Mein Jesus! Da du die Härte seines Herzens erkennst, krampft sich das deinige zusammen. Die Liebe überwältigt dich, es scheint, als versagten deine Kräfte. Jesus, mein Leben! Gestatte, dass ich dich in meinen Armen aufrechthalte. Ich verstehe, dass das Kunstgriffe deiner Liebe sind, die du bei hartnäckigen Sündern anwendest. Allein während ich mit dir Mitleid habe und dir Sühne leiste für die Beleidigungen, die du von solchen Seelen erfährst, bitte ich dich, mir zu erlauben, im Verein mit dir die Erde zu durchwandern, um den verstockten Sündern das Geschenk deiner Tränen darzubieten, damit ihre Herzen weich werden; ich bitte dich, ihnen deine Liebeserweise zu geben, um sie an dich zu fesseln, sodass sie dir nicht mehr entrinnen können. So wirst du entschädigt werden für den Schmerz, den der Untergang des Judas dir bereitet.
Jesus, Freund und Wonne meines Herzens! Ich sehe, dass deine Liebe ihren Lauf nimmt, dich mit sich fortreißt. Du erhebst dich und näherst dich sehnsüchtig dem Tisch, wo bereits Brot und Wein zur Wandlung bereitstehen. Deine göttlichen Züge nehmen einen Ausdruck an, so zart, so liebevoll, wie man ihn nie gesehen hat. Deine Augen strahlen heller als die Sonne, dein Angesicht rötet sich und wird glänzend, deine Lippen umspielt himmlische Freude, dein ganzes äußeres Wesen nimmt die Hoheit des Schöpfers an.
Ich sehe dich, meine Liebe, wie verklärt. Deine Gottheit durchschimmert die Hülle deiner Menschheit. Dein Anblick, wie man ihn nie wahrgenommen hat, zieht die Aufmerksamkeit aller auf dich. Die Apostel sind von süßem Entzücken erfasst und wagen kaum zu atmen, deine gütige Mutter findet sich im Geiste bei deiner Tafelrunde ein, um die Wunder deiner Liebe zu schauen. Die Engel steigen vom Himmel herab. Es ist, als ob sie sich gegenseitig fragten: „Was ist doch das? Ist das nicht das Übermaß, der Wahnsinn der Liebe? Ein Gott erschafft nicht einen neuen Himmel oder eine neue Erde, aber er gibt sich selbst ein neues Dasein, indem er die vergängliche Materie von ein wenig Brot und Wein in den Leib und das Blut seiner Menschheit verwandelt.“ O unersättliche Liebe! Da alle Jünger um dich geschart sind, sehe ich, wie du das Brot in deine heiligen Hände nimmst und dem Vater darbringst. Ich vernehme deine süße Stimme, die spricht: „Heiliger Vater, Dank sei dir gesagt, weil du immer deinen Sohn erhörst. Heiliger Vater, wirke du mit mir. Einstens hast du mich vom Himmel auf die Erde gesandt, Mensch zu werden im Schoß einer Jungfrau, um unsere Kinder zu retten. Nun gestatte mir, dass das, „Wort“ in jeder Hostie Fleisch wird, um die Rettung der Menschenkinder fortzusetzen und das Leben einer jeden Seele zu sein. Siehe, Vater, nur wenige Stunden sind mir noch beschieden. Wie könnte ich so herzlos sein, meine Kinder allein und als Waisen zurückzulassen! Zahlreich sind ihre Feinde, zahlreich ihre Leidenschaften, dicht die Finsternisse ihres Geistes, groß die Schwäche ihres Herzens, denen sie unterworfen sind. Wer wird ihnen zu Hilfe kommen?
O ich bitte dich, lass mich in jeder Hostie zurückbleiben, um meinen Kindern das Leben zu erhalten, ihnen Licht, Kraft und Stärke zu sein. Wohin kommen sie sonst? Wer wird ihr Führer sein? Die Werke unserer Hände sind ewig, meiner Liebe kann ich nicht widerstehen, ich kann und will meine Kinder nicht allein lassen.“
Der Vater wird von deinen Worten bewegt, die von Liebe entflammt sind und steigt vom Himmel herab. Nun sind auf dem Altartisch der Vater und der Hl. Geist mit dir, mein Jesus! Jetzt sprichst du mit klarer und eindrucksvoller Stimme die Wandlungsworte. Ohne dich selbst zu entäußern, machst du dich in jedem Brot und Wein auf sakramentale Weise gegenwärtig. 35
Mein Jesus! Die Himmel neigen sich herab und bringen dir einen Akt der Anbetung in dem neuen Zustand tiefster Erniedrigung dar. Nun ist deine Liebe zufrieden gestellt. Ich sehe bis zum Ende der Zeiten auf dem Altar alle konsekrierten Hostien. Aber so viele Hostien sind mit dem Kranz deiner schmerzvollen Passion umwunden, weil so viele Menschen das Übermaß deiner Liebe nur mit dem Übermaß von Undankbarkeit, ja grauenhafter Verbrechen lohnen.
Jesus, Herz meines Herzens! Ich möchte immer bei dir sein in jedem Tabernakel, in jedem Speisekelch, in jeder hl. Hostie, um dir meine Akte der Sühne darbieten zu können für alle Beleidigungen, die dir im Sakrament der Liebe zugefügt werden.
Jesus, ich betrachte dich in der konsekrierten Hostie 36, küsse im Geist deine Stirne, auf der die Majestät der Gottheit thront, fühle aber auch die Stiche deiner Dornenkrone. O wie viele Seelen gibt es, die dir auch in der Hostie die Dornenstiche nicht ersparen! Statt dir die Huldigung guter Gedanken darzubringen, kommen sie mit bösen Gedanken. Du neigst von neuem dein Haupt wie bei deiner Passion 37, empfängst und erduldest die Stiche, welche die Dornen ihrer schlimmen Gedanken dir bereiten. Meine Liebe! Ich nähere mich dir, um deine Leiden zu teilen. Nimm alle meine Gedanken in deinen Geist auf, um jene Dornen fernzuhalten, die dir so bitteren Schmerz bereiten. Jeder meiner Gedanken gehe in jeden deiner Gedanken über, um jeden bösen Gedanken zu sühnen und so dich zu trösten. 38
Jesus, mein höchstes Gut! Ich sehe den liebevollen Blick deiner schönen Augen jenen zugewandt, die vor dir erscheinen. Er verlangt als Gegengabe einen liebevollen Blick auch von ihnen. Aber wie viele erscheinen vor dem Allerheiligsten und schauen nach anderen Dingen, die ihnen Zerstreuung bieten und dich so des Wohlgefallens berauben, das dir ein Blick der Liebe bereitet hätte. Du weinst, aber auch meine Wangen sind von Tränen benetzt. – Mein Jesus, weine nicht! Ich will meine Augen in die deinigen senken. Um mit dir dein Leid zu teilen, um für alle Blicke der Neugierigen zu sühnen, bringe ich dir meine Blicke dar, die stets auf dich gerichtet sein sollen.
Jesus, ich sehe, du hörst deine Geschöpfe aufmerksam an, um sie zu trösten. Diese hingegen sagen dir andachtslos, gewohnheitsmäßig, ohne Vertrauen ihre Gebete her. Und dein Gehör leidet in dieser Hostie mehr als in deiner Passion. Mein Jesus, ich möchte dir alle Harmonien des Himmels zu Gehör bringen, mein Gehör mit dem deinigen vereinigen, um an deinen Leiden Anteil zu nehmen, dich zu trösten und Sühne zu leisten.
Jesus, mein Leben! Ich sehe dein heiligstes Angesicht mit Blutstropfen benetzt, entstellt und bleich. Deine Geschöpfe erscheinen vor dem höchsten ausgesetzten Gute. Aber statt dir die gebührende Ehre zu erweisen, scheint es, als ob sie durch ihr unanständiges Benehmen und ihre ungebührende Unterhaltung dir Backenstreiche gäben und dein Antlitz besudelten. Du nimmst wie in deiner Passion diese Unbilden in Frieden und Geduld entgegen und erträgst sie. Jesus, ich möchte mein Antlitz dem deinigen nahe bringen, nicht allein um der Gegenstand der Entehrung zu sein, die sie dir bezeigen, sondern auch um all deine Pein mit dir zu teilen. Ich möchte mit meinen Händen dein Antlitz von den Besudelungen reinigen, dich an mein Herz drücken. Aus meinem ganzen Wesen möchte ich so viele Teile machen und dir vor Augen stellen, wie es Seelen gibt, die dir Ehre erweisen. Ich möchte alle meine Regungen und Bewegungen in ebenso viele Kniebeugungen verwandeln, um ohne Unterlass die Unehrerbietigkeit zu sühnen, die dir von den Geschöpfen zuteilwird.
Mein Jesus! Wenn du im heiligsten Sakrament zu den Menschenkindern kommst, bist du gezwungen, dich auf so viele unreine, böse und lästernde Zungen zu legen. O wie bitter für dich! Es kommt dir vor, als würdest du von diesen Zungen vergiftet. Es ist noch schlimmer, wenn du in ihre Herzen hinabsteigst. Wäre es möglich, nähme ich gern diese Zungen an, um alle ihre sündhaften Reden, die dich so sehr beleidigen, in Lobsprüche zu verwandeln.
Jesus, mein höchstes Gut! Ich sehe dein Haupt so müde, erschöpft und ganz eingenommen von deiner Liebestätigkeit. Sag mir, was tust du? Und du gibst zur Antwort: „Mein Kind! In der konsekrierten Hostie muss ich von Morgen bis Abend weilen, um Ketten der Liebe zu schmieden. Wenn Seelen kommen, fessle ich sie an mein Herz. Aber weißt du, was sie dann tun? Viele machen sich gewaltsam los und reißen die Ketten meiner Liebe in Stücke. Da diese Ketten mit meinem Herzen verbunden sind, leidet es Qualen, die unaussprechlich sind. Indem sie meine Ketten zerreißen, machen sie meine Liebesmühen zunichte, lassen sich dafür Ketten von den Geschöpfen anlegen und bedienen sich meiner, um ihre Absichten zu erreichen. Das tun sie sogar in meiner Gegenwart. Ein solches Benehmen betrübt mich in dem Maße, dass ich vor Schmerz dahinsiechen würde, wäre ich in leidensfähigem Zustand.“ – Wie leide ich mit dir, mein Jesus! Dein Herz ist so vielen Quälereien ausgesetzt. So bitte ich dich, meinem Herzen jene Ketten anzulegen, welche die anderen brechen, um dir für sie mit meiner Liebe zu vergelten und dich zu trösten für die Beleidigungen, welche die Seelen dir zufügen. Mein Jesus! So gewaltig und mächtig ist das Feuer, das in deinem Herzen brennt, dass du seinen Flammen Luft machen und Pfeile der Liebe auf die Herzen entsenden willst. Viele jedoch lenken sie ab und erwidern sie mit Pfeilen, Spießen und Wurfgeschoßen der Kälte, Lauheit und Undankbarkeit. Wie sehr hättest du Grund, mein Jesus, darüber bitterlich zu weinen! Sieh nun mein Herz bereit, nicht allein jene Liebespfeile zu empfangen, die für mich bestimmt sind, sondern auch jene, welche die anderen Seelen zurückweisen. Ich werde die Kälte, Lauheit und Undankbarkeit sühnen, die dir von diesen Seelen zuteilwird.
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