„Ja, weißt du, es ist ja noch ganz frisch. Da ist es dann auch einfach noch ganz zart“ Ich gehe strahlend über seinen Einwand hinweg. „Das bedeutet, wir bekommen ein Baby Schatz!!!!freust du dich denn gar nicht? Das ist die Kirsche auf der Schwarzwälder Torte unserer Beziehung!“
Wo sind denn die Freudentränen? Ich beobachte ihn sehr genau. Da ist nix, muss ich feststellen. Er sieht mich ganz lässig an. Naja, das kommt bestimmt beim ersten Ultraschall. Ich bin da realistisch. Sobald er sein Baby auf dem Monitor sieht, wird er sich nicht mehr halten können.
Am nächsten Morgen wache ich völlig gerädert auf. Henry und ich saßen noch den restlichen Abend zusammen gekuschelt auf der Couch. Und haben geredet. Über unsere Ängste, Sorgen, aber vor allem Freuden. Wir hoffen sehr, dass wir die Krise, die wir in letzter Zeit hatten, jetzt hinter uns lassen können. Ich war recht schnell verzweifelt, als es mit der Schwangerschaft nicht gleich klappen wollte, Henry war tiefenentspannt. Fast die ganze Zeit. Die Stimmung ist allerdings gekippt, als ich ihm damals einen Termin beim Urologen ausgemacht habe. Ohne zu fragen. Blöd im Nachhinein. Wir haben uns jetzt jedenfalls ausgesprochen und sind wieder in der Spur.
Als ich aus der Dusche steige und meinen noch flachen Bauch im Spiegel anschaue, muss ich unwillkürlich lächeln. Ein Baby! Allein die Vorstellung macht mich überglücklich. Ich betrachte meinen Körper mit anderen Augen. Meine braunen Haare, die mich an normalen Tagen wahnsinnig machen, weil sie nie so liegen wie sie sollen, leuchten heute schöner als sonst und liegen sanft auf meinen Schultern auf. Mit meinen braunen Augen bin ich ganz zufrieden. Meine Sommersprossen leuchten mich an. Heute stören mich nicht mal die kleinen Polster an Bauch, Hüfte und Oberschenkel. Die Schwangerschaft stimmt mich offensichtlich milde, meinen zahlreichen vermeintlichen Makeln gegenüber.
Nach einem kurzen Frühstück mit Henry fahre ich mit meinem alten, türkisfarbenen VW - Bus namens Lotte, Richtung Redaktion. Ich liebe dieses Auto! Wir sind seit meiner bestandenen Fahrprüfung mit achtzehn Jahren ein großartiges Gespann. Mit Lotte sind Henry und ich schon weit umhergereist. Wie schön das erst sein wird mit Baby….
Als ich am Schreibtisch sitze wird mir langsam bewusst, dass jetzt eine schwierige Zeit kommt. Ich muss auf den Frauenarzttermin in vier Wochen warten. Da bin ich dann in der neunten Woche. Erzählen vom Baby wollen wir erst in der zwölften Woche. Das sind summa summarum noch sieben Wochen. Oh weia, das kann heiter werden. Geduld zählt bekanntlich nicht zu meinen überragenden Eigenschaften.
Gegen Feierabend muss ich schon die erste Schwierigkeit in dieser Hinsicht meistern. Mein Kollege und gleichzeitig bester Freund Nicolas, von allen nur Nic genannt, stürmt gut gelaunt in unser Büro. Nic ist bei allen sehr beliebt. Er ist der Typ „Sunnyboy“, gut gebaut, blond, grüne Augen und immer gut gelaunt. Er streckt mir seine Hand entgegen und strahlt mich an. „Naaaaa?“.
„Hi Nic, wie naaa?“, gebe ich feixend zurück. Er wedelt mit der linken Hand, da fällt es mir auf. Ein schöner Ring in Silber steckt an seinem Ringfinger. „Oh, Nic! Soll das heißen Jan hat dich endlich gefragt?“
„Ja, gestern, es war so romantisch!“, seufzt er und schaut träumerisch. „Deshalb möchte ich gleich mit meinen Lieblingskollegen anstoßen, ich hoffe, du hast einen Moment Zeit für mich?“
„Ja natürlich. Gibt es schon einen Termin für die Hochzeit?“, frage ich, während ich Nic fest an mich drücke.
„Am 10. August. Wir werden auf Schloss Monrepos heiraten mit allem Drum und Dran. Ach, Josi davon habe ich so lange geträumt und jetzt soll es endlich so weit sein“, schwärmt Nic. „Schloss Monrepos! Stell dir vor – wie im Märchen. Ich und mein Prinz! Ich muss dir das unbedingt alles in Ruhe erzählen, du wirst es nicht glauben, wie er mir den Antrag gemacht hat“. Nic kommt aus dem Strahlen gar nicht mehr heraus. Wir verabreden uns für den nächsten Abend in unserer Stammkneipe. Nick verabschiedet sich, nicht ohne vorher meine Zusage für den kurzen Sekt Empfang am Abend einzuholen.
Innerlich seufzend stimme ich zu.
Als sich nach Feierabend alle unsere Kollegen im Büro versammeln und Nick die freudige Nachricht mit uns teilt, bekomme auch ich automatisch ein Glas Sekt in die Hand gedrückt. Das bringt mich jetzt etwas in die Bredouille. Ich stelle das Glas so unauffällig wie möglich in einem unbeobachteten Moment zur Seite, und nehme mir stattdessen ein Glas O - Saft. Auf einmal steht unser Ressortleiter Micha neben mir.
„Josi, bist du krank? Normalerweise bist du doch einem guten Tropfen nicht abgeneigt, oder?“, Micha hat die Stimme gesenkt „Ist es wegen der Sache mit dem Eisen die du mir anvertraut hast?“ So sehr er mich mit seinem lauernden Blick nervt, der nur darauf wartet, dass ich noch mehr Schauergeschichten zu meiner Gesundheit hinter dem Ofen hervorzaubere, so froh bin ich. Micha hat mir die beste Ausrede auf dem Silbertablett geliefert. Ich beeile mich ihm zu versichern, dass er absolut Recht hat. Das Eisen. Eisen und Alkohol passt nicht zusammen, Alkohol hemmt die Eisenzufuhr, das sei ja bekannt. Zum Glück gibt er sich wissend nickend mit dieser Antwort zufrieden. Den restlichen Abend überstehe ich ohne weitere Pannen.
Am nächsten Abend steht meine Verabredung mit Nic an. Er sitzt schon an unserem Stammtisch in unserer Lieblingskneipe „Jerrys“. Hier ist alles im angesagten „Industrial Style“ eingerichtet und der Besitzer Thomas weiß immer schon genau, was wir trinken. An diesem Abend ändere ich meine Bestellung schnell um in einem Virgin Daiquiri. Als wir vor unseren Gläsern sitzen sieht mich Nic von der Seite an.
„Süße, Was ist los mit dir? Irgendetwas stimmt doch nicht. Du bist die Tage im Büro so still und gestern beim Sekt Empfang hast du dein Glas gegen einen O - Saft ausgetauscht. Magst du mir nicht sagen, was los ist?“, fragt Nic besorgt.
„Oh, na ja weißt du, aber du musst mir versprechen es für dich zu behalten vorerst“, stammle ich. „Henry und ich, wir, nun wir, wir bekommen ein Baby!“
Nic strahlt mich mit seinen leuchtenden grünen Augen an und umarmt mich freudig. „Josi, das ist ja furchtbar aufregend! Herzlichen Glückwunsch! Ich freue mich so sehr für euch beiden. Ich dachte mir sowas schon, du scheinst seit Tagen von innen zu strahlen.
Du, ich wollte dich noch Fragen, ob du meine Trauzeugin sein würdest? Das heißt, wenn das überhaupt geht, ich habe gar nicht gefragt, wann das Baby eigentlich kommt“, meint Nic mit einem Lächeln.
„Der Geburtstermin laut Onlinerechner wird der 01.09. sein. Genaueres weiß ich erst nach dem Arzttermin in rund drei Wochen. Ich wäre aber sehr gerne deine Trauzeugin, vorausgesetzt es stört dich nicht, dass ich bis dahin watschle, schnaufe wie ein Elefant und meine Beine nicht mehr sehen kann“, gebe ich ihm lachend Antwort.
„Das stört mich überhaupt nicht. Du wirst immer meine allerschönste, hübscheste, zarteste, elfengleiche, beste Freundin sein“, entgegnet Nic mit einem schelmischen Zug um den Mundwinkel. „Und wer weiß, vielleicht bildet den krönenden Abschluss unserer Hochzeit eine Livegeburt?“ Glucksend nimmt er einen Schluck von seinem Daiquiri.
„Nee, nee lass mal“, wehre ich schnell ab, „das soll euer Tag sein. Jetzt erzähl doch mal, wie der Antrag war“, bitte ich ihn. In den nächsten Minuten komme ich aus dem Staunen nicht mehr heraus. Der Antrag war bis ins kleinste Detail perfekt vorbereitet. Feines Restaurant, Rote Rosen, Champagner, Ring im Glas - nicht ohne Risiko, wenn man mich fragt. Ich freue mich sehr für die beiden, dass sie nach zehn Jahren Beziehung den nächsten Schritt wagen. Wir plaudern noch über die Hochzeitsplanungen, über die anstehenden Babyvorbereitungen und verabschieden uns früher als gewöhnlich. Die Schwangerschaft fordert ihren Tribut, mir fallen fast die Augen zu.
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