»Es thut mir leid, Herr Simpel,« begann der Kapitän, als ich ins Zimmer trat, »daß ein junger Mensch schon so früh solche Zeichen von Schlechtigkeit blicken läßt; und noch mehr, daß er nicht einmal das Zartgefühl besitzt, welches selbst die Verhärtetsten nicht ganz ablegen – ich meine, die Unsittlichkeit im geheimen zu treiben und nicht sich selbst herabzuwürdigen oder seinen Kapitän dadurch zu beschimpfen, daß man seine Ausschweifungen ohne Scham gesteht, ja, ich möchte sagen, damit prunkt, indem man sie am hellen Tage in der besuchtesten Straße der Stadt zur Schau stellt.«
»Sir,« erwiderte ich voll Erstaunen, »mein Gott, was habe ich denn gethan?«
Der Kapitän richtete sein scharfes Auge auf mich, als wollte er mich damit durchbohren und an die Wand nageln.
»Wollen Sie damit sagen, Sir, daß Sie von dem Charakter der Person, mit welcher Sie soeben gingen, nichts wußten?«
»Nein, Sir,« versetzte ich, »ausgenommen, daß sie sehr artig und gutmütig war,« und dann erzählte ich ihm, wie sie mich angeredet habe und was darauf vorgefallen sei.
»Ist es möglich, Herr Simpel, daß Sie ein so großer Dummkopf sind?«
Ich erwiderte, »allerdings halte man mich für den größten Pinsel der Familie.«
»Ich denke, Sie sind es,« gab er trocken zur Antwort. Er setzte mir dann auseinander, wer die Person war, in deren Gesellschaft ich gewesen, und wie eine Verbindung mit ihr mich unvermeidlich in Schande und Verderben stürzen würde.
Ich weinte sehr, denn ich war erschrocken über die nahe Gefahr, in welcher ich geschwebt hatte, und betrübt, in seiner guten Meinung gesunken zu sein. Er fragte mich, wie ich seitdem meine Zeit in Portsmouth angewendet habe, und ich gestand ihm, daß ich betrunken war, erzählte alles, was die Seekadetten mir gesagt hatten, und daß ich diesen Morgen ein Duell gehabt habe. Er horchte sehr aufmerksam auf meine ganze Geschichte, und ich glaubte hier und da ein Lächeln auf seinem Gesichte zu bemerken, obschon er sich in die Lippen biß, um es zu unterdrücken. Als ich geendigt hatte, sagte er:
»Herr Simpel, ich kann Sie nicht länger am Lande lassen, ehe Sie mehr Erfahrung in der Welt gemacht haben. Ich werde meinem Beischiffsführer befehlen. Sie nicht aus dem Gesichte zu verlieren, bis Sie sicher an Bord der Fregatte sind. Wenn Sie einige Monate mit mir gefahren sind, werden Sie imstande sein, zu entscheiden, ob ich das Prädikat verdiene, das die jungen Gentlemen mir beigelegt haben, ich glaube, bloß in der Absicht, um sich über Ihre Unerfahrenheit lustig zu machen.«
Im ganzen that es mir nicht leid, daß es vorüber war. Ich sah, daß der Kapitän glaubte, was ich erzählt hatte, und freundlich gegen mich gesinnt war, obschon er mich für sehr einfältig hielt. Der Beischiffsführer begleitete mich, seinem Befehle gehorsam, in den Blauen Pfosten. Ich packte meine Kleider zusammen, bezahlte meine Rechnung, und der Packträger brachte meinen Koffer nach Sally Port hinab, wo das Boot wartete.
»Kommt, meine Jungen, vorwärts, den Anker aufgetrieben, lustig! Der Kapitän sagt, wir sollen den jungen Gentleman sogleich an Bord nehmen; seine Freiheit ist ihm genommen, weil er betrunken gewesen und der Dolly Mops nachgelaufen ist.«
»Sie sollten, denke ich, in Ihren Bemerkungen mehr Respekt zeigen, Herr Coxswain,« sagte ich voll Unwillen.
»Herr Coxswain? danke, Sir, daß Sie meinem Namen eine Handhabe geben«, versetzte er, »kommt Jungens, hurtig mit den Rudern.«
»Ach, Bill Freeman«, sprach ein junges Frauenzimmer am Strande, »was für einen hübschen, jungen Gentleman haben Sie da. Er sieht aus wie ein Nelson an der Mutterbrust. Ei, mein schöner, junger Offizier, können Sie mir nicht einen Schilling leihen?«
Es gefiel mir so sehr, mich von dem jungen Frauenzimmer einen jungen Nelson nennen zu hören, daß ich augenblicklich ihr Gesuch erfüllte.
»Ich habe keinen Schilling in meiner Tasche,« sagte ich, »aber hier ist eine halbe Krone; »ich werde sogleich wieder da sein, mein Lieber.«
Die Leute im Boot lachten und der Beischiffsführer befahl ihnen, abzufahren.
»Nein,« bemerkte ich, »wir müssen auf meine achtzehn Pence warten.«
»Dann dürften wir verflucht lange warten, glaube ich. Ich kenne die Dirne, sie hat ein sehr schlechtes Gedächtnis.«
»Sie kann nicht so unehrlich oder undankbar sein,« erwiderte ich; »Coxswain, ich befehle Ihnen, zu halten, ich bin Offizier.«
»Ich weiß, Sie sind es, Sir, ungefähr seit sechs Stunden; wohl dem, ich muß hinauf und dem Kapitän sagen, daß Sie ein anderes Mädchen im Schlepptau haben und nicht mit an Bord wollen.«
»O nein, Herr Coxswain, thun Sie das nicht, stoßen Sie ab, sobald es Ihnen beliebt, wir wollen nicht mehr an die achtzehn Pence denken.«
Das Boot fuhr nun ab und ruderte auf das Schiff zu. welches bei Spithead lag.
Ich werde in das Hinterverdeck eingeführt und dem ersten Leutnant vorgestellt, der mich für sehr geschickt erklärt. Ich steige hinunter zu Frau Trotters Ehestandshimmel in einem Cockpit. – Frau Trotter nimmt mich als Kostgänger an. – Ich bin sehr darüber erstaunt, daß so viele Leute wissen, daß ich der Sohn meines Vaters bin.
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Bei unserer Ankunft an Bord gab der Coxswain oder Beischiffsführer dem ersten Leutnant, welcher gerade auf dem Verdeck war, ein Billet von dem Kapitän. Er las es, blickte mich ernsthaft an, und dann hörte ich ihn zu einem andern Leutnant sagen: »Der Dienst geht zum Teufel. So lange er nicht beliebt war, hatten wir, wenn nicht viel Erziehung, doch wenigstens den Vorteil, welche natürliche Fähigkeiten uns gaben; aber nun, da vornehme Leute ihre Söhne zur Versorgung auf die Marine schicken, bekommen wir allen Ausschuß ihrer Familien, als ob jedes Ding gut genug wäre, um einen Kapitän eines Linienschiffs daraus zu machen, der in manchen Fällen mehr Verantwortlichkeit auf seinen Schultern hat, und in Lagen versetzt wird, die mehr Urteilskraft erheischen, als jeder andere Stand erfordert. Hier wird wieder einer von den Familiengimpeln dem Staate zum Geschenk gemacht, ein anderer junger Bär, den ich abrichten soll. Nun, ich sah noch keinen, aus dem ich nicht etwas machte. Wo ist Herr Simpel?«
»Ich bin Herr Simpel, Sir,« erwiderte ich sehr eingeschüchtert durch das, was ich gehört hatte.
»Gut, Herr Simpel, passen Sie auf und schenken Sie dem, was ich sage, besondere Aufmerksamkeit. Der Kapitän schreibt mir in diesem Billete, Sie hätten sich einfältig angestellt. Nun, Sir, ich lasse mich auf diese Art nicht fangen. Sie haben etwas von den Affen, welche nicht sprechen, weil sie besorgen, man werde sie zur Arbeit verwenden. Ich habe Ihr Gesicht aufmerksam betrachtet und auf den ersten Blick gesehen, daß Sie sehr fähig sind, und wenn Sie sich in kurzer Zeit nicht so erweisen, nun, so thun Sie besser, über Bord zu springen, und hiermit Punktum. Sie werden mich vollkommen verstehen, und da ich es Ihnen nun gesagt habe, so suchen Sie mich ja nicht zu täuschen; denn dies geht nicht!«
Ich war über diese Sprache sehr erschrocken, aber zugleich freute es mich zu hören, daß er mich für fähig hielt, und ich nahm mir vor, alles aufzubieten, um eine so unerwartete Meinung zu rechtfertigen.
»Quartiermeister,« sagte der erste Leutnant, »rufen Sie Herrn Trotter aufs Verdeck.«
Der Quartiermeister brachte Herrn Trotter herauf, der sich entschuldigte, daß er so schmutzig sei, da er eben Tonnen aus dem Schiffsraume herausschaffe. Es war ein kleiner untersetzter Mann, ungefähr dreißig Jahre alt, mit einer Nase, welche eine rote Warze hatte, sehr häßlichen Ohren und einem großen schwarzen Backenbarte.
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