Saduj steht auf: „ Bis heute Abend.“
„Bis heute Abend“.
„ Miracoli di Adamo “ hat auf der Wiese, unweit der Piazza seine Bühne aufgebaut. Der Name klingt nach einem kleinen Vorstadtzirkus, aber es ist eher ein Theater auf Rädern. In seinem Programm vereinen sich Darbietungen aus der Zirkuswelt dem Theater, dem Kabarett und der Magie. Auf großen Plakaten rund um das Gelände und in der Stadt wirbt er mit seinen Attraktionen. Don hat die Wagen schon von weitem gesehen. Hier gibt es Tiere, also gibt es auch Futter: Logik eines Katers. Sein geistiger Freund begleitet ihn unauffällig. Schnell hat Don die Futternäpfe der Hunde entdeckt: Sie sind unbewacht! Tief geduckt schleicht er sich heran. Sie sind frisch gefüllt. Hastig schlingt er den Inhalt in sich hinein, bis der Alarm des Geistes in seinem Kopf schrillt. Keine Sekunde zu früh! Die Napfherren steuern geradewegs auf ihre Futterplätze zu. Don rennhoppelt schnurstracks zu dem Tierwagen und versteckt sich im hintersten Abteil. Flach auf dem Boden liegend, kann er durch die Bretter der Holzwand die beiden Hunde beobachten, die schnüffelnd den Boden um ihren Fressnapf absuchen. Als Spürhunde sind sie nicht geeignet denkt Don beruhigt und steht auf. Im selben Augenblick erhält er kräftigen Schubs, der ihn in die hintere Ecke des Abteils befördert. Noch benommen öffnet er die Augen und blickt in ein Paar runde Augen, die ihn über eine schwarze Schweinsnase anschauen. Langsam er dreht den Kopf zur anderen Seite: wieder ein Paar Augen, dieses Mal über weißer Schnauze. Neugierig beäugen ihn die beiden Zwergschweine. „Der Kleine hat sich wohl verlaufen. Lassen wir ihn zufrieden.“ „Du hast ihm aber einen ordentlichen Schubs verpasst. Hoffentlich ist ihm nicht passiert!“ Don erhebt sich und humpelt langsam aus dem Wagen. „Schau, er hat sich verletzt “, quiekt das helle Schwein seinen Artgenossen an. Don dreht sich um. „Nein, keine Sorge. Das habe ich schon lange!“ Verdutzt schauen ihn die beiden an. Sie haben ihn verstanden.
„Das ist hier fast wie auf der Arche Noah. Alles paarweise, auch die Kinder und Wagen. Was machen wir jetzt?“ erkundigt sich Carlo, der inzwischen das Gelände von oben her erkundet hat. " Ich möchte noch ein bisschen auf dem Gelände bleiben", meint Don, während Carlo sich lieber auf die Suche nach menschlichen Seelen machen will. Sie verabreden sich hier wieder zu treffen, sobald die Lichter an den Theaterwagen angehen. Don muss seine Neugierde jetzt ohne den Schutz seines Alarmsystems befriedigen. Er legt sich unter einen der Wagen und beobachtet eine Weile das bunte Treiben. Die Kinder spielen mit den beiden Riesenkaninchen, die in der Mittagssonne vergnügt umherhoppeln. Weiter hinten sitzt ein Papagei auf seiner Stange und kommentiert alles und jedes.
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