Frederick Marryat
Die drei Kutter
Abenteuer der welt
Saga
Lieber Leser, bist du schon in Plymouth gewesen? Wenn es der Fall ist, dann muß dein Auge mit Entzücken auf dem prachtvollen Besitztum des Grafen von Mount Edgecumbe geruht haben. Warst du aber noch nicht in dieser Stadt, so besuche sie, und je eher, desto besser.
Auf Mount Edgecumbe kannst du die schönsten Bäume, die es gibt, bewundern; sie schmücken die Hügel von ihren Spitzen bis hinunter zu dem flachen Geröll am Strand. Von diesem reizenden Fleckchen Erde aus bietet sich dir einer der herrlichsten Rundblicke der Welt. Du siehst – und ich weiß kaum etwas, was du nicht sehen wirst – Ram Head und die Bucht von Cawsand; die große Mole, Drake’s Island und tief unter dir Devil’s Bridge; die Stadt Plymouth mit ihren Befestigungen, den Hoe, Devil’s Point, um den der Gezeitenstrom verteufelt quirlt, das neue Proviantamt, wo Sir James Gordon alle Tage umherzustelzen und von jedem, der eine Schnupftabaksdose bei sich hatte, eine Prise zu nehmen pflegte (sie wurde gern gegeben und gern genommen, woraus man ersieht, welch großes Vergnügen auch nur eine Prise Schnupftabak bereiten kann). Dann siehst du Mount Wise und Mutton Cove, die Stadt Devonport mit ihrer prächtigen Werft und den Arsenalen, North Corner und die Straße, die nach Saltash führt. Du siehst Schiffe im Bau und Schiffe außer Dienst, Schiffe, die repariert, und Schiffe, die ausgerüstet werden, abgetakelte Schiffe, die Sträflingsschiffe und das Wachtschiff, segelfertige und unter Segel stehende Schiffe, daneben Leichter, Kriegsschiffboote, Werftboote, Proviantboote, Landungsboote, kurzum, in Plymouth gibt es, außer dem Meer selbst, eine Menge zu sehen.
Mein besonderer Wunsch ist jetzt aber, daß du auf der Batterie von Mount Edgecumbe stehen und nach Barn Pool unter dir blicken sollst; dort wirst du einen Kutter sehen, der ganz allein vor Anker liegt, und du wirst am Stander und an der Schiffsflagge erkennen, daß es eine Jacht ist.
Von allen Liebhabereien, die bei Adel und Bürgertum unserer Insel Eingang gefunden haben, ist keine so männlich, so aufregend, so patriotisch oder so national wie das Jachtsegeln. Es ist ein für England kennzeichnender Sport, nicht allein wegen unserer Insellage und der guten Häfen, sondern auch deshalb, weil er ein bestimmtes Maß an Tatkraft und eine bestimmte Höhe des Einkommens voraussetzt, die man selten woanders findet. Von unserer Regierung ist dieser Sport in weiser Voraussicht gefördert worden; sie erkannte, daß die Sicherheit des Königreiches stieg, wenn jeder mehr oder weniger ein Seemann oder doch mit dem Seemannsberuf eng verbunden war. Für unser Land ist dieser Sport von der größten Bedeutung; er hat den Bau und die Ausrüstung der Schiffe wesentlich verbessert und gibt Seeleuten und Schiffbauern Arbeit. Aber wenn ich das alles erzählen wollte, was ich zum Lobe des Jachtsegelns zu sagen wüßte, käme ich mit meiner Geschichte nie voran. Ich trinke daher einen vollen Humpen auf das Wohl des Admirals Lord Yarborough und des Jachtklubs und fahre in meiner Erzählung fort.
Du stellst fest, daß die Jacht wie ein Kutter getakelt ist und zierlich auf dem ruhigen Wasser liegt. Sie ist gerade dabei, den Anker zu lichten; das Vorsegel ist los, alles ist bereit – in wenigen Minuten wird sie Fahrt gewinnen. Du siehst auch, daß an der hinteren Reling einige Damen sitzen und daß fünf Rehkeulen über dem Heck hängen.
Wir müssen nun an Bord gehen. Das Deck besteht aus schmalen schneeweißen Planken, die Kanonen sind aus blankem Messing, Poller und Kompaßhäuschen aus Mahagoni. Das Schiff ist geschmackvoll gestrichen, seine Verzierungen sind alle vergoldet. Es fehlt nichts, und doch, wie frei und geräumig ist das Deck! Laß uns nun hinuntergehen! Hier liegt die Damenkabine. Kann etwas geschmackvoller oder eleganter sein? Ist sie nicht fast luxuriös? Und staunst du nicht, wenn du siehst, wieviel Bequemlichkeiten bei so beschränktem Raum praktisch und hübsch untergebracht sind? Dies hier ist der Speiseraum, wo sich auch die Herren aufhalten. Was könnte vollkommener, erlesener sein? Und jetzt wirf noch einen verstohlenen Blick in die Empfangskajüten und Schlafkabinen! Hier befinden sich die Kammer des Stewards und die Anrichte – der Steward drückt gerade Zitronen für den Punsch aus –, dort steht der Champagner in Eis, und neben dem Kübel stehen die Rotweinflaschen mit den langen Korken, alle fertig aufgereiht.
Nun laß uns weiter nach vorn gehen. Hier sind die Schlafkojen der Besatzung, aber sie sind nicht so eng wie auf einem Kriegsschiff. Nein! Der Luxus, der im Hinterschiff beginnt, verliert sich selbst ganz vorn nicht. Dies ist die Kombüse; ist sie nicht bewundernswert eingerichtet? Welch Vielerlei auf kleinstem Raum! Und wie lieblich duftet die Schildkrötensuppe! – Auf See begegnet man zuzeiten rauhen Stürmen; um sie abzuwettern, braucht man nur eine Jacht. Nun muß ich dir noch, nachdem ich dich durch das Schiff geführt habe, die Gesellschaft an Bord vorstellen.
Du siehst dort diesen blühenden, hübschen Mann in weißen Hosen und blauer Jacke, der, ein Fernglas in der einen Hand, gerade an einem Glas Kognak mit Wasser nippt, das er soeben vom Skylight genommen hat. Das ist der Besitzer des Schiffes, ein Mitglied des Jachtklubs. Es ist Lord B. Er sieht wie ein Seemann aus, und er straft sein Aussehen wohl auch kaum Lügen. Ich habe ihn schon bei der Eröffnung des Oberhauses in seiner Staatsrobe gesehen. Neben ihm steht Herr Stuart, ein Leutnant von der Marine. Er hält sich beständig mit der einen Hand an der Takelage, weil er, der sein ganzes Leben hindurch emsig beschäftigt war, nicht weiß, was er mit leeren Händen beginnen soll. Er ist ein Schützling von Lord B. und augenblicklich als Navigationsoffizier an Bord der Jacht.
Der hübsche, wohlgebaute Mann dort, der am Kompaßhäuschen steht, ist Herr Hautaine. Er diente sechs Jahre als Seekadett in der Kriegsmarine, fand aber keinen Geschmack daran. Dann diente er sechs Jahre in einem Kavallerieregiment, fand aber daran ebenfalls keinen Geschmack. Darauf heiratete er, entdeckte aber schon nach einer wesentlich kürzeren Probezeit, daß er auch daran keinen Geschmack finden würde. Er ist ein leidenschaftlicher Verehrer von Jachten und Frauen, und wo er aufkreuzt, ist er willkommen.
Jener junge Mann mit der gestickten seidenen Weste und den weißen Handschuhen, der sich gerade etwas hinunterbeugt, um mit einer der Damen zu sprechen, ist ein gewisser Herr Vaughan. Man sieht ihn viel in den Vergnügungsetablissements von Almack und Crockford und überall sonst. Jeder kennt ihn, und er kennt jeden. Er ist ein wenig verschuldet, und das Jachtsegeln kommt ihm gerade gelegen.
Der, welcher bei der Dame sitzt, ist ein Verwandter von Lord B. Du siehst sofort, was mit ihm los ist. Er spielt den Seebären: Er ist nicht rasiert, weil Seeleute keine Zeit haben, sich jeden Tag zu rasieren; seine Wäsche hat er aus eben diesem Grunde auch nicht gewechselt; er raucht eine Zigarre, was ihn selbst halb krank macht und die Gesellschaft obendrein belästigt; er spricht von dem Vergnügen, das ihm eine grobe See macht, von der die Damen unter Deck getrieben werden – dann bemerken sie nämlich nicht, daß er stärker unter der Seekrankheit leidet als sie. Er hat Pech, denn er ist für ein großes Besitztum geboren und dabei ein Narr. Sein Name ist Ossulton. Der letzte der Herren an Bord, den ich vorzustellen habe, ist Herr Seagrove. Er ist zart gebaut und hat auffallend intelligente Züge. Er hat es bis zum Advokaten gebracht, aber er besitzt jede andere Fähigkeit, nur nicht die Eignung zu diesem Beruf. Er hat noch nie einen Prozeß geführt und hat auch keine Aussicht, jemals einen zu führen. Er ist der Unterhalter der Gesellschaft. Seine Kanzlei hat er geschlossen und ist auf Einladung Seiner Lordschaft an Bord der Jacht gekommen, um seine „Vorstellungen“ zu geben.
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