an warmen Stränden oder auf Bettkanten hockend nach langer Krankheit:
Da gibt es eine Tafel mit Eisenbeschlägen, an der die besten Männer
sitzen, mit Bärten aus Wolle, und du selbst, wie ein Gimpel bist dabei,
mit goldener Krone auf dem Kopf.
Dergleichen ist vertraut, sich selbst zu küssen, während man sich
am Hinterteil kratzt und die Fliegen verscheucht.
Sieh, wie alles hinweggetrieben wird und ich mich retten muss,
in mein eigenes Geschwätz, doch die beste Naht gestochen zu haben –
und die Kinder, meine vielen Kinder, die jetzt auf Leitern stehen
und mir keine Schande machen. Vererbt habe ich mich, mir meine Gene
aus dem Sack geschüttelt, damit etwas bleibt.
Kommen die Jahre, ach, diese Jahre, mit stumpfen Küchenmessern und
vergessenen Toilettenpapieren. Wenigstens das noch, will man
heimlich glauben, eine Seele und kleine Mauerstücke. Das tröstet.
Seele. Ein Wort aus Kirchenbüchern und Anstalten, so ganz ohne
Alltag eigentlich. Ich will lachen. Hier das bisschen Seele für dich,
Mensch, damit du manchmal höher blicken kannst.
Das Denken muss vor dem Denken beginnen,
das Fernste aufheben, nicht nur ergänzen, sondern Abgründe nach sich ziehen,
wie den, vom Verlöschen allen Denkens, was eine Gabe sein kann.
Wenn das unabsichtlich Tiefe so kreist und kreiselt und ohne Ziel bleibt,
wenn es wabert und sich schließlich dem Mond ergibt, bleibt am Ende nur,
das Wort Gedanke niederzuschreiben,
und
immer wieder Gedanke,
ein einziger Gedanke,
der die Vernunft auf unsichtbaren Papieren ergründet.
Therapeutische Erkenntnisse
Hat auch heute wieder von irgendwoher seinen Befehl erhalten,
der scheußliche Trieb, im Magen nistend, hinabzustürzen in den
Sommer, um die Luft zu verpesten.
Ist meistens im Dienst, mit seiner gewölbten Nase und der Nörgelei.
Würde er doch verrotten, sich niederlegen, von mir aus in Löchern
und auf Kohlenhaufen, und bliebe einem vom Hals!
Eine rührende Konstante könnte sich mal beweisen. Solch ein
Ding mit Lebenswitz, tapfer gegen Winde ankämpfend;
und
ein bisschen Halt für das verwehte Mädchen, das den netten Zahnarzt
heiratete und nun nicht mehr weiter weiß.
Mittendrin kommt etwas Sinkendes wie ein Gewitter,
das die Sommergäste überrascht. In den stickigen Vestibülen
und Vorhallen verstummen die Gespräche,
und
ein unsanfter Abbruch und Temperatursturz folgt.
Das alles in der vibrierenden Brust, herabgefallen auf öde Inseln,
aufgewühlt, bis in die Knochen hinein.
Doch wovon? Kein verbrecherischer Atem hockte über dir,
dein Fuß betrat nie eine Kaserne.
Die ewig gleiche Sache: ein versprengter, rumorender Kern, der sich
nicht zufrieden geben will, auf Friedhöfe und in Krankenhäuser drängt;
und
auf einmal ganz Empfindung wird,
mit fürchterlichen Schreien und einer Ahnung ohne Tageslicht.
Da werden die Augen bissig und klein. Man greift
nach den Trinkgläsern und legt sich Servietten auf die Knie.
Aber schon vergeblich. Hochzeitsmärsche – während man in eine
unauffindbare Stelle hinabfällt.
Irgendwann ruft ein beharrliches Mädchen nach dir. Die Mahnerin
rennt jedem einmal ins Gewissen hinein, stärkt deine Kräfte
und will dich wieder nach draußen werfen, unermüdlich ihr Geflüster,
es noch einmal zu versuchen, Mahlzeiten zu kauen
und Tastaturen zu bedienen.
Aber was weiß sie vom plötzlichen Versacken,
vom Fall der Bienen,
von Neigungen, aus dem Fruchtwasser kommend,
die sich nicht scheuen, einzureißen, abzubauen;
solch kleine, giftige Veranlagungen, die die Sonnen fressen?
Wer kann etwas für die gleichgültigen Gene
und für jene Väter mit ihrer verhaltenen Zeugungskraft,
selbst unschlüssig und blass und die Zeitung verkehrt herum haltend?
Der Riss in den Eingeweiden und eine erloschene Energie –
darüber sollte jeder besser schweigen.
Es ist tunlichst zu vermeiden, auf seine Einsamkeit zu pochen
und allein zu essen.
Jetzt, nach dem Lärm, den Stunden mit ihrer strengen Ordnung, entgleitet
ein schiefes Lächeln über die Worte, die gesprochen wurden, über die
Papiere und Aufzeichnungen. Für Sekunden, auf dem Treppenabsatz,
in der Kantine, überzog ein Verlangen wie Ameisen die Haut,
sich fallen zu lassen, in einen Moment hinein, der nicht verlischt.
Es ist die kleine Kapsel Ewigkeit, die man schlucken möchte in gewissen
Augenblicken, die nicht schön sein müssen – nur anwesend sein,
als starke Wahrnehmung, als ein Sein, tiefes Sein, so spricht es aus
dem Herzen, einem verwandelten Herzen, als reine Poesie.
Wem dies zu viel Gefühl ist, der mag unbeteiligt bleiben, für die anderen aber
schreibt die Poetin noch, ebenso aus der Zeit gefallen, wie der zerlegte Nussbaum
im Garten.
Inmitten der Handgriffe – Töne, die wecken und Fragen stellen, auf die
keine Antworten folgen. Jemand sagt, und ich kenne ihn recht gut, dass es unsinnig sei,
zu fragen, wenn es keine Erklärungen gibt. Weise ist er, wie ein alter Schuster,
denn ich will keine Antworten. Solch ein Stück Gescheitheit, mit gelben Rändern
und einem faserigen Mund aus Exaktheit. Lasst die Fragen
sich lieber aus Holzkisten und Transistoren befreien – unsere verschmitzte Sturheit
und von mir aus das Geplapper. Seitdem ich keine Antworten mehr kenne,
denke ich mehr als je zuvor.
In einem Garten trug ich die Schleppen der Mädchen, das sind die Augenblicke,
die wiederkommen, immer bin ich in einem Garten, wie Eva, immer in Versuchung,
den Löwen zu befreien, hochmütig und mit einer Prise Arsen im Schoß.
Doch manchmal ist mir einsam, und die Poetin schwitzt in ihren prächtigen
Zimmern, denn sie ist reich, ja was denkt ihr denn? Sie hat Kleider, das Gesicht eines
blauen Engels und thront auf ihren Versen und Gedanken. Sie ist die Königin
des ungeschriebenen Gedichts, die Päpstin aller verloren gegangenen Romane,
und sie rollt das r wie eine Spanierin. Und schön ist sie, wie ein eingefallenes Dach.
Aber genug von ihr und ihrem geflochtenen Haar. Wollt ihr sie kennenlernen, dann
müsst ihr eure Augen schließen.
Die Irreführung des Gehirns geschah schon gegen Mittag.
Eine Realität wie eine Betäubung kannte die Enttäuschungen und Fehlgeburten,
kannte auch den Halbschlaf nach der Gewalt – kannte uns.
Am Nachmittag zeigten sich erstmals die fremden Zonen, eine Bewölkung
trat ein, darauf ein Dunst, und es verschwanden die fühlbaren Dinge,
deine Hand und selbst dein unverwüstlicher Verstand. War etwas
zum Vorschein gekommen, eine dritte Person, an Hälsen würgend?
Als Verwundete blieb ich zurück, noch Körper, noch in einer Wahrnehmung,
unwirklich war das Ausmaß mit knapper Luft,
und
ein Wille war da, nicht ganz wegzutreiben von der Körperfülle
und den zähen Füßen. Aber was nützt es, zu halten, was nicht mehr zum
Menschen gehören will?
Nicht länger ein geräuschloses Ertragen und die schäbige Demut, irgendwie.
Es kann eine Auslöschung sein, die erfolgt ist, ein ganzer Mensch leuchtete
kurz und verglühte, weil die Anstrengung nur noch ein Zerreißen mit sich
brachte und die Verschleuderung des eigenen Körpers. Ja, ein Augenblick
war es nur, als die Trennlinie durchbrochen wurde, an der man schon lange stand,
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