„Bitte hier, sonst kriege ich Ärger mit meinem Vater, 100 Liegestütze und so.” Martin knickt ein.
„Was ist denn Dein Vater?”
„Spieß!” Der Blick des Jungen bekommt etwas Ängstliches.
„Na dann.”
Malvoisin bedeutet Langeland, die Kamera mit Display bereitzuhalten. Er stellt den Jungen gerade noch einmal im corinnischen Zustand in seinem Kopfkino auf.
„Du bist ziemlich braun. Wie lange seid Ihr schon hier?”
„Über zwei Wochen.”
„Du bist ziemlich vollständig braun, ich meine, ohne auffällig weiße Stellen. Sonnst Du Dich abseits vom Strand ohne?”
Martin staunt innerlich über diese intensive Beobachtung. Er antwortet zunächst zögernd.
„Öh ja, schon. Äh, vor unserem Ferienhaus am Wald.”
Malvoisin will schon enttäuscht aufgeben.
„Aber ich gehe auch zum Lensterstrand ‘rüber. Da ist es interessanter.”
Malvoisin fährt seine aufgekommene Enttäuschung wieder herunter.
„Kennst Du den?”
Langeland hält ihm das Display hin.
„Nö, Typen interessieren mich nicht.”
„Er hatte eine Besonderheit, die man nur beim textilfreien Baden und Sonnen sehen konnte.”
„Konnte? Ist er tot?” Martin schwant etwas. „Ist das der Waldtote?”
„Genau der. Und er hatte …” Martin erinnert sich plötzlich.
„Richtig, daß ist der mit der großen Eichel, der Beschnittene. Habe ich noch nie gesehen, so ‘was. Dem haben viele nachgesehen. Der war vor einigen Tagen das erste Mal da. War schon ziemlich braungebrannt, als wenn er schon ewig da wäre oder sich vorgebräunt hat. Eigener Garten oder großer Balkon oder so. Dann kam er noch einmal. Ich habe ihn von weitem mit einer jungen Frau Richtung Grömitz weggehen sehen. Blond war sie, aber ich hatte nur Rückansicht, kam gerade aus dem Wasser. Mehr weiß ich nicht.”
Malvoisin ist begeistert.
„Großartig! Du hast uns sehr geholfen, mehr als Du ahnst. Und jetzt sagst Du uns bitte, wie Du heißt.”
„Martin. Martin Jörgensen.” Malvoisin grinst, was den Jungen etwas irritiert. „Warum grinst der so komisch? Paßt dem mein Name nicht?”
„Bist Du heute noch hier oder auch morgen?”
„Ja, warum?”
„Du bekommst Deine Badehose wieder.”
„Tatsächlich? Wie wollen Sie das denn machen? Eine neue kaufen?”
„Nein. Dein kleines Malheur ist mein Patenkind.”
„Ach du Scheiße!”
„Keineswegs, sie ist sehr nett, hat aber einen Spleen mit Badehosen. Komm’ ihr nicht noch einmal zu nah, sonst laß ich Dich kielholen und ich weiß, wie so etwas geht, verstanden?” Martin nickt eifrig und ist insgeheim froh, seinem strengen Vater nicht das Verschwinden der Badehose erklären zu müssen. Glücklicherweise waren seine Eltern zu einem Ausflug nach Laboe gefahren, sonst wäre das Donnerwetter enorm gewesen und längst über ihn hinweggebraust.
„Und da hast Du meine Karte, falls Dir noch etwas einfällt. Kannst mich jederzeit anrufen. Ein Handy wirst Du wohl haben?” Martin nickt wieder und liest den Namen.
„Martin von Malvoisin?” Er sieht auf und steht auf. „Malvoisin? Sind Sie mit Admiral von Malvoisin verwandt?”
„Mein Vater. Warum?” Er zieht seine rechte Augenbraue hoch. „Woher …?”
„Mein Vater war mal sein Fahrer. ‚Friedrich den Großen’ fürchtet er heute noch!”
„Nicht nur er.”
Malvoisin setzt seinen Rembrandt wieder auf.
„Aber ich bin noch schlimmer als er, wenn Du Corinne noch einmal …, verstanden?”
„Klar, verstanden. Nie wieder!”
Martin knickt innerlich endgültig ein. Was hat er für ein Glück gehabt, aus der Sache so gut herausgekommen zu sein.
*
In Malvoisins Büro ist es heiß. Ihm und Langeland stehen kleine Schweißperlen auf der Stirn. Es kommt ein Mitarbeiter der Gerichtsmedizin herein.
„Mit Empfehlung von Professor Anderson. Der Obduktionsbericht zum Waldtoten und …”, er räuspert sich, „… das hier.” Er legt den großen Umschlag auf den Schreibtisch und einen durchsichtigen Plastikbeutel daneben - mit dem Dildo.
„Vielen Dank. Richten Sie Ihrem Chef bitte meinen herzlichen Dank für seine Arbeit aus, und auch dafür”, wobei er mit Kopfnicken auf den Dildo deutet. Langeland sitzt gegenüber und grinst, zieht ein Taschenbuch und wischt sich den Schweiß ab.
„Tschüs.”
Der Bote geht und murmelt kopfschüttelnd beim Schließen der Tür „Wat dat nich all gifft.”
Malvoisin nimmt den künstlichen Penis aus dem Beutel und stellt ihn aufrecht vor sich auf den Tisch. Er betrachtet ihn mit einer Mischung von Abscheu, Ekel und notwendigem beruflichen Interesse. „Warum hat ein männliches Mordopfer dieses Teil im Allerwertesten?” Malvoisin kann sich eine Menge vorstellen. Spiel und vergessen, so wie schon bei einer Operation eine OP-Schere oder ein Tupfer in einer Bauchhöhle “vergessen” werden, oder ein sich ihm noch nicht erschließender Ernst, vielleicht Teil einer Vergewaltigung, aber das Opfer ist ja nicht in einer Gefängniszelle gefunden worden.
Langeland amüsiert es fast, wie Malvoisin den Künstlichen anstarrt, in die Hand nimmt und von allen Seiten betrachtet. „Der sieht verdammt echt aus, wie vom Original abgenommen. Ob er wohl …” Malvoisin unterbricht die Gedanken seines Kollegen.
„Überprüf doch bitte mal, welche aggressiven schwulen Sexualtäter in letzter Zeit entlassen wurden und deren Alibis zur Tatzeit.”
„Mach’ ich.”
Malvoisin zieht den Obduktionsbericht aus dem Umschlag. Angeheftet sind mehrere farbausgedruckte Bilder des Waldtoten. Malvoisin betrachtet ihn einen Augenblick.
Ein Kollege kommt, ohne das „Entree!” nach dem Anklopfen abzuwarten, herein. Er legt Malvoisin ein Aktenstück auf den Tisch, hält inne, betrachtet den Dildo und schmunzelt breit.
„Neues Hobby, Malle, oder ist Maren mit Dir böse?”
Auf Malvoisins säuerlichen Gesichtsausdruck hin sieht Hans Hansen Langeland an: „Oder gehört er Dir?”
„Bist Du noch nicht draußen?” Dabei sieht Langeland Hansen an, als wolle er ihn gleich erschlagen.
„Is’ ja schon gut. Aber Ihr solltet Eure Eigenwerbung wirklich nicht so offen herumstehen lassen. Man könnte denken …”
„Hansen, VERSCHWINDE!” Malvoisin reichen die Anspielungen. Der Gerüffelte geht mit einem erneut breiten Grinsen und gespieltem Beleidigtsein.
„Keiner läßt mich mitspielen, Ihr seid so gemein zu mir.” Dann sucht er schnell das Weite, denn wie von Zauberhand hat Langeland einen Gummiknüppel in der Hand und springt auf.
Draußen lacht Hansen lauthals los und durch die nicht ganz geschlossene Tür hören beide, wie der prustend einigen Kollegen erzählt, Malle habe ihn nicht mit seinem Schwanz spielen lassen wollen, worauf Langeland seinen Knüppel herausgeholt hätte. Brüllendes Gelächter und dann sehen tatsächlich drei Kollegen herein:
„Wir haben gehört, Ihr hättet ein heißes Unterhaltungsprogramm am laufen. Kann man da vielleicht … “. Zum “Mitmachen” kommen sie nicht mehr, denn Langeland stürmt mit seinem Knüppel auf sie los, die Drei verziehen sich ganz schnell und Langeland drischt die Tür zu.
„Blöde Bande!” Langeland atmet tief durch. Malvoisin schüttelt den Kopf über den “Kinderkram” und macht ruhig weiter.
„Fritz, während Du ein bißchen herumtelephonierst, gehe ich mal eben zu Goldkränzchen, sonst fragt er mich morgen, warum ich nicht gestern gekommen bin, es eile ja, in den Urlaubsorten dürften zum Donnerwetter keine nackten toten Leute in den Bäumen hängen, und beantrage die ‚zwanzig Mann’.” Langeland grinst. Er kennt die Betrachtungen des Präsidenten.
„Ich bin dann in Grömitz und höre mich bei der Kurverwaltung und den Korbvermietungen um. Die Pensionen, Ferienwohnungen und Hotels sollen die Kollegen machen. Der sieht selbst im Tod noch gut aus, lebend muß der Mann erst recht aufgefallen sein, auch angezogen. Wir hatten ja schon Glück, daß seine Besonderheit diesem Martin aufgefallen war. Das hat eine Menge Heuhaufenstocherei gespart.”
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