Plötzlich bekam ich einen schmerzhaften Stoß in den Rücken. Ich stolperte, taumelte zur Seite und konnte gerade noch verhindern, dass ich mitten auf dem Gehweg stürzte.
„Steh doch nicht im Weg herum“, schnauzte mich der alte Mann an, der mir seinen Ellenbogen in den Rücken gerammt hatte. Dann hastete er weiter.
„Arschloch!“, rief ich ihm hinterher und befürchtete, dass er noch einmal umdrehen und zurückkommen würde. Doch zum Glück war er wahrscheinlich schon halb taub - nichts geschah.
Ich lehnte mich noch einen Augenblick gegen die Mauer des Hauses, neben dem ich stand. Und in diesem Augenblick entdeckte ich die perfekte Ablenkung. Es kam mir vor wie ein zaghafter Wink des Schicksals. „Aushilfe gesucht“ , las ich auf einer kleinen schwarzen Tafel, die mitten auf dem Fußweg stand. Die pinkfarbenen Buchstaben sprangen mich direkt an. Ich hob meinen Kopf und sah, dass die kleine Tafel offensichtlich zu einem Cafè gehörte.
Ich blieb noch eine Weile unschlüssig stehen, doch meine innere Prinzessin sprang aus ihrer dunklen Ecke und schob mich voller Ungeduld zur Tür.
Als ich an diesem Tag nach Hause kam, war ich Aushilfe im „Enjoy“.
Rasmus, der Besitzer, hatte mich zwar zuerst etwas irritiert gemustert, was sicher an meinen verheulten Augen gelegen hatte, doch er gab sich mit meiner plausiblen, wenn auch gelogenen Erklärung zufrieden, dass ich an einer Allergie leide. Und stellte mich schließlich ein.
Nun musste ich nur meinen Eltern noch erklären, dass ich ab heute dreimal in der Woche nach der Schule in dem kleinen gemütlichen Café in der Altstadt unseres Ortes Gläser und Tassen herumtragen wollte.
„Und was wird mit den Hausaufgaben?“, lautete der erste Einwand meiner Mutter. Typisch!
„Du hast doch selbst gesagt, ich soll mir einen Job suchen, wenn mir mein Taschengeld nicht genug ist “, erwiderte ich.
„Ja, schon – aber das hab ich doch nicht so gemeint“, versuchte meine Mutter ihre Äußerung zu verharmlosen.
Ich zuckte trotzig mit den Schultern. „Pech gehabt. Jetzt hab ich einen.“
Meine innere Prinzessin verschränkte die Arme vor der Brust und sah mit mir gemeinsam Mama selbstbewusst entgegen. Niemand – auch nicht meine Mutter – würde mich daran hindern, diese verfluchte Nacht vergessen zu können.
Mit selbstbewussten Schritten verließ ich die Küche.
„Und die Hausaufgaben?“, rief mir Mama hinterher.
„Mach ich auch!“, rief ich über die Schulter zurück.
Das war die einzige Diskussion zu diesem Thema. Meine Eltern hatten sich damit abgefunden, dass ich versuchte, auf eigenen Füßen zu stehen. Zumindest war das ihre Erklärung für meine überstürzte Jobsuche. Ich hatte mit keiner Silbe erwähnt, dass dieser Job mir sozusagen in einer ausweglosen Situation schicksalhaft vor die Füße gefallen war.
An einem Freitagnachmittag hatte ich meinen ersten Tag im „Enjoy“.
Rasmus hatte mir bereits einen Tag vorher alles Wichtige erklärt und gezeigt. Es war eigentlich nicht schwer. Ich musste die Bestellungen der Gäste aufnehmen, sie Rasmus übermitteln und dann warten, bis er alles vorbereitet hatte. Dann kam der schwierige Teil des Jobs, nämlich die Bestellung in Form von gefüllten Tassen, Tellern, Gläsern oder Eisbechern an die jeweiligen Tische zu transportieren.
Als ich zum ersten Mal eine Bestellung völlig falsch ablieferte, lachte Rasmus noch. Bei der ersten Bestellung, die auf dem Boden landete, ebenfalls. Nachdem ich einer Dame einen Eiskaffee über die weiße Spitzenbluse geworfen hatte, zog er schon die rechte Augenbraue nach oben. Doch von Tag zu Tag gelang es mir immer besser, die Bestellungen unfallfrei zu den Tischen zu bugsieren. Ich durfte bleiben.
Emma allerdings war ein wenig sauer, dass ich nun so viel Zeit mit meinem Job anstatt mit ihr verbrachte. Ich wertete das als gutes Zeichen dafür, dass sie mir die Freundschaft nicht aufkündigen würde. Während ich Geld verdiente und dabei versuchte, Tom und diese verfluchte Nacht zu vergessen, hockte sie nun Nachmittag für Nachmittag im „Enjoy“ und erledigte ihre Hausaufgaben. Wenn ich nicht so viel zu tun hatte, leistete ich ihr Gesellschaft und schrieb nebenbei an meinen Hausaufgaben.
Ich kam also meistens gar nicht dazu, über irgendwelche Dinge nachzudenken und so nach und nach gelang es mir tatsächlich, die Nacht aus meinen Gehirnschubladen zu schmeißen.
Bis zu dem Tag, als Tom „mein“ Cafè zu „seinem“ Cafè machte und die Schublade einfach wieder bis oben hin füllte.
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