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Christian erreicht den Strandkorb seines Großonkels. Inga setzt sich gerade zu ihm, als sie den Besuch bemerkt. Flo Pichler, nur bekleidet mit dunkelblauen Shorts löffelt bereits genüßlich den erfrischenden Fruchtquark. Christian staunt unwillkürlich über die “immer noch gute” Figur des Bruders seines Großvaters mütterlicherseits, des jüngeren Bruders - wohlgemerkt. Es ist ohne Zweifel eine Frage seines Alters, daß er es kaum glauben kann, daß Männer dieses Alters eine sehr wohl beachtliche körperliche Erscheinung sein können. Aber es macht ihn auch irgendwie stolz auf den “alten Herrn” und hoffnungsvoll, in vierzig Jahren vielleicht auch noch so daherzukommen. Und seinen Vater findet er mit dessen fast 46 Jahren sowieso genial aussehend; beste Voraussetzungen für ihn selbst.
„Moin, Onkel Flo.” Der sieht auf, schluckt herunter, setzt den Becher aber nicht ab. „Moin, mein Jung’. Bist Du allein hier?”
„Hi, Inga.”
„Grüß Dich, Christian.” Die beiden tauschen Wangenküsse aus. Seit Florian und Inga ein Paar sind, hat sich auch Christian mit ihr eng angefreundet, in allen Ehren natürlich, und jedem, der über den Altersunterschied der beiden glaubte hetzen zu müssen, deutlich die Meinung gesagt. Als auch seine Eltern entschieden Partei für die beiden ergriffen hatten und Florians Mutter mit ihren fast 95 Jahren sich bei einem Kaffeekränzchen deutlichst jeden abwertenden Kommentar verbeten hatte, und wenn Urgroßmutter Priscilla deutlich wird, dann wird sie deutlich, war zumindest öffentlich Ruhe. Was einzelne Leute dachten war der Familie egal. Nur ihr böses Schandmaul hatten diverse Herrschaften zu halten.
„Nee, bin mit Jan hier …”
„… und mit mir”, erklang es hinter Christian, der erschrocken herumfährt, direkt in Isas schönes Lächeln sieht und angesichts ihrer unerwarteten Oben-ohne-Realität erst einmal ein deutliches Räuspern hören läßt.
Florian von Pichler ist Profi genug, auch jetzt, und nicht aus der Ruhe zu bringen. Inga lächelt in sich hinein.
„Möchtest Du uns die junge Dame nicht vorstellen”, sieht er seinen Großneffen auffordernd an.
„Ja, äh, das ist, ähem …”
„Hast Du Dich verschluckt?” Isa klopft ihm fürsorglich auf den nackten Rücken und sieht dann die beiden Korbsitzer an.
„Isa heiße ich, Isa van Heelen” und streckt Christians Großonkel die Hand hin, der seinen Fruchtquarkbecher auf dem kleinen Klappbrett abstellt und die angebotene Hand ergreift.
„Florian Pichler, ich bin der Großonkel dieses gerade etwas indisponierten hoffnungsvollen jungen Mannes, und das ist meine Lebensgefährtin Inga Rasmus.” Beide bleiben sitzen, was am Strand durchaus nicht unhöflich ist, zumal, wenn jemand sich am Klappbrett vorbeizwängen müßte. Inga reicht Isa die Hand und lächelt sie freundlich an. „Hallo. Bist Du aus dem Achterland oder im Urlaub hier?”
„Wir sind im Urlaub, gerade gekommen.”
Inga staunt. „Na, für ‘gerade gekommen’ hast Du aber schon ordentlich Farbe - und wir …?” Sie sieht die hübsche Barbusige fragend an.
„Meine Freundin Stella sitzt da hinten an der Buhne mit Christians Freund Jan”, wobei sie durch Kopfnicken in die gemeinte Richtung deutet, „und meine Eltern haben in Blankenese ein schönes Penthaus, da kann man gut ‘ohne’ sonnenbaden.” Christian horcht auf, das Überraschungsräuspern hat sich gegeben. Jetzt weiß er schon eine ganze Menge für die kurze Zeit der Bekanntschaft.
Isa ist neugierig. „Ich habe gehört, Sie machen Kalender?”
„Ja, ganz recht, schon viele Jahre.”
„Auch von Christian?” Isas Augen funkeln.
„Ja, seit letztem Jahr auch von ihm, neben anderen.” „Kann man die mal sehen?”
„Natürlich. Kommen Sie doch einfach mal zu uns, dann können Sie sich die Arbeiten anschauen, und wenn Sie Lust haben - wir suchen noch Modelle.” Florian von Pichler ist schon wieder bei der Arbeit, was Inga mit einem leisen Kopfschütteln kommentiert. Isa ist wie elektrisiert. „Christian kann Sie ja mal zu uns bringen, die Tage, und wenn Ihre Freundin so gut aussieht wie Sie, bringen Sie sie mit.”
„Meinen Sie wirklich?” Isa kann es kaum glauben. „Würde ich es sonst sagen?” Pichler nickt ihr bekräftigend zu und gestaltet in Gedanken bereits den zusätzlich neuen Kalender. Silke Burmester wird begeistert sein, denkt er sich. Jetzt fällt Christian wieder ein, warum er zu seinem Großonkel gegangen war. Isas plötzliches Auftauchen hatte ihn doch recht verwirrt.
„Sind die Probeabzüge schon fertig, Onkel Florian?” Er vermeidet bewußt die Abkürzung “Flo” angesichts Isas Präsenz.
„Gestern, Christian, wollte Dich schon anrufen. „Dann komme ich morgen.” Isa knufft ihn in die Seite. „Äh, wir kommen morgen”, verbessert er sich. „Also, abgemacht, und nun laßt uns mal unseren Fruchtquark essen, ehe er ganz warm geworden ist bei der Hitze, ja?” Christian versteht die deutliche Aufforderung, zu verschwinden. Er winkt seinem Großonkel zu: „Na denn bis morgen, Onkel Flo … rian. - Tschüs Inga”. Ein schneller Wangenkuß, und er zieht Isa mit sich fort, die kaum noch ihr „Tschüs, hat mich gefreut …” anbringen kann.
Lächelnd sehen Pichler und Inga den beiden nach. „Nette Deern, wird sich gut machen”, stellt der Verleger fest und beginnt, seinen tatsächlich etwas warm gewordenen Quark zu löffeln. Inga tut es ihm nach.
„Der süße Christian ist schon wieder verliebt. Seine Biene hat er scheints gründlich abgehakt, hm.”
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Als Christian mit Isa zurückkommt, die er immer noch festhält, als würde er befürchten, sie könne zurücklaufen und sich ohne seine Aufsicht seine Nacktphotos ansehen, bemerkt er, daß auch Stella “abgelegt” hat und Jans Badehose bereits sichtbar verräterisch ist. Er läßt Isa los, die sich auf ihrem Badetuch niederläßt und Stella etwas zuflüstert, so daß diese ihre Augen aufreißt, grinst, aber nichts sagt. Christian setzt sich zu Jan, flüstert ihm etwas zu, worauf der sich aus seiner rücklehnenden Haltung wieder vorbeugt und die ausgestreckten Beine an den Oberkörper zieht. Stella gefällt das gar nicht, denn sie hat gern registriert, was da zu sehen war und nun versteckt wird. Alle vier sagen erst einmal nichts. Christian beginnt schneller als sonst, mit dem Sand zu spielen.
„Wohnt Ihr schon lange hier?”, unterbricht Isa mit ihrer wohlklingenden Stimme die nur kurze, aber den Freunden ewig erscheinende Stille. Die beiden nehmen weder den Wind, noch das Wellenauflaufen und das Strandbrummen war. Hinter ihnen laufen kleine Kinder durch „Ich krieg dich, ich krieg dich”.
„Äh, wie bitte?” Christians Gesicht gerät für Bruchteile von Sekunden in Bewegung, als sei er aus tiefster Konzentration herausgerissen worden.
„Wie lange Ihr hier schon wohnt?” Isa hat es bemerkt und amüsiert sich.
„Wo wohnen wir schon lange?” Christians sprachliche Auffassung scheint verwirrt zu sein. Isa ist nicht ganz unschuldig daran.
„Na, wann habt Ihr hier Eure Zelte aufgeschlagen?”, bohrt nun Stella nach.
„Warum Zelte? Wir wohnen doch nicht in Zelten, hhm?” Jan schüttelt den Kopf. Er hat seine Antennen nur noch auf diese exquisiten Brüste gerichtet und den dazugehörigen äußerst reizvollen Rest - ein äußerst beunruhigend attraktiver “Rest“. An Britta kann er sich gar nicht mehr erinnern, denn ihr für ihn einstmals so schönes Bild funkt nicht störend dazwischen, und selbst Kristin ist gerade im “Papierkorb” geparkt. Er hat nur noch Augen für diese herrliche weibliche Aufregung.
„Eben. Warum sollten wir auch in Zelten wohnen?” steht Christian seinem Freund zur Seite.
„Herrschaft, irgendwo müßt Ihr doch wohnen. Ihr übernachtet doch nicht am Strand, oder?”
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