Marc Lindner - Die verborgenen Geheimnisse

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Ismar und Clara haben beide einen langen Weg vor sich. Während Clara aus ihrem Klosterleben zu entfliehen versucht, muss Ismar viel über sich und andere lernen, nur um zu merken, dass sein bisheriges Leben ein Lichtfleck in der Dunkelheit war.
Wer Freund und Feind ist, lässt sich für beide nur schwer erkennen und so bleiben Ismar und Clara auf ihren Wegen viele Entdeckungen nicht erspart. Doch wo andere nur ihren Vorteil suchen, gibt es auch solche, die Ismar und Clara auf ihren Wegen begleiten und sie mehr lehren als in Büchern geschrieben steht.

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Marc Lindner

Die verborgenen Geheimnisse

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Inhaltsverzeichnis Titel Marc Lindner Die verborgenen Geheimnisse Dieses ebook - фото 1

Inhaltsverzeichnis

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Ismars Strafe

Bruder Johannes' Mission

Ells Vater

Der Nussbaum

Das ausgelassene Abendessen

Der unerwartete Besuch

Die Rückkehr der Novizin

Manegold

Die Predigt

Die Lehre einer Abtrünnigen

Magdalena

Tag der Entscheidung

Der Besuch

Die Entscheidung des Abtes

Rauchzeichen

Der vergessene Weg

Klosterleben

Der Preis der Freiheit

Das Geheimnis des Klosters

Das Lager im Wald

Der kaputte Tisch

Der Aufbruch

Das große Grab

Abschied

Impressum neobooks

Ismars Strafe

An diesem Wochenende war Monatsmarkt. Ismar mochte diese Tage. Anders als bei den üblichen Wochenmärkten kamen auch Handwerker und Händler, die seltener die Burg aufsuchten. Einige kannten Ismar und unterhielten sich gerne mit ihm. Vielleicht lag es auch daran, dass er nicht selten etwas kaufte, wenn es ihn faszinierte, aber auch seine Neugier und sein ehrliches Interesse schienen sie an ihm zu schätzen. Seine Begeisterung war umso größer, je weniger er von etwas verstand. Das Wissen, das er hier erlangte, war anders als das, was ihm sein Hauslehrer vermittelte, auch wenn er diesen bisweilen um Erklärungen bat, die über das Wissen der einfachen Leute hinausging.

Wohlgelaunt sah Ismar dabei zu, wie die Einzelnen ihre Stände aufbauten oder hektisch ihren Platz suchten oder gegen aufdringliche Platzneider zu verteidigen versuchten. An etlichen Stellen brachen kleine Raufereien aus, doch im schlimmsten Fall reichten wenige Worte der Stadtwachen, die an diesem Tag vermehrt patrouillierten, um Streitereien zu beenden und dafür zu sorgen, dass einer der Streithähne weiter zog, wenn auch mit einer Faust in der Tasche.

Plötzlich hörte Ismar eine aufbrausende Stimme toben. Es war kein Streit, sondern reines Geschimpfe. Es war nicht weit entfernt, aber Ismar musste seine Stellung auf der Mauer aufgeben, um es sich anzusehen. Er konnte Geschimpfe nicht ausstehen. Wenn zwei sich stritten, war es ihm egal, aber bei Geschimpfe gab es immer einen, der sich nicht wehren konnte.

Ismar kletterte an einem kleinen Wachturm vorbei und eilte in geduckter Haltung westwärts und verließ damit die Hauptmarktstraße. Es war Ells Vater, der mit seiner Tochter schimpfte. Ell ließ es wie selbstverständlich über sich ergehen und mühte sich vergebens ab, ihre Hühner zusammenzutreiben. Doch nun, da sich Hektik unter diese gemischt hatte, versuchten sie in alle Richtungen zu fliehen und sich unter irgendwelchen Gegenständen zu verstecken. Das Geschreie war wenig förderlich um Ells Bemühen, die Hühner beisammen zu halten oder gar zu fangen, zu unterstützen. Dabei schrie er Ell genau deshalb an, da er weiter zu ihrem Standplatz wollte. Doch als wäre Ell mit einem Fluch belegt, stob ihr Gefieder entgegen ihrer Natur immer wieder auseinander, wenn sie die sieben Hühner zusammen getrieben hatte.

Ismar konnte sich das Schauspiel nicht länger anschauen. Er ließ sich hinter einem Stand die Mauer hinabgleiten. Als er hinter einer fülligen Marktdame hervortrat, schrie diese erschrocken auf und verschaffte ihm mehr Aufmerksamkeit als beabsichtigt.

Er versuchte sich zu entschuldigen, doch die Frau wollte davon nichts wissen und drohte ihm in unterdrücktem Ärger für das nächste Mal Schläge an.

Mit einer wohlgeübten Unschuldsmiene empfahl er sich und stellte sich zwischen Ell und ihren tobenden Vater.

„Warte, ich helfe dir.“ Ismar ignorierte, dass ihr Vater ihn nun in seine Flüche mit aufnahm. Ell war leicht verzweifelt und sah ihn resignierend an.

Ismar zögerte nicht lange und hatte alsbald das erste Huhn gefangen, das sich eben unter einen der Wagen stehlen wollte. Er ging damit zu Ell und reichte es ihr mit den Füßen nach oben. Ihr Vater stemmte die Hände in die Seiten seines dicken Bauches und blickte mürrisch drein. Statt zu schreien, begnügte er sich damit, ungeduldig zu atmen. Ismar fing ein Huhn nach dem anderen ein, um es Ell zu geben. Ismar fing sich etliche Verwünschungen ein, weil er anderen Marktteilnehmern in die Quere kam. Es war Ell unangenehm, nicht helfen zu können, doch mit den Hühnern in der Hand, war es ihr nicht möglich. Ebendies war ohnehin ihr Dilemma gewesen. Es war schier unmöglich, alleine sieben Hühner einzufangen und gleichzeitig festzuhalten. Jeder, insbesondere ihr Vater, musste das wissen.

Mit einem zufriedenen Grinsen im Gesicht, brachte Ismar endlich das siebte Huhn. Doch da wurden die Hühner unruhig und flatterten selbst mit dem Kopf nach unten hängend wild umher. Das war sonderbar, dann normalerweise taten Hühner das nie. Plötzlich stöhnte Ell schmerzhaft auf und ließ eine Hand los. Ihr Vater schrie auf und wollte sie schlagen, doch Ismar ging dazwischen und fing unfreiwillig die Ohrfeige an ihrer statt ein. Verdutzt blieb ihr Vater stehen und stotterte etwas Unverständliches zusammen. Er wusste nur zu gut, wer er war. Ismar wendete sich Ell zu und wollte fragen, was los war als er sah, dass ihr Arm blutete. Gleich darauf traf auch ihn ein Stein, der eigentlich für Ell oder ihre Hühner gedacht war. Ismar drehte sich wütend um und erkannte Mauricius, wie er auf dem Dach eines niedrigen Hauses hockte und seine Steinschleuder auf sie gerichtet hielt.

„Hey du Dumpfbacke, komm da herunter, du feiger Hund!“, schrie Ismar ihn an.

„Komm doch hoch, wenn du dich traust.“ Der Junge streckte ihm die Zunge heraus und hielt sich für den Größten.

„Na warte, dir werde ich noch Manieren beibringen!“ Mit diesen Worten nahm Ismar Anlauf und war in drei Zügen auf dem Dach, wo er dem verdutzten Mauricius gegenüber stand.

Ismar nutzte dessen Überraschung und entriss ihm gleich die Schleuder. Der Junge war stärker als Ismar, doch Ismar war flinker und wusste die Bewegungen seines Gegenübers zu seinem Vorteil zu nutzen. Bald lag Mauricius flach auf dem Dach mit einem Arm hinter dem Rücken.

„Komm da herunter“, schrie eine Männerstimme.

Ismar blickte verwundert hinunter und sah dort den Burgherren stehen, seinen Vater. Ismar schluckte kräftig und stand sogleich auf und gab Mauricius frei. Ohne zu zögern ging Ismar auf dem Dach nach vorne, da er wusste, dass alles Zögern die Konsequenzen nur verschlimmern würde.

Er wollte eben hinabspringen, als er hörte, dass Mauricius auf ihn zulief. Im letzten Moment duckte sich Ismar und sprang zur Seite. Mit dem Schwung mit der er Ismar hinab stoßen wollte, fiel Mauricius herunter. Schmerzhaft landete er auf allen Vieren und begann gleich zu weinen. Ismar beeilte sich hinab.

„Sei still und verschwinde du hinterhältiger Hund. Das geschieht dir nur Recht!“

Ismar stellte sich aufrecht vor seinen Vater, so wie dieser es ihn gelehrt hatte. Als Dank empfing er eine derbe Ohrfeige, die sogar Ells Vater zusammenzucken ließ. Vielleicht lag es auch nur an seinem schlechten Gewissen.

„Wie oft soll ich dir noch sagen, dass du dich nicht herumprügeln sollst.“

Ell stellte sich neben den Burgherren und wollte es wagen ihm zu wiedersprechen. Ismar schüttelte rasch den Kopf und drückte sie zur Seite.

„Verzeiht Vater, ich war unartig. Last mich helfen, dem Mädchen ihren Schaden gutzumachen, sie hat drei ihrer Hühner verloren.“

Der Burgherr wank einen Mann zu sich.

„Zahle dem Mädchen für ihre drei Hühner und verdoppele es für den Schreck, den es erlitten hat.“

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