Während Joan sich in Raphaels Gewalt befand, telefonierte Brian mit Paolo und erzählte ihm von Joans Anruf. Als er Raphaels Namen erwähnte, wandte Paolo ein. „Das glaube ich nicht. Ich kenne ihn.“
„Wo könnte er sie hingebracht haben?“, drängte Brian ihn, da sie keine Zeit verlieren durften. Er ahnte, dass dieser Kerl die Leitung unterbrochen hatte.
„Es kommt nur seine Wohnung in Frage“, sagte Paolo und teilte Brian die Adresse mit. Es war bereits nach elf Uhr morgens. Bei dem Verkehr auf den Strassen würden sie mindestens eine halbe Stunde benötigen. Brian mochte sich nicht vorstellen, was dieser Kerl bis dahin mit Joan angestellt hatte.
Seit sechs Stunden war Joan in Raphaels Gewalt und er schien nicht genug von ihrem Körper zu bekommen. Fortwährend stillte er seine sexuelle Lust an ihr und strafte ihre Abwehr mit Schlägen, die sie allmählich betäubten. Ihr ganzer Körper tat ihr weh, es gab keine Stelle, die Raphael verschonte. Bei jeder seiner Berührung zuckte sie schmerzlich zusammen und wünschte sich nichts sehnlicher, als ihren Tod.
Halb benommen spürte Joan, wie Raphael sie unsanft auf die Seite drehte, wobei sich die Fesseln tief in ihre Handgelenke schnürten. Mit wachsendem Verlangen lag er hinter ihr und berührte ihre Brustwarzen, die von seinen groben Händen und seinem Mund schmerzten. Kaum dass sie seine erneute Erregung wahrgenommen hatte, rollte Raphael sie hastig auf den Bauch herum, schob ihre Beine auseinander und stieß unerbittlich in sie hinein. Joan riss ihre schmerzverzehrten, vom Blut verschleierten Augen auf.
In diesem Moment kam Brian die Treppe hinaufgelaufen, die zu dem offenen Schlafzimmer führte, und schreckte vor dem Anblick der beiden Nackten zurück. Nur Sekunden verharrte er am Treppenansatz, dann stürmte er zum Bett und packte Raphael an den Schultern.
„Du mieses Schwein!“, schrie er wutentbrannt und zerrte Raphael von Joan hinunter und aus dem Bett. Unbarmherzig schlug Brian auf seinen nackten, vom Koks beeinträchtigten Gegner ein, ehe dieser munter wurde und sich ebenfalls zur Wehr setzte. Wild schlugen sie aufeinander ein, rangelten miteinander und rissen zahlreiche Gegenstände mit sich, ehe sie auf den kleinen Glastisch stürzten, der unter ihrem Gewicht zerbrach. Brian rappelte sich auf und ballte dicht vor dem Gesicht seines Gegners die Hand zur Faust um zuzuschlagen, doch Raphael, der blutverschmiert auf den Trümmern des Glastisches lag, regte sich nicht mehr.
Erst da ließ Brian von ihm und wandte den Blick zum Bett hinüber, auf dem Joan noch immer splitternackt lag. Mit zwei Schritten war er bei ihr und löste die festen Knoten ihrer Fesseln, die einen blutenden Abdruck in ihren Handgelenken hinterließen.
„Nein... lass mich...“, kam es flüsternd über ihre Lippen.
Zaghaft berührte Brian ihren Arm, doch Joan erkannte ihn durch ihre geschwollenen Augen nicht. „Jo... ich bin es... Brian“, sagte er mit Tränen in den Augen, da sein Kopf nicht begreifen wollte, was ihr dieser Kerl über Stunden angetan hatte. Fassungslos wagte Brian einen raschen Blick auf ihren mit Blut und blauen Flecken bedeckten Körper, zog eilig sein Hemd aus und legte es über ihren nackten Körper. „Joan, hörst du mich?“, fragte er sorgenvoll, da sie sich nicht mehr rührte, und sah in das geschundene Gesicht seiner Schwester.
Plötzlich öffnete sie einen Spalt weit ihre Augen. „ Brian ...“, entrang es ihr.
„Kleines, ich bin bei dir. Es ist vorüber“, flüsterte er und streichelte zärtlich ihre Stirn. „Ich bringe dich von hier fort, aber du musst mir helfen...“ Da sah er, wie ihre Augen zufielen und ihr Kopf zur Seite sackte. „Komm schon, Jo! Bleib’ bei mir!“, flehte Brian und schlug ihr mit der flachen Hand gegen die Wange, um sie wach zu halten, doch langsam glitt sie in ein schwarzes Nichts hinüber.
Raphael sah ihr mit einem breiten Grinsen in die Augen, dann beugte er sich zu ihr hinunter und versuchte sie zu küssen, aber Joan drehte ihren Kopf immer wieder von ihm weg. Da packte er ihren Kiefer fest mit der Hand und zwang sie zu einem Kuss... leise raunte er an ihrem Ohr, wie sehr er sie begehrte und zugleich spürte sie seine Lust.
Joans Schrei drang durch das ganze Haus und riss Brian und Rachel aus dem Schlaf. Sofort sprang Brian auf, rannte zum Zimmer seiner Schwester hinüber und eilte an ihr Bett, in dem Joan zusammengekrümmt lag. Sie weinte fürchterlich und stieß ihn immerzu von sich. Dabei entging ihm nicht, dass sie bei jeder seiner Berührungen zuckte.
Verzweifelt saß er neben ihrem Bett am Boden und während Tränen über seine Wangen liefen, hörte er seine Schwester leise weinen. Brian blieb bei ihr, selbst als er seine Fassung zurückgewonnen hatte. Irgendwann verstummte schließlich ihr Schluchzen. Müde wandte Brian sich zu ihr um und sah, dass sie eingeschlafen war. Mit zittriger Hand berührte er sachte Joans Wange.
Dieser kurzen Nacht folgten drei weitere, in denen Joan von Albträumen heimgesucht wurde, sodass sie kaum schlief. Tagsüber lag sie wie in Trance in ihrem Bett und konnte stundenlang auf ein und dieselbe Stelle starren, doch in den Nächten quälten die Erinnerungen sie wieder und wieder.
Vier Tage waren vergangen und Joan hatte kein einziges Wort mit ihnen gewechselt. Sie lag in ihrem Bett, weinte und schlief abwechselnd und ließ sich weder von Brian noch von Rachel anfassen, die sich um ihre geschwollenen Augen kümmern wollte.
„Was können wir tun?“, fragte Brian seine Freundin, nachdem Joan sie abermals abgewiesen hatte.
„Sie will unsere Hilfe, unsere Nähe nicht“, sagte Rachel traurig. „Wir können ihr nur zeigen, dass wir für sie da sind. Ich fürchte, wir müssen warten, bis sie auf uns zukommt.“
Brian nickte, obwohl Geduld nicht zu seinen Stärken zählte. „Wird sie es schaffen? Ich meine...“ Er suchte nach den richtigen Worten. „Kommt sie allein damit zurecht?“
„Ich weiß es nicht, Schatz. Sie ist unglaublich stark, aber...“ Schluchzend fiel sie in seine Arme. „Sie muss mit jemandem darüber sprechen.“
„Ich weiß, Liebling.“ Bekümmert fuhr er ihr durch die Haare. Nur mit Mühe konnte Brian seinen abgrundtiefen Hass verbergen. Seine unglaubliche Wut, die in ihm brodelte.
Am nächsten Morgen telefonierte Brian mit dem zuständigen Polizisten, der sich um den Fall kümmerte. Noch im Krankenhaus hatte er Brians Anzeige gegen Raphael aufgenommen. Die Fotos, die eine Krankenschwester von Joans unzähligen, blauen Flecken und ihrem Gesicht gemacht hatte, genügten, um ihn auch ohne Joans Aussage zur Fahndung auszuschreiben. Doch was Brian erfuhr, war alles andere als erfreulich. Die Polizei suchte Raphael in ganz Mailand, aber anscheinend war er untergetaucht. Der Polizist ließ vermuten, dass Raphael sich nicht mehr in Mailand aufhielt.
„Ich will, dass dieses Schwein für das, was er meiner Schwester angetan hat, büßt“, sagte Brian verärgert, da dieser Kerl nicht ungestraft davonkommen durfte.
„Das wollen wir auch, aber leider kann ich Ihnen derzeit nicht viel Hoffnung auf eine baldige Verhaftung machen. Es tut mir sehr leid, Signor.“
„Sagen Sie das der Frau, die sein nächstes Opfer wird“, antwortete Brian verärgert und beendete das Gespräch. „Verflucht noch mal!“, rief er wütend und warf das Telefon auf die Couch. „Dieser Mistkerl ist untergetaucht!“, klärte er Rachel auf, die soeben von Joan kam. „Er wird sich auf irgendeiner Insel sonnen, Champagner trinken und sich mit seinen Freunden amüsieren...“
Als Paolo später zu ihnen kam, konnte auch er von keinen Ergebnissen berichten. Seit Tagen fragte er bei all seinen Freunden nach Raphael, doch niemand hatte ihn seit seiner Geburtstagsparty mehr gesehen.
„Wie geht es ihr?“, fragte Paolo leise und sah zu Brian, der an der geschlossenen Terrassentür stand und hinaus in den Garten blickte.
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