Die Jahre, die ich damit zugebracht habe, mich aufzurichten und aus dem Elend wieder aufzustehen, vergingen mit Hartz IV. Tolle Sache – man wird von vorne bis hinten kontrolliert, entblößt und als minderwertig angesehen. Regelmäßig sind die Konto-Auszüge der letzten drei Monate einzureichen, eventuell vorhandene Sparbücher offen zu legen und im Grunde steht man nackt da – irgendwie zumindest! Man bekommt Schulungen aufgedrückt, ob nun sinnvoll oder zweckmäßig nicht in jedem Fall relevant, und erhält die notwendige Unterschrift für die Weiterbewilligung nur dann, wenn man diese antritt, am Besten morgen schon. Ansonsten keine Unterschrift – keine Unterschrift bedeutet dann auch, kein Geld!
Als man mich vor etlichen Jahren in ein „Modul“ zwängte, für mehrere Wochen, wo es darum ging, jenen, die nicht hoch kommen, Hilfestellung zu bieten, fühlte ich mich leicht deplatziert. Das wöchentliche Programm war von Montag bis Freitag festgelegt und sich wiederholend. Je nachdem, an welchem Tag man halt dazustieß, eben von heute auf morgen, durfte man an der Gruppe teilhaben. Kannte man den Vortrag aber schon, durfte man sich in einem Nebenraum an den bereitstehenden Rechnern langweilen. Einer dieser „Vorträge“ war der einer Frau, die vehement dafür eintrat, sich an eine Zeitarbeitsfirma zu wenden und dass es sowas von klasse sei, für solche zu arbeiten. Dass der Lohn für dieselbe Tätigkeit der anderen Kollegen weniger war, ist nicht weiter tragisch. Wir bewegen uns auf einem Level, da habe ich nicht zu hinterfragen, sondern bin verpflichtet anzunehmen, was sich mir bietet. Schließlich bin ich wer, der der Gesellschaft zur Last fällt.
Was mich persönlich störte, war weniger der Umstand an sich, dass sie eine Zeitarbeitsfirma als auch deren Vorgehen verständlich machen wollte, sondern vielmehr ging mir ziemlich quer ab, wie sie das tat. Als säßen da alles absolute Vollidioten vor ihr, die kein eigenes Denkvermögen haben und erstmal ordentlich „auf Trapp“ gebracht werden müssen. Von Glorie umgeben stand sie da und präsentierte sich selbst durchaus als herausragend. Sie nahm sich einzelne Teilnehmer vor, die sie wahllos herauspickte. Vor allen anderen sollten diese dann ihren Lebensweg entblößen, was ihr nur wieder die Gelegenheit gab, das Scheitern und Versagen aber mal so richtig detailliert darzulegen. Ob ich an dieser Stelle noch erwähnen sollte, oder gar muss, dass ich da nicht mitmachte? Wieder mal negativ auffiel, weil ich mich weigerte, die vorgeführte Gehirnwäsche zu durchlaufen. Bei meiner Lebensgeschichte als auch den Hintergründen absolut indiskutabel, mich vor mir fremden Menschen zu entblößen – taktisch unklug! Muss man denn ständig unter die Nase gerieben bekommen, dass man am A… ist? Danke, das weiß ich auch so – sonst würde ich hier nicht sitzen!
Ein anderes Mal wurde die zugrunde liegende Gesetzeslage ausführlich erörtert. Was ich als Nutznießer dieses Systems für Auflagen zu erfüllen habe. Ja, schon klar! Satzungen wie die Mitwirkungsverpflichtung sind mir geläufig und sich damit mal zu befassen, macht schon Sinn. Bitter aufstoßen tut es dennoch, weil man erneut sich der Lage stellen muss, dass man unterste Stufe ist! Ob man auch Rechte hat, stand nicht zur Diskussion … die Würde des Menschen ist? – Ja, das ist hier die Frage!
Mal abgesehen davon, dass man drei Wochen mit diesem Schwachsinn zuzubringen hatte und man lediglich eine Woche lang davon, täglich den Stunden folgen konnte, den Vorträgen also. Ansonsten saß man seine Zeit vor dem Computer ab. Da die Stellenanzeigen nun nicht täglich um etliche Angebote erweitert wurden, was der ländlichen Region zuzurechnen ist, war es entsetzlich langweilig, keine Frage. Mehr noch, die Zeit, die ich dort zubringen musste und vor mich hindümpelte, verging damit, dass ich mich ernsthaft mit der Zweckmäßigkeit dieses Kurses auseinandersetzte … so ganz habe ich das bis heute nicht verstanden, aber nun gut! Die, die abgesondert wurden, weil sie Deutsch lernen sollten, blieben sich selbst überlassen und niemand kümmerte sich oder half ihnen. Dazu hätte es wen gebraucht, der deren Muttersprache versteht, um ihnen etwas nahebringen zu können. Mal abgesehen davon, dass sie mit uns den Raum teilten und so etwas wie in Ruhe arbeiten aufgrund der herrschenden Lautstärke unmöglich war. ERROR – würde ich sagen und zwar auf ganzer Linie! Aber ich hatte wenigstens die Unterschrift für die Weiterbewilligung, sah es aber nicht ein, mich noch länger zu solchen „Schulungen“ nötigen lassen zu müssen. Hätte ich ein Modul für Büroarbeiten oder so belegen dürfen, keine Frage. Oder etwas, das mir eine berufliche Grundlage bieten kann, um raus zu kommen, eine Anstellung zu finden – sofort, ebenfalls kein Thema. Aber so – fand ich das ziemlich schwachsinnig!
Noch heftiger wird es, wenn man infolgedessen dann als mutmaßlicher Totalverweigerer zum Amtsarzt geschickt wird, was als Abschreckung dienen soll. Man gesagt bekommt, „was auch immer du simulierst, dort kommt es raus! Und dann haben wir dich, dann ist Ende der Fahnenstange!“ Man ahnt beinahe das diabolische Grinsen und kann das Händereiben schon in den Ohren hören, das einsetzt, wenn rechtmäßig Kürzungen wegen mangelnder Mitarbeit endlich möglich werden. Der Traum eines jeden Menschen, der wirklich gebrochen und völlig überfordert nicht weiß, wie er sein Leben auf die Reihe bringen soll! Albtraum trifft es da wohl eher … kenne ich, habe ich auch schon durch. Auch wenn die Ärztin dort wirklich verständnisvoll war und den Durchblick hatte. Ich ihr bis heute dankbar bin, dass sie erkannte, wie wenig ich unter diesen Bedingungen funktionieren konnte. Aber danach halt als „erwerbsunfähig“ dazustehen und noch unter Hartz IV auf Sozialgeld angewiesen zu sein, ist nicht prickelnd. War aber für etliche Jahre der einzige Weg, der mir blieb.
Glücklicherweise bekam ich nach diesem Debakel eine wirklich liebenswerte Fallmanagerin zugewiesen, der es absolut nicht schwerfiel, mich zu respektieren und mir Achtung zuteilwerden zu lassen. Davon ist so vieles abhängig, kaum in Worte zu fassen.
Das wäre ja auch so eine Sache, wenn es Schulungen betrifft. Würde man sich dort den Menschen nähern auf einer Ebene, die vermittelt, wo sind deine Stärken, und wo deine Schwächen, was kannst du, und wie kriegen wir dich da hin? Wo es dir freigestellt ist, ob du der Gruppe von dir erzählen möchtest und man dir die Zeit lässt, dich in ihr zu finden. Voraussetzung dafür sollte aber sein, dass nicht täglich die Teilnehmer wechseln und man einander auch kennenlernen kann. Denkbar wäre unter Umständen sogar, dass man auf einer solchen Grundlage lernt, wie man auf andere wirkt und an sich arbeiten kann, um eben das dahingehend zu verbessern, um seine Chancen auf dem Arbeitsmarkt erhöhen zu können. Module, die den Spieß quasi umdrehen und vielleicht auch Menschen mit ähnlichem Bildungshintergrund vereinen oder aber so konzipiert sind, dass die Stärkeren den Schwachen helfen. Man irgendwie das Gefühl vermittelt bekommt: „Mensch, dir geht’s grade nicht so klasse, aber du bist dennoch was wert und wir finden einen Weg.“ Etwas, das Hoffnung vermittelt oder wenigstens Auftrieb signalisiert und nicht so auf das Versagen ausgerichtet ist. Naja – so halt …
Zurück zu mir. Ob ich mich dafür schäme, solange auf unterster Stufe gestanden zu haben? Nein, nicht wirklich. Es ging nicht anders, war sonst nicht zu regeln. Zu der Zeit war ich ständig betreut vom sozialpsychiatrischen Dienst als auch regelmäßig in einer Beratungsstelle vom Bistum zu Gast, und zwar über Jahre hinweg konsequent als auch konstant. Als völlig aus dem System knallend dazustehen, hebt zwar das Selbstwertgefühl nicht unbedingt an, verschaffte mir aber die Luft zum Atmen, die ich brauchte. Wie soll ich denn einen beruflichen Alltag als Alleinerziehende bewältigen, was auch seine Aufmerksamkeit fordert, wenn zeitgleich mein Ich am Boden liegt? Schwer zu meistern und für einige von denen da draußen womöglich sogar nicht nachvollziehbar. Ich konnte ja nicht einmal einkaufen gehen, ohne heftige Magenkrämpfe, geschweige denn mich in der Dunkelheit draußen bewegen. Wenn jeder Schritt außerhalb der Wohnung zur nervlichen Tortour wird, dann ist das Leben alles andere als lebenswert!
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