„Klar, Tante Horch. Danke.”
Sie bemerkt, daß die jungen Burschen in Gesellschaft sind. „Ach, Ihr seid nicht allein? Haben die jungen Damen einen Korb?” Marga Horch ist immer geschäftstüchtig.
Christian tritt vor das Häuschen. Blitzartig erschließt sich ihm die Möglichkeit der Verstationierung der beiden Schönen: haben sie einen Korb, müssen sie sie nicht immer suchen. „Sagt mal, wie lange bleibt Ihr eigentlich?” Isa sagt an „Noch elf Tage, drei sind wir ja erst hier, warum?”
„Habt Ihr einen Korb?”
„Nee, haben wir nicht. Ist hier einer frei?”
„Komm’ mal ’rein, ich frag’ mal.” Christian nimmt Isa einfach bei der Hand, die es nicht abwehrt und zieht sie ins Häuschen hinein. „Guten Tag”, grüßt Isa freundlich, was Frau Horch ebenso erwidert. „Hast Du noch einen Korb frei, Tante Horch?”
„Für wie lange denn?”
„Elf Tage”, wiederholt Isa, während Frau Horch sich schon zu ihrem mit roten Besetztsteinen übersäten Belegungsplan umwendet. „Hm, da wird morgen einer frei, für zwölf Tage, aber das ist einer in der dritten Reihe, der H80. Hat aber den Vorteil, daß Sie den Wind nicht so abkriegen. Möchten Sie den?” Christian nickt Isa ermunternd zu. Stella hat von draußen mitgehört und nickt ebenfalls.
„Okay, den nehmen wir.”
„Schön. Sagen Sie mir bitte Ihren Namen? Morgen vormittag ist mein Mann hier, dann weiß er gleich Bescheid, wenn Sie kommen. Dreißig €uro die Woche und zehn €uro Kaution für den Schlüssel, aber das bezahlen Sie dann erst morgen.”
„Isa van Heelen und meine Freundin heißt Stella O’Brian. - Irischer Vater”, setzt sie gleich dazu. Das Nachfragen kennt sie schon. „O-Brei-en geschrieben, aber O-Bri-en gesprochen.”
Nun muß Christian schon nicht nach den Familiennamen fragen, alles in einem Aufwasch. Ein feines Lächeln umspielt seinen Mund. Er hatte bereits einen aufregenden Tag, und er scheint sehr angenehm enden zu wollen.
„Gut, dann kommen wir morgen so zwischen zehn und elf Uhr - reicht das?” „Natürlich, bereits für Sie reserviert. Kommen Sie, wann immer Sie möchten. Nur um 6.30 Uhr, wenn unser Krischan nackt schwimmen geht, tjä, dann ist noch keiner von uns hier”, lächelt Marga Horch schelmisch-süffisant Christian an, dem der Atem stockt und das Blut in den Kopf schießt. Er hat den Tag mit Leuchtturm-Übungen begonnen und scheint ihn so beenden zu sollen. „Verdammter Mist, woher weiß sie das? Ich hab’ doch nie jemanden gesehen.” Christian ringt sich ein leicht verunglücktes Lächeln ab. „Hähä, ja, äh, danke, Tante Horch”, stottert er sich irgendwie aus dieser peinlichen Situation heraus, „atschüs denn, bis nachher” und mit einem flüchtigen Winken schiebt er Isa hinaus und sucht, tja, was sucht er denn nun? Ach, irgendwie erst einmal das Weite. Jan bemerkt seines Freundes Verwirrung und zieht ihn zur Seite.
„Was ist denn los, Alter? Hast Du da drinnen eine Erscheinung gehabt?”, versucht er mit gedämpfter Stimme herauszubekommen, warum Christian so unkoordiniert um sich schaut, als wisse er nicht, wohin. Immer noch ganz perplex über Marga Horchs Wissensstand neigt Christian seinen Kopf näher an Jans linkes Ohr und raunt ihm zu, was er gerade erfahren hat.
„Ja und?” Jan spricht wieder in normaler Lautstärke. „Mann, Junge, wir sind hier auf’m Dorf. Hier kannst Du doch nich’ am Waldrand pupen, ohne daß es zehn Minuten später am Strand alle wissen. Stell’ Dich doch nich’ so an.”
Christian beruhigt Jans Selbstbewußtsein überhaupt nicht. Hat Sigurd vielleicht die Klappe nicht gehalten oder wer hat wohl hinterm Busch gestanden und ihm zugesehen? Jan war bislang nicht dabei gewesen.
„Ich komm’ morgen früh mal’ rüber und dann können sie alle unsere beiden Knackärsche begucken - und gut is’! Auf’m Kalender bist Du doch noch viel besser zu sehen. Krieg’ Dich ein, Mensch.” Jan klopft ihm aufmunternd gegen die Brust. „Und nun komm. Wir wollten doch mit den Deerns schwimmen gehen.”
Die Mädchen haben sich die kleine Szene leicht verwundert angesehen und -gehört. Stella hatte Isa zugeflüstert: „Kalender? Hast Du das gehört? Ist Deiner vielleicht ein Fotomodell?” „Wieso meiner? Und überhaupt. Deiner sieht doch auch toll aus.” „Warum ist der andere denn nun meiner ?” „Weil ich meinen zuerst gesehen hab’, deswegen”, stellte Isa ein für allemal klar und beide sahen sich mit leicht eingezogenen Köpfen lächelnd an. Die Jungs waren bereits “verteilt”.
Jetzt kommen sie aber wieder zu den beiden hin und Jan übernimmt das “Kommando”.
„Laßt uns doch da ’rüber zu der Buhne gehen”, er deutet in Richtung der ersten Felsbuhne östlich der Seebrücke, „da lagert niemand.”
Jan nimmt Stella wie selbstverständlich bei der Hand und zieht mit ihr los. Isa nimmt Christian bei der Hand und zieht mit ihm los. Da sie alle vier barfuß sind lassen sie die Plankenrampe links liegen und gehen nach dem Strandmäuerchendurchlaß quer rechts rüber durch die Strandkorbreihen hindurch.
Als Christian links hinüber zur Brücke schaut, entdeckt er Inga Rasmus, die, braungebrannt, in einem Nichts von hellblauem Bikini, auf einen Strandkorb zugeht aus dem sich sein Großonkel Florian hervorbeugt. Sie hat zwei Becher in der Hand. „Oh, Onkel Flo hat sich eine Auszeit genommen.”
An der Buhne angekommen stellt Isa ihre Strandtasche ab, holt zwei große bunte Tücher heraus und legt sie nebeneinander, ihrer Breite nach parallel zur Wasserlinie auf den Sand und bedeutet den Jungs „Setzt Euch.” Christian legt sein T-Shirt ab, wirft es Jan vor die Füße. „Ich geh’ mal eben zu meinem Großonkel - bin gleich wieder da.” Kaum gesagt, ist er auch schon weg. Die Mädchen sehen sich fragend an und ihm hinterher, sehen Jan an, der seinem Freund nachsieht und in der Blicklinie Inga Rasmus erkennt, die gerade Florian von Pichler einen Becher reicht.
„Da hinten sitzt Christians Großonkel mit seiner Freundin. Er ist unser Verleger. Christian fragt sicher nur mal nach dem neuen Kalender.”
„Verleger? Kalender? Was für Kalender?” Isa wird neugierig.
Stella vermutet etwas. „Habt Ihr Euch nackt photographieren lassen, Du und Dein Freund?”
„Ja, klar”, gibt Jan es stolz zu. „Christian schon im letzten Jahr und dieses Jahr bin ich auch dabei.”
Isa und Stella sehen sich mit großen Augen an und zeigen dabei ein erwartungsvolles Funkeln.
„Kann man das mal sehen?”
„Ja, wie jetzt? Soll ich mich jetzt hier ausziehen?”
„Wär’ doch geil, oder?” Die Mädchen lachen verschmitzt.
„Ja, klar, und dann kommt Frau Horch angerauscht und erklärt mir den Weg zum Lensterstrand. Nee, danke.” Jan schüttelt den Kopf. „Das sind ja ‘n paar heiße Chicks.”
Als die Mädchen beginnen, sich ihrer Strandröckchen zu entledigen, zieht sich auch Jan das T-Shirt über den Kopf und läßt es als Textilhaufen neben sich fallen. Lächelnd betrachten Stella und Isa ihn und registrieren innerlich amüsiert seine bewundernden Blicke. Dann setzen sie noch eins drauf und legen ihre Bikinioberteile ab. Und daß sie das wohl immer tun, ist daran zu erkennen, daß sie keine weißen “Körbchen” tragen, was Jan begeistert bemerkt. Nachdem die Freundinnen ihre abgelegten Strandtextilien fein säuberlich zusammengelegt in Isas Strandtasche verstaut haben, läßt sich Stella neben ihrem “Ausgesuchten” nieder, während Isa sich kurz in Christians Abmarschrichtung orientiert und mit einem kurzen „Bin gleich wieder da“ ihm folgt.
Stella streckt ihre wohlgeformten Beine nicht ganz aus und stützt sich nach hinten mit den Armen ab. Jan muß sich Mühe geben, die so großherzig dargestellten weiblichen Attribute nicht zu sehr anzustarren, was sehr wohl bemerkt aber nicht gezeigt wird, wenn man von einem kurzen, fast unmerklichem Lächeln absieht. Jan ist es nicht aufgefallen; er ist zu sehr abgelenkt, befürchtet eine allzu deutliche optische Erweiterung seiner Badehose. „Wären wir doch nur schon im Wasser.”
Читать дальше