1 ...6 7 8 10 11 12 ...18 "Hecki, weißt du, dass die Warzenente die einzige Hausente ist, die aus Südamerika stammt?"
"Is' mir egal. Aber boah, die schmecken sooo gut.", Hecki hätte sich die Lippen geleckt, wenn er nicht gerade wieder den Mief vor sich wegpusten müsste.
"Hecki. Weißt du, dass es gar nicht gut ist, wenn es viel mehr Erpel als Enten gibt?"
"Kann ich mir denken, bei Menschen ist das ähnlich."
"Ja, aber bei Enten ist das fatal. Wenn fünf Erpel andauernd ein und dieselbe Ente begatten wollen, dann hat die Ente so viel Stress, dass sie sogar sterben kann. In der Natur verrecken die meisten Enten im Frühjahr, in der Paarungszeit, wenn man eigentlich denkt, der Winter ist vorbei und alles wird gut."
"Das ist echt 'n Ding. Und ich dachte immer, Frauen mögen es, wenn viele Männer um sie herum sind."
"Junge, sieh dir das nur an. Hier sind viel mehr Erpel als Enten auf dem Teich, viel mehr."
"Das ist nicht gut für die Enten, oder? Kann man denn gar nichts für die armen Enten tun?"
"Du meinst, so etwas wie eine gute Tat zum Wohle der Natur?"
Morgens kam Hecki in Atsches Zimmer gestürmt.
"Junge, ich kann das einfach nicht glauben."
"Was? Was kannst du nicht glauben?", Atsche war gerade dabei, sich anzukleiden.
"Na, dass wir in der Nacht noch diese fette, verseuchte Phenol-Ente vollständig aufgefressen haben!"
"Das war ein fetter Warzen-Erpel."
"Mann, was haben die Weiber geschimpft, als du mit diesem Viech in der Hand nackend aus dem Wasser gekommen bist."
"Bloß gut, dass wir den Schwan wieder haben laufen lassen. Dann hätten diese Mimosen noch mehr Alarm geschlagen. Aber mitgefuttert haben am Ende doch alle, und wie."
"Ey, das hat aber auch geschmeckt. Gut gekocht Atsche, wirklich gut gekocht."
"Gebraten, Meiner, gut gebraten."
"Und was hat Gabi erst gezetert, dass sie nicht einen Happen davon essen würde."
"Hör mir bloß auf mit Gabi. Die Klaferze hat von allen das meiste in sich reingeschlungen und am Ende auch noch die Knochen einzeln AB-GE-LECKT."
"Ach komm! Du bist doch nur sauer auf Gabi, weil sie in deiner alabaster-weißen Unterhose eine Bremsspur gefunden hat."
"WAS hat sie?"
"Tja, mein Lieber. Da würde ich mal sagen, bei Gabi hast du verschissen.", und nach einer genüsslichen Pause: "... im wahrsten Sinne des Wortes.", jetzt brach es aus Hecki heraus und er schlug sich vor Lachen auf die Knie.
"Es gibt genügend andere.", Atsche sah es gelassen, vorerst. Doch Hecki hatte Blut geleckt.
"Junge, was soll das denn jetzt? Du warst total scharf auf Gabi. Erst baggerst du sie im Fettbach die ganze Zeit dilettantisch an und dann erhebst du sie zu deiner Intim-Wäsche-Verwalterin. Aber, was dein Verhältnis zu Gabi angeht: Da war wohl gestern die Kacke mächtig am Dampfen, was?"
"Halt die Klappe, Heckenbauer."
"Oh Mann, Atsche. Langsam wird mir klar, warum du nie zum Schuss kommst. Übrigens hat Zero sie danach abgeschleppt. Kann ich auch irgendwie verstehen. Wahrscheinlich hat ihr die Sache mir dir am Ende doch zu sehr gestunken."
"Du dumme, dumme Sau, du elende. Halt endlich die Schnauze!", die Ermahnung war für den Moment unnötig, denn Hecki brauchte eine Weile, um wieder Luft holen zu können.
"Ach Atsche, du bist gestern eindeutig zu früh abgehauen."
"Ich war hinüber."
"Und ich habe noch die kleine Grit gevögelt."
"Was hast du? Nein! Die war so still und zurückhaltend."
"Davon hat man auf dem Berg Matratzen da hinten in der Abseite aber nichts mehr gemerkt."
"Ich glaube es einfach nicht. Wie hast du das nur angestellt?"
"Ich habe sie im Gehen bei der Hand genommen."
"Weiter nichts? Einfach so, nur an der Hand genommen? Du hast fast nicht mit ihr geredet."
"Okay, Atsche. Du wirst es auch noch lernen. Aber mal was ganz anderes: Warst du heute schon in der Küche?"
"Wie denn? Ich bin gerade erst aufgestanden."
"Junge, das sieht da drinne aus wie auf'm Schlachtfeld. Überall Blut, Federn, Eingeweide und ein Gestank, sage ich dir. Wir müssen da unbedingt sauber machen."
"Vergiss es! Seit wann putzt der Chefkoch die Küche? Wir sagen, das waren die Vietnamesen. Das glaubt uns jeder sofort aufs Wort."
Kaum waren die Einführungsveranstaltungen gelaufen, gab es schon die erste Pause in einem Studium, das noch gar nicht begonnen hatte: drei Wochen Erntehilfe. Die Studenten wurden jeden Tag im Bus auf ein entlegenes Dorf gefahren, um die LPG [1]-Bauern bei der Tabakernte zu unterstützen, genauer gesagt: wie Tagelöhner Tabak pflücken - eine echte Scheißarbeit. Immerhin war man an der frischen Luft und die letzten Septembertage noch angenehm warm.
Nach ihrem Job auf der Plantage hatten sie abends noch ein wenig im Wohnheim gefeiert. Atsche ging spät, aber doch früher als gewohnt. War es ein Zufall, dass er die Feier gleichzeitig mit Katrin verließ? Er wertete es als solchen und dachte nicht weiter darüber nach. Er hatte kaum mit Katrin geredet, sich den ganzen Abend nur um Gabi bemüht, bis bei ihm endlich die Erkenntnis gereift war, heute wieder einmal auf das falsche Pferd gesetzt zu haben. Damit war für ihn der Reiz der Fete verflogen. Seinen begrenzten Vorrat an emotionalem Pulver hatte er verschossen, die Schlacht war verloren. Ernüchtert entschloss er sich zum Rückzug. Er ging neben Katrin den langen Flur entlang und zwang sich zu einer nichtssagenden Unterhaltung. Im Gegensatz zu ihm war das Mädchen aufgeräumt und redselig. Wenn sie bei einer Bemerkung lachte, leuchtete eine Reihe weißer Zähne zwischen ihren weichen, rosafarbenen Lippen. Ihr weiter Pullover ließ wenig von ihrer Figur erahnen und erst jetzt bemerkte Atsche ein, unter der dicken Wolle schwer auszumachendes Detail: Sie trug keinen BH. Atsche wusste genau, wie es unter dem Pulli aussah, hatte er Katrin doch noch bildhaft von seinem Besuch in der Gemeinschaftsdusche in Erinnerung. Vor seiner Zimmertür blieben die beiden stehen, das Thema Mensa war noch nicht ganz abgehakt. Doch statt einen Abschluss zu finden, ging das Gespräch auf verschlungenen Wegen zu Hunden über, auch Katrin hatte einen Teckel, und Atsches Zunge lockerte sich zusehends. Die Unterhaltung wollte und wollte nicht enden. Und je länger sie dauerte, umso mehr änderte sich ihr Charakter: Aus logischen Darlegungen wurden Anspielungen. Atsche begann allmählich aufzutauen und unterstütze seine Wortbeiträge mit übertriebenen Gesten. Katrin lehnte sich beim Reden zuweilen an die Wand, setzte ein Bein nur mit der Fußspitze auf den Boden, spielte dabei mit ihren Fingern oder strich sich eine Haarsträhne hinters Ohr. Bei einer spaßigen Bemerkung berührte sie wie nebenbei mit dem Handrücken seine Schulter. Auch beider Augenpaare wurden mehr und mehr Teil der Konversation: ungläubig geschlossen, schelmisch zusammengekniffen, zwinkernd, begeistert leuchtend, entsetzt rollend, erstaunt aufgerissen. Katrin war sicher nicht der Typ Mädchen, um berechnend kokett zu sein. Aber wenn sie sich lachend weit zurückbog und ihre hellenischen Brüste eine deutlich sichtbare Wölbung unter dem dicken Pulli bildeten - hätte der Balztanz der Kraniche eindeutiger sein können?
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