Und was jetzt?
»Was darf ich Ihnen bringen?«, erkundigte sich eine dralle Kellnerin mit ausgeprägtem schottischen Akzent. »Vielleicht einen Creme Tea?«
Scones mit Clotted Creme und Marmelade. Eine der leckersten Süßigkeiten, abgesehen von Shortbreads. Ich war kurz davor, zuzustimmen, als mir einfiel, warum ich hergekommen war. Bestimmt nicht, um mich von Hamish dabei erwischen zu lassen, wie ich in ein mit Creme und Marmelade beschmiertes Teilchen biss.
»Nur Tee«, sagte ich stattdessen und seufzte innerlich.
Während ich auf den Tee wartete, betrat eine Frau den Raum, die ich näher kannte. Wir hatten uns in der winzigen Bücherei des Ortes getroffen, in der sie arbeitete, und waren uns sofort sympathisch gewesen. Als ich bemerkte, wie sie sich suchend umsah, winkte ich ihr zu.
»Mrs Smith, wenn Sie möchten, setzen Sie sich gerne zu mir.«
Sie durchquerte lächelnd den Raum. »Nennen Sie mich Mabel«, bat sie und setzte sich. Im Gegensatz zu mir bestellte sie den kompletten Creme Tea und eine große Kanne Tee mit zwei Tassen.
Als die Bedienung die Scones brachte, bedauerte ich meinen Entschluss.
»Sie sollten ein Scone probieren, Sophie, sie sind herrlich«, sagte Mabel.
Bevor ich antworten konnte, stampfte Mrs. Fraser in den Raum und direkt auf uns zu.
»Na, wie war die Wanderung?«, wollte sie wissen und setzte sich ungefragt an unseren Tisch. Mabel schenkte ihr wortlos eine Tasse Tee ein. »Komme ich rechtzeitig zur Show?«, erkundigte sich Mrs Fraser und Mabel nickte lächelnd.
Verwirrt sah ich die beiden an. Keinen Wimpernschlag später rauschte eine Frau in den Raum. Bekleidet mit einer unvorteilhaften Hose, einem hellrosa Pullover und einem Twinsetjäckchen, das auf ihren Schultern lag.
»Es freut mich zu sehen, dass unsere Scones so gut bei ihnen ankommen«, flötete sie, sah mich, stutzte und warf mir aus unerfindlichen Gründen einen finsteren Blick zu.
»Wer ist das denn?«, erkundigte ich mich bei Mrs Fraser.
»Ihre Konkurrenz«, erwiderte sie trocken.
»Wieso?«, fragte ich verwirrt. »Schreibt sie auch Bücher?«
Mrs Fraser sah mich an, als wäre ich minderbemittelt und ich verstand.
»Ach so.« Ich schüttelte den Kopf. »So ist das nicht, zwischen Hamish und mir«, beeilte ich mich zu sagen. Auf keinem Fall wollte ich zum Klatschobjekt des Dorfes werden.
Mrs Fraser betrachtete mich skeptisch. »Sind Sie sicher? So wie er Sie angesehen hat?« Sie nahm einen Schluck Tee. »Hazel scheint Sie auf jeden Fall für eine Rivalin zu halten. Seit Sie mit Hamish wandern waren, gibt sie ganz schön Gas. Sie hat inzwischen sogar herausgefunden, wozu die Kosmetikindustrie den Lippenstift gedacht hat. Gestern waren ihre Lippen doch tatsächlich pink«, fügte sie bösartig hinzu und beschmierte ein Scone dick mit Creme und Marmelade.
»Sie war gestern schon hier?«, erkundigte ich mich unangenehm berührt.
In Mrs Frasers Augen glitzerte es wissend. »Sie ist täglich hier. Immer zur gleichen Zeit. Ihrem Vater gehört die größte Bäckerei im Umkreis und sie lässt es sich nicht nehmen, die Richtigkeit der Lieferungen ans Castle Hotel persönlich zu überprüfen und an der Verbesserung der Zusammenarbeit zu arbeiten.« Sie schnaubte belustigt. »Warten Sie, gleich sehen Sie, was ich meine.«
Mein Blick wanderte zu Hazel, die gerade auf die Bedienung einredete. Diese nickte ergeben und kehrte kurz darauf in Hamishs Begleitung zurück, der in seiner hellgrauen Anzughose und dem enganliegenden, weißen Oberhemd verboten gut aussah. Mein Herz fing an, wie wild zu klopfen und für einen kurzen Augenblick, hatte ich das Gefühl, als würden tatsächlich Schmetterlinge in meinem Magen herumflattern, aber das war natürlich albern. Ich hatte Hunger, das war alles. Ich hätte mir doch ein Scone nehmen sollen. Hamish sah sich flüchtig um und wollte sich gerade Hazel zuwenden, als sein Blick an mir hängen blieb. Ein Lächeln glitt über sein Gesicht und er nickte mir zu. So unberührt wie möglich hob ich die Hand und winkte kurz.
»Jetzt geht’s los«, sagte Mrs Fraser, verschränkte die Arme und lehnte sich bequem zurück.
»Hamish, Darling«, zwitscherte Hazel mit hoher Stimme und legte die Hände auf seine Arme.
Mit offenem Mund beobachtete ich, wie sie ihm affektiert zwei Küsschen auf die Wangen hauchte. Zu meiner Genugtuung schien Hamish sich unwohl in seiner Haut zu fühlen. Ich grinste und er warf mir einen vernichtenden Blick zu.
»Auf dem Weg hierher sind mir ein paar einfach fantastische Frühstücksideen eingefallen«, fuhr Hazel fort.
»Gestern waren es welche für den Creme Tea«, sagte Mrs Fraser laut und ich hustete.
Hazel warf erst ihr und dann mir einen eisigen Blick zu und hängte sich bei Hamish ein. »Wollen wir sie kurz bei dir im Büro besprechen?«
»Natürlich«, sagte er freundlich. »Ich möchte nur gerne vorher jemanden begrüßen.« Er löste sich von ihr und kam auf mich zu. Sofort schlug mein Herz wieder schneller.
»Sophie, meine Damen«, sagte er, sobald er unseren Tisch erreicht hatte, und nickte Mrs Smith und Mrs Fraser zu. Dann wandte er sich an mich und nahm meine Hand. Sofort war das Kribbeln wieder da. »Ich freue mich, dass du es in den Tea Room geschafft hast. Was macht der Muskelkater?«
»Der wäre mir, wenn überhaupt, an anderen Stellen lieber gewesen«, lag mir auf der Zunge, aber da die beiden Mrs’s am Tisch saßen, konnte ich leider nicht so antworten, wie ich wollte. »Meine Treppenstufen und ich haben uns wieder lieb«, sagte ich stattdessen. »Allerdings würden meine Beine gerne wissen, was du für den nächsten Mittwoch planst.«
Hamish grinste, drückte kurz meine Hand und ließ sie dann los. Sofort hatte ich das Gefühl, einen wichtigen Körperteil verloren zu haben.
»Bleibst du noch ein Weilchen?« Hamish sah mir in die Augen und ich vergaß kurzfristig zu atmen. Wortlos nickte ich.
»Wenn du magst, lade ich dich nachher auf einen Drink ein, die Bar öffnet in einer Stunde.«
Zu gerne hätte ich jetzt Hazels Gesicht gesehen, doch Hamish versperrte mir die Sicht, aber zumindest hatte ich meine Stimme und Denkfähigkeit wiedergefunden.
»Alkohol am frühen Nachmittag. Ist das der Versuch zu beenden, was der Muskelkater nicht geschafft hat? Mich von den Füßen zu hauen?« Ich bedachte ihn mit einem strahlenden Lächeln.
»Man tut, was man kann«, erwiderte er lachend. »Also, was ist mit dem Drink?«
»Gerne.«
»Dann bin ich gleich wieder bei dir.« Er verabschiedete sich von den Mrs’s und ging hinüber zu Hazel, die mich giftig ansah und sich bei ihm unterhakte.
»Egal, was Sie behaupten, Sie sind Konkurrenz«, stellte Mrs Fraser klar und ich lächelte erfreut.
In der Zeit, die ich auf Hamish wartete, ließ ich mich doch zu einem Scone überreden und lauschte, während ich den himmlischen Geschmack von Clotted Creme und selbstgemachter Himbeermarmeladen genoss, den neusten Verschwörungstheorien von Mrs Fraser. Ich selbst hatte das Projekt Clotted Creme nur einmal in Angriff genommen und dann nie wieder. Man musste Schlagsahne mit einem Fettgehalt von 35% aufwärts in eine Auflaufform gießen, so dass der Boden mindestens zwei Zentimeter bedeckt war und das Ganze dann bei 80º Grad zwölf Stunden lang im vorgeheizten Backofen lassen. Danach wurde alles bei Zimmertemperatur abgekühlt und kam abgedeckt für nochmal zwölf Stunden in den Kühlschrank. Für Menschen ohne Geduld, wie mich, nichts, was man wiederholen wollte. Seitdem kaufte ich die Creme fertig aus dem Kühlregal.
Als Hamish kam, um mich abzuholen, hatte ich das beruhigende Gefühl, jeglichen Alkohol locker wegstecken zu können.
»Meine Damen, ich werde Ihnen Sophie jetzt entführen«, sagte er charmant und reichte mir die Hand, um mir aufzuhelfen. »Die Rechnung geht selbstverständlich auf mich.« Er gab der Bedienung ein Zeichen und diese nickte.
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